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Anders reisen durch Marokko

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In Zusammenarbeit mit einheimischen Berbern

Zu einer ungewöhnlichen Marokko-Reise durch das Atlasgebirge bis in die Sahara brach Redakteurin Michaela Doepke Anfang des Jahres auf. Sie schloss sich einer Reisegruppe von Bianca Wienert an, die mit ihren Reisen einheimische Berberfamilien und Frauenkooperativen unterstützt.

Als vielbeschäftigte Meditationslehrerin und Journalistin sehnte ich mich nach Raum, Zeit und Muße für mich. Da entdeckte ich zufällig beim Einkaufen am Zettelbrett den Flyer zu einer Marokko-Reise von Reiseveranstalterin Bianca Wienert. Anfang des Jahres entschloss ich mich, gemeinsam mit sechs anderen mir unbekannten Frauen an der zweiwöchigen Gruppenreise nach Marokko teilzunehmen.

Wienert ist keine klassische Reiseveranstalterin. Ihr Anliegen ist es, die einheimischen Berber durch ihre Entdeckungsreisen zu unterstützen. Sie organisiert und begleitet diese Reisen individuell für Frauen, die abseits des üblichen Tourismus das Land Marokko, seine Bewohner und die Wüste kennen lernen möchten.

Ihre erste Begegnung mit der Wüste hatte sie wie ein mystisches Erlebnis empfunden, wie sie mir bei unserer ersten Begegnung berichtete. Wienert: „Es war mir alles auf eine Art und Weise sehr vertraut und ich hatte das Gefühl, angekommen zu sein. Die Weite der Wüste öffnete mein Herz und eine tiefe Ruhe breitete sich in mir aus“.

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Die Berber verdienen als Reiseleiter das Schuldgeld für ihre Kinder.

Vieles hat sie als alleinreisende Frau auf ihren ersten Erkundungsreisen seither über die einheimischen Berber und das wunderschöne Land erfahren und erlebt. Ihr langes Haar versteckte sie unterwegs stets unter einem Tuch. Niemals wurde sie belästigt, obwohl sie auf ihren Wüstentrips oft mehrere Tage alleine mit Berbern unterwegs war und zum Teil mit ihnen in einem Nomadenzelt schlief. Irgendwann begrüßten die Nomaden sie voller Achtung mit „Fatima Berber“, was soviel heißt wie Berberfrau.

Der enge Kontakt ließ in Wienert den Wunsch entstehen, das Wissen über Land und Leute mit anderen Menschen zu teilen. So kreierte sie eine vielfältige Reiseroute, wählte familiär geleitete Unterkünfte und suchte vertrauenswürdige und erfahrene Nomadenguides für die Wüste aus. Sie wollte dabei vor allem die Einheimischen in Marokko zu unterstützen. Denn viele Berber leben heute noch in baufälligen Lehmhäusern ohne sauberes Trinkwasser, Strom, sanitäre Anlagen oder sonstigem Komfort.

Wienert: „Die einheimischen Familien, mit denen ich zusammenarbeite, unterstützen ihre Familien mit dem Geld, das sie durch die von mir organisierten Reisen verdienen. Mein Hauptguide Mohammed bezahlt z. B. für seine fünf jüngeren Geschwister das Schulgeld. Außerdem konnte er vom Verdienst Schäden durch massive Regenfälle am Elternhaus reparieren.“

Ankunft in Marrakesch

In der sonnigen Berberhauptstadt Marrakesch angekommen, schlenderten wir auf arabische Medinas und Souks mit Schlangenbeschwörern und Märchenerzählern. In den engen Gassen der bunten orientalischen Märkte boten gestikulierende Händler lebhaft ihre Waren feil.

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Mit einem Kleinbus ging´s ins Atlasgebirge.

Gleich am ersten Abend genossen wir Frauen auf der Dachterrasse eines schönen Riads (altes Stadthaus mit Innenhof) mitten in der Altstadt ein Berberomelette zum Abendessen und den obligatorischen stark gesüßten duftenden Minztee. Im Hintergrund ertönten lautstark die Gesänge der Muezzins von den Minaretten.

Hier lernten wir unseren sympathischen und humorvollen Reisebegleiter Mohammed kennen. Er sprach eine Mischung aus gebrochenem Deutsch, Französisch und Englisch. Mit seiner Lebenseinstellung als Nomade hielt er nicht hinter dem Berg. „Ihr Europäer solltet nicht immer an die Vergangenheit und die Zukunft denken. Ihr sollt euch nicht so viel Sorgen machen, mehr in der Gegenwart sein und wie die Berber das Leben genießen, zum Beispiel mit nächtlichem ´Berber-TV`.“ Damit war der Sternenhimmel in der Sahara gemeint. Alle lachten.

Nach zwei Tagen in Marrakesch starteten wir mit einem Kleinbus ins Atlasgebirge. Die Atlaskette erhebt sich zwischen Mittelmeer, Atlantik und dem Sandmeer der Sahara. Die Farbenpracht des Atlasgebirges mit seinen vielen Farbstufungen von Okkertönen, von Zimt bis Dunkelbraun, lehmziegelroter und kupfergrüner Erde ließ uns den Atem anhalten. Blühende Mandelbäume zierten das Gebirge wie zarte Tupfer.

 

Besuch in der Frauenkooperative

Auf unserem kurvenreichen Weg im Atlas hielten wir in Takarkourte bei der Frauenkooperative AFRA an. Dort produzieren und verkaufen marokkanische Frauen das endemische und für viele westliche Frauen begehrenswerte Arganöl. Die Arganölverarbeitung liegt traditionell in den Händen der Frauen. Mit deren Erlös können die Mädchen in die Schule gehen, und geschiedene oder verwitwete Berberinnen ein Lebenseinkommen erhalten.

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Mit Frauen durch die Wüste Marokkos

Durch den Betrieb führte uns Nadja und erklärte auf Englisch die traditionelle aufwändige Herstellung per Hand. Mehrere Frauen der Kooperative saßen in einer Reihe am Boden und wir konnten ihren Arbeitsprozessen zuschauen. Die erste klopfte die Argannüsse mit einem Stein auf, die nächste rührte die Kerne mit einer seit Jahrhunderten verwendeten alten Steinmühle per Hand zu Brei. Die dritte bereitete eine Art Teigölfladen daraus, um das kostbare Öl zu gewinnen. Um unsererseits die Frauen zu unterstützen, kauften wir dort Arganöl zum Kochen und für Haut und Haar mit Duftnoten von Rose bis Orangenblüte.

Weiter ging die Fahrt auf 2000 Meter, vorbei am Weltkulturerbe „Ait Ben Haddou“, einer alten beeindruckenden Kasbahsiedlung aus Lehmhäusern, durch die Stadt Ouarzazate mit den Atlas-Filmstudios, wo Klassiker wie Kundun gedreht wurden. Schließlich erreichten wir das Tal der Rosen. Dort übernachteten wir in einem schönen Familienhotel.

Nach einer Wanderung durch malerische Flusstäler und Schluchten im Atlasgebirge, in der wir Nomaden, Reiter auf Eseln und Frauen, die ihre Wäsche im Fluss wuschen, begegneten, ging es am nächsten Tag weiter durch das Draa-Tal mit seinen Dattelpalmen Richtung Wüste.

Zu Fuß durch die Wüste

Nach etlichen Stunden Fahrt erreichten wir endlich unser Ziel, das Oasendorf „ Oulad Driss“. Nun waren alle sehr aufgeregt. Ein unvergesslicher Anblick, als kurze Zeit später fünf Berber in bunten Gewändern und Turban mit acht Dromedaren hinter den Sanddünen wie eine Fata Morgana auftauchten. Jede von uns kletterte etwas unbeholfen auf eines der Dromedare. Nach einer Stunde Ritt als Karawane, die uns tiefer in die Wüste führte, kamen wir im Basislager der Wüstennomaden an und wurden in einem großzügigen Nomadenzelt festlich bewirtet.

Am nächsten Tag ging es zu Fuß los. Der Anblick der sanft erhabenen Sanddünen überwältigte uns. Die Berber beluden die Satteltaschen der Dromedare mit Nomadenzelten, Matten, Essen, Trinkwasser, Geschirr, Kochtöpfen und weiteren Ausrüstungsgegenständen.

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Unsere Wüstenguides

Dann vollzog sich die Metamorphose. Jede von uns trug ab diesem Zeitpunkt ein langärmliges Wüstenkleid, das Mohamed für uns besorgt hatte und einen um den Kopf gewickelten „Shesh“, das ist der Turban. Die Sonne stach vom blauen Himmel und war heiß, aber trotzdem schwitzten wir nicht in der trockenen Hitze.

Nicht vorbereitet war ich darauf, dass wir so zügig durch die Wüste laufen mussten. Es galt, den Rhythmus der Dromedare aufzunehmen. Während Wienert und die Berber leichten Fußes durch die Wüste schritten und die Dromedare hinter sich her führten, war es für uns andere eine Herausforderung im ungewohnten Gelände Schritt zu halten. Wir liefen ca. 5 – 6 Stunden pro Tag, mit einer langen Mittagspause im Schatten eines Tamariskenbaums. Dann fand ich Zeit, die Wüste richtig zu genießen.

Sehr erstaunt war ich von der unerwarteten Vielfältigkeit der Sahara mit hohen und niedrigen Sanddünen, in denen immer mal wieder grüne Büsche oder Akazienbäume auftauchten, unterbrochen von ganz flachen Gegenden mit rund geformten Steinen. Ganz anders, als ich es erwartet hätte.

Wie bei einer Gehmeditation versuchte ich, präsent zu bleiben und konzentriert jeden Schritt bewusst auf den Sand zu setzen. Bei der geringsten Unkonzentriertheit oder Gedankenverlorenheit stolperte ich und suchte das Gleichgewicht. Es blieb nichts anderes übrig, als präsent zu bleiben. Was für eine Erfahrung!

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Nach etlichen Tagen verlor ich jedes Gefühl für Raum und Zeit und wurde eins mit der Natur. Ich brauchte nichts und wusch mich nur spärlich. In der Wüste breitete sich die ersehnte innere Ruhe und innerer Raum in mir aus. Die Erde und das Leben reduzieren sich hier auf das Wesentliche. Meine Orientierung verlierend befragte ich Mohammed, wie er sich denn in der Wüste orientieren würde, aber er antwortete nur lachend: „Berber-GPS“.

Unvergesslich bleiben die magischen Nächte in der Sahara. Nach dem köstlichen Essen saßen wir Frauen gemeinsam mit den Berbern um das Lagerfeuer. Sie sangen traditionelle Lieder und trommelten dazu den Rhythmus auf Wasserkanistern. Danach wurde in der heruntergebrannten Feuerglut köstliches Fladenbrot für den nächsten Tag gebacken.

Da es hier keine Luftverschmutzung gibt, strahlen die Sterne hell und leuchtend. Um dies zu erfahren, schlief ich nicht im Nomadenzelt, sondern eingehüllt in meinen Schlafsack unter dem Sternenhimmel. In dieser Nacht öffnete ich mich für den weiten Himmelsraum und entstieg einem inneren Gefängnis. Ich fühlte mich geborgen im Schoß der Mutter Erde. Sie nährt und schützt das Leben fürsorglich wie wir Frauen und Mütter. Gleichzeitig empfand ich Mitgefühl angesichts der Zerstörung unseres wunderschönen Planeten. Wie lange können wir die noch relativ unberührte Wüste genießen, dachte ich.

Wird die Welt auf Sand gebaut?

Das größte Sandreservoir der Welt befindet sich in der Sahara. Sand ist derzeit für die Bauindustrie der größte Rohstofflieferant nach dem Wasser. Bisher wird in großen Mengen Sandabbau an Stränden und Flüssen betrieben. Wüstensand ist dafür bisher nicht so geeignet, weil seine Substanz zu glatt ist. Dennoch wollen Forscher Wüstensand künftig daraufhin untersuchen, ob er nicht doch als Bau-Material geeignet ist. Wird das Ökosystem der Wüste in ein paar Jahrzehnten zerstört und geplündert sein und als weitere Ressource für den Menschen ausgebeutet?

Mit großem Dank und bereichert mit allen diesen Erfahrungen sammelten wir am Ende dieser Wüstenreise Geld für die Berber und deren Familien und überlegten, ob wir im nächsten Jahr wieder mit Bianca in die Wüste reisen, solange es sie noch gibt.

Michaela Doepke

Marokko-bwienert_CWI1580-webMehr über die alternativen Marokko-Reisen von Bianca Wienert für Frauen: www.energie-bild.de
Fotos: Bianca Wienert

 

 

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