Der Bot von Bruder David und anderen spirituellen Lehrern
Der Benediktinermönch David Steindl-Rast, 99, macht die Essenz christlicher Lehren in einfacher Form zugänglich. Jetzt gibt es einen Bruder David-Bot, eine KI, mit der man chatten kann. Eins von vielen innovativen Projekten im Bereich Weisheit und KI. Doch lässt sich Weisheit simulieren?
Text: Mike Kauschke
Der 99-jährige Bruder Steindl-Rast ist immer für eine Überraschung gut. Er ist offen für Neues, auch neue Technologien. Daher unterstützte er die Entwicklung eines KI-Bots von Bruder David, mit dem man über Gott und die Welt chatten kann.
Die Initiative ging aus von Prof. Wolfgang Pree vom Fachbereich Informatik der Universität Salzburg. Die KI-Experten der Universität kooperieren mit dem Europakloster Gut Aich, in dem der Mönch lebt, und der Online-Bibliothek David Steindl-Rast.
Die App wurde „gefüttert“ mit digitalisierten Dokumenten aus der sorgfältig kuratierten Online-Bibliothek David Steindl-Rast OSB, die von Klaudia Menzi-Steinberger unter dem Dach der Stiftung Via Corids herausgegeben und betrieben wird.
Dem Bot kann man Fragen zu Dankbarkeit, Stille, Achtsamkeit, Religion, eigentlich zu allen Fragen des Lebens stellen. Der Bot antwortet schriftlich oder mit einer Simulation von Bruder Davids Stimme.
Dem 99-Jährigen war es wichtig, dass die App kostenlos zugänglich ist, es gibt aber auch ein kostenpflichtiges Upgrade, durch die das gemeinnützige Projekt mitfinanziert wird.
Steindl-Rast war zunächst unsicher, wie er bei der Vorstellung der App im Juni in Salzburg sagte. Aber die Gespräche mit Wolfgang Pree hätten ihn davon überzeugt, dass solch ein Tool vor allem auch junge Menschen erreichen kann, die keine Bücher lesen und viel digital unterwegs sind.
Mit KI das Schöne, Wahre und Gute verwirklichen
Das Projekt könnte zu einem verantwortungsvollen Umgang mit KI beitragen, denn Steindl-Rast hat eine größere Vision, wie er in einem Interview erklärte:
„Wenn Menschen in dieser technisierten Welt, in der wir leben, mit der KI versuchen, das Schöne, Wahre und Gute zu verwirklichen – dann steckt darin ungeheures Potenzial. Die KI ließe sich mit Liebe erfüllen und könnte Unglaubliches für die Menschheit leisten.“
Dabei soll die App ständig verbessert werden – und das ist auch nötig. Bei der Live-Präsentation des Bots stellten die Initiatoren dem Bot Fragen und holten danach die Antwort vom echten Bruder David ein.
Dieser war nicht immer angetan von seinem digitalen Kollegen. So fand er, dass die App auf eine Frage zum Leben nach dem Tod zu schnell mit religiösen Begriffen wie „Auferstehung“ antworten würde, die er selbst nicht benutze.
Bruder David äußerte auch Bedenken, wenn der Bot seine mutmaßlichen politischen Meinungen mit einbaut. Für die Weiterentwicklung wurde deshalb eine Bruder David KI-Bot- Steuerungsgruppe eingerichtet.
Lässt sich Weisheit simulieren?
Die KI scheint in vielen Fällen hilfreiche Antworten zu geben. Gleichzeitig ist natürlich alles, was wir als eine Antwort auffassen, lediglich eine Simulation von Denken, Mitfühlen oder Sprechen, es sind alles nur datengestützte Verknüpfungen.
Wie also verhält es sich mit Antworten auf die wesentlichen Fragen unserer Existenz? Sind hier KI-Modelle auch in der Lage, den Menschen weise Anregungen zu geben? Das ist im Moment schwer zu sagen.
Mit der Entwicklung der großen Sprachmodelle mit künstlicher Intelligenz wie ChatGPT haben sich aber bereits weitere Projekte entwickelt, die KI nutzen wollen, um Achtsamkeit und Mitgefühl zu fördern.
Eines der Pionierprojekte ist der Compassion Bot der Organisation Service Space, die der Silicon-Valley-Pionier Nipun Mehta gegründet hat. Dieser Bot nutzt die zahlreichen Inhalte und Erfahrungsberichte der Organisation über Menschen und Projekte, die liebende Güte zum Ausdruck bringen.
Neuere Experimente von “Awaken AI”, wie sich diese Initiative nennt, sind unter anderem der Sharon Bot, der auf den Texten der buddhistischen Lehrerin Sharon Salzberg basiert. In ähnlicher Weise gibt es zahlreiche andere experimentelle Apps wie den Gandhi Bot oder den Indigenous Bot.
Auch zum Buddha gibt es in zahlreichen Bot-Formen, die mit buddhistischen Texten arbeiten. An einem besonders ambitionierten Buddha-Bot, der mit 200 Mönchen getestet wird, arbeiten gerade die Universität Kyoto und das zentrale Klostergremium von Bhutan.
Achtsamer Umgang in der Interaktion
Wenn man eine indigene Perspektive zu Rate ziehen möchte, ist die KI Aidan Cinnamon Tea empfehlenswert. Sie wurde mit den Texten der postkolonialen Denkerin Vanessa Machado de Oliveira generiert.
Sie vertritt ein “meta-relationales Paradigma” und will damit “ausbeuterische Tendenzen und reduktionistisches Denken zu beziehungsreichen Möglichkeiten kompostieren”, wie es in der Vorstellung des Bots heißt.
Hingewiesen wird in Leitlinien für die Nutzung auf einen achtsamen Umgang bei der Interaktion. Dazu zählen “Neugierde statt Kontrolle, Reziprozität statt Extraktion, Verspieltheit statt Perfektion, aufmerksames Zuhören, respektvoller Dialog, Bewusstheit für Komplexität”. Denn: Jeder Chat gestaltet den Bot mit.
Ob diese Bots wirklich zu mehr Weisheit und zu einem achtsameren, gütigeren, verbundeneren Leben führen, hängt letztlich von uns ab. Die KI kann nur eine Hilfe sein, um das Schöne, Wahre und Gute zu berühren. Aber verwirklichen und die KI-Inhalte mit Liebe zu erfüllen, wie es Bruder Davids Hoffnung ist, das müssen die Menschen schon selbst tun.
www.buddhastiftung.org/frag-buddhai/