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Demokratie mit dem Holzhammer

Foto: Deutscher Bundestages/ Thomas Koehler-Photothek
Foto: Deutscher Bundestages/ Thomas Koehler-Photothek

Ein Standpunkt von Birgit Stratmann

Handeln, um Macht zu demonstrieren – Trump zeigt, wie ein neuer Politikstil geht. Und auch Friedrich Merz hält, zumindest beim Thema Migration, nichts von Kompromissen. Es müsse etwas geschehen, es herrsche eine Notlage – unter diesem Vorwand hebelt man die Suche nach Kompromissen in der politischen Mitte aus. Das schadet der Demokratie, spielt Rechtspopulisten in die Hände und löst kein einziges Problem.

 

Immer lauter ist in diesen Zeiten der Ruf zu hören, es müsse endlich gehandelt werden, um die drängenden Probleme zu lösen. Nicht mehr reden, sondern machen, durchgreifen, auf den Tisch hauen, die Dinge in Ordnung bringen.

Doch in der Demokratie bewegt man sich damit auf einem schmalen Grat: Der amerikanische Präsident Donald Trump demonstrierte gleich in den ersten Tagen seiner zweiten Amtszeit, was Handeln statt Reden bedeuten kann: Er erließ fast 200 Dekrete, also Verodnungen mit Gesetzeskraft – vorbei an den demokratischen Institutionen des Landes.

Dies war eine beispiellose Demonstration der Macht, die auch gezeigt hat: Wer sich so viel Macht anmaßt, muss nicht mehr reden, Kompromisse suchen, sich abstimmen. Er kann die Macht einfach ausspielen, Gegner klein halten, andere unter Druck setzen. Kurz: Wer vorprescht, das Zepter des Handelns in die Hand nimmt, kann tun, was ihm gefällt. Es ist ein autoritärer Führungsstil, den man in der westlichen Hemisphäre längst überwunden glaubte.

Doch er scheint zurückzukommen: in Ungarn, Italien, Österreich, und im Kleinen, natürlich anders, agierte nun auch der CDU-Vorsitzende Friederich Merz ähnlich kompromisslos: einen Monat vor den Neuwahlen, am 29. Januar 2025, legte er dem Bundestag einen Antrag vor, um die Migration in Deutschland zurückzudrängen.

An dem Tag, an dem zuvor im Bundestag an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht wurde, nutzte die CDU die AfD, also eine in Teilen rechtsextreme Partei, als Mehrheitsbeschafferin.

Begründung: Es müsse endlich gehandelt werden, es herrsche eine Notlage. Die Bürgerinnen und Bürger hätten es satt, dass in der Frage der Migration nichts geschehe. Dabei ging es Merz an diesem Tag gar nicht um konkrete Lösungen – denn dazu taugten die Beschlüsse gar nicht. Der im Bundestag abgestimmte Fünf-Punkte-Plan ist keine Gesetzesvorlage, die Erfolg auf Umsetzung hätte, sondern rechtlich unverbindlich – eine „Showeinlage“, wie die ZEIT am 30. Januar schrieb.

Merz pokerte um die Macht: Mit seiner drastischen Aktion wollte er der AfD Stimmen abjagen, um sich bei den anstehenden Bundestagswahlen Vorteile zu verschaffen. Als Begründung für sein Vorgehen musste die „Untätigkeit“ der Ampel-Koalition herhalten. Vielleicht war es auch ein kalkuliertes Experiment, wie weit man gehen kann.

Handeln ist kein Selbstzweck

Handeln, um zu handeln, um Macht zu demonstrieren – das wirkt auf den ersten Blick beeindruckend, vor allem wenn es mit markigen Versprechen, die Probleme zu lösen, untermauert wird. Doch täuschen wir uns nicht:

Der Demokratie schadet das Regieren mit dem Holzhammer, noch dazu, wenn man sich ohne Not auf rechtspopulistische Parteien stützt und, wie CDU-Vorsitzender Carsten Linnemann sagte, in der Migrationsfrage „zu keinem Kompromiss bereit ist“.

Demokratische Prozesse sind naturgemäß langsam, reflektiert, auf Kompromisse aus. Gerade heute, wo die Probleme komplex sind – im Gefüge der Globalisierung, der Europa- und Weltpolitik, sollten die Alarmglocken schrillen, wenn Politiker den Zauberstab herausholen und schnelle Lösungen versprechen.

Klimakrise, Kriege, Fluchtbewegungen weltweit, Wirtschaftskrisen – all diese Probleme sind nur auf der Basis von Kooperation über Parteigrenzen hinweg oder auf internationaler Ebene zu lösen. Die Demokratie mag manchmal überfordert sein, wenn Prozesse der Meinungs- und Kompromissbildung lange dauern. Gewiss sind hier Veränderungen nötig, um auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig zu bleiben.

Doch was ist die Alternative? Durchregieren á la Trump? Scheinhandeln á la Merz? Im Rückgriff auf erklärte „Notlagen“ Mehrheiten mit Rechtspopulisten suchen und ihnen damit den Weg in die Mitte der Gesellschaft bahnen? Genau da wollen sie ja hin, um dann die Demokratie von innen auszuhöhlen; Beispiele sind mittlerweile an vielen Orten der Welt zu beobachten.

Wir sollten uns nicht von starken Typen blenden lassen, die das Blaue vom Himmel versprechen und handeln, aber am Ende nur sich selbst, ihrer Partei oder Klientel dienen. Nur auf der Basis der Demokratie können die drängenden Probleme unserer Zeit gelöst werden – und zwar zum Wohle der Mehrheit der Menschen und unter Einbeziehung möglichst vieler Perspektiven und Bedürfnisse.

Wir müssen eine Politik stärken, die versucht, in schwierigen Zeiten zu kooperieren. Wenn dafür Geduld nötig ist, sollten wir sie aufbringen. Sonst werden autoritäre Kräfte gestärkt. Und diese treten gewiss nicht dafür ein, die Probleme der Menschen zu lösen.

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Birgit Stratmann

Birgit Stratmann

ist Mitbegründerin des Netzwerks Ethik heute. Verantwortlich für die Redaktion des Online-Magazins und die Programmplanung. Texterin für Print und Web, u.a. lange Jahre für Greenpeace. www.birgitstratmann.com

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