Neuere Arbeiten des Psychologen Peter Sedlmeier
Über 300 Meditationstechniken sind bisher bekannt. Prof. Peter Sedlmeier stößt bei seinen Forschungen zur Meditation auf ein heterogenes Bild. Möglicherweise werden herkömmliche Forschungsansätze der Meditation nicht gerecht, weil sie die Perspektive der Meditierenden zu wenig berücksichtigen.
Text: Antje Boijens
Professor Peter Sedlmeier ist ein Wissenschaftler durch und durch. Und doch hat er sich als Forschungsfeld das nicht so leicht zu begreifende und sehr subjektive Phänomen der Meditation ausgesucht, wie bereits in seiner Meta-Studie „Die Kraft der Meditation. Was die Wissenschaft darüber weiß“, erschienen 2016.
Der Professor für Forschungsmethodik und Evaluation am Institut für Psychologie der TU Chemitz operiert mit statistischen Forschungsmethoden aus der Psychologie. Beim Kongress „Wissenschaft und Meditation“ im Frühjahr 2025 berichtete er in seinem Vortrag „Macht es einen Unterschied, was genau Meditierende tun?“ von neueren Arbeiten. Seine Fragestellung: Studien identifizieren über 300 Meditationstechniken, doch die Wirkung der verschiedenen Methoden ist bisher kaum erforscht.
Er stellte einen Erweiterten Klassifikationsversuch zu Meditationstechniken vor, eine Matrix, die auf Bewertungen von 100 erfahrenen Meditierenden basiert. Dazu hatte er aus 306 möglichen Meditationstechniken 20 ausgewählt, die er anhand zweier Dimensionen im Fadenkreuz zu „Body Orientation“ und „Activation“ zugeordnet hat. Das Ergebnis: ein strukturiertes Schaubild, das die Heterogenität im Feld der Meditationen abbildet.
Wir erfahren: Meditation ist nicht gleich Meditation. Wer als Meditierende unterwegs ist, kennt das: Was Willigis Jäger lehrte, unterscheidet sich von Pema Chödrön und Thich Nhat Hanh, um nur einige bedeutende Lehrer*innen zu nennen.
Meditationspraktiken werden nicht nur im Sitzen, sondern auch im Alltag, beim Gehen geübt, aber auch im Yoga oder beim Mantrasingen. Wo auch immer Sedlmeier dann ansetzt, um herauszufinden, was in der Meditation wie wirkt – vielleicht auch, um Placebo-Effekte im kommerziellen *MacMindfulness*-Trend zu entlarven – überall trifft er auf Heterogenität. Es ergibt sich ein diffuses Bild.
Die Wirkung der Meditation hängt von vielen Faktoren ab
Zu der großen Vielfalt an Meditationsübungen kommen weitere Faktoren, die eine Praxis beeinflussen: ob man gesund oder krank ist, aus spirituellen Gründen oder zur Stressbewältigung meditiert – all das beeinflusst die Wirkung.
Die häufigsten Gründe für den Einstieg ins Meditieren sind übrigens menschliche Probleme. Erst danach streben die, die dabei bleiben, nach innerem Frieden, genussvollem Naturerleben, Zufriedenheit mit dem Leben oder höheren Bewusstseinszuständen.
Und natürlich macht auch das Alter einen Unterschied: Kinder und Jugendliche ziehen weniger Nutzen als Erwachsene. Sedlmeiers Meta-Analysen zeigen (u.a.) zudem, dass meditierende Narzisst*innen ihr Muster verstärken, während Depressive durch das Meditieren Linderung erfahren. Auch das Lehrer-Schüler*innen-Verhältnis in der Meditation wirkt sich aus: ungesunde Beziehungen mindern den Effekt. So liefert die Statistik durchaus interessante Einblicke.
Bedarf es eines anderen Verständnisses von Wissenschaft?
Doch was nun? Hilft die Forschung, um Wirkung und Wesen der Meditation besser zu verstehen? Sedlmeier selbst nennt seine Ergebnisse am Ende des Vortrags „zu heterogen“. Zu viel lässt sich nicht vergleichen und zu einem Gesamtbild, schon gar nicht zu einem eindeutigen Begriff von Meditation und ihrer Wirkung zusammenführen.
Sein Buch von 2016 bleibt aus psychologischer-wissenschaftlicher Sicht sicher eines der fundiertesten Werke der Meditationsforschung. Bemerkenswert ist, dass er selbst darin den instrumentellen Umgang mit Meditation kritisiert sowie die Tendenz, sie auf psychische Effekte zu reduzieren.
Gleichzeitig bleibt er selbst der empirisch-quantitativen Logik überwiegend treu. Qualitative Methoden oder phänomenologische Zugänge sind eher Randerscheinungen in seiner Forschung.
Die Tiefe buddhistischer Meditationssysteme stellt er nicht aus deren innerer Logik oder der Perspektive der Meditierenden heraus dar, sondern er abstrahiert aus der psychologischen Perspektive, um Meditation weiterhin systematisch und evidenzbasiert zu untersuchen.
Konsequent fordert Sedlmeier einen neuen Forschungsansatz und sagt selbst, dass es dazu auch eines anderen Verständnisses von Wissenschaft bedürfte. Denn wenn es um so komplexe Phänomene wie die Meditation geht, greift dieser abstrahierende Umgang mit der Psyche zu kurz. Das fiel dem Neurowissenschaftler Francisco Varela (1946-2001) schon vor rund 30 Jahren auf, der sich auch für Grenzbereiche der Wissenschaft wie Meditation und Bewusstsein interessierte.
Varela stellte damals die These auf, dass Bewusstsein nicht nur im Gehirn entsteht, sondern durch ein Zusammenspiel von Körper, Geist und Welt. Zusammen mit Ewan Thompson und Eleanor Rosch entstand damals das Werk „The Embodied Mind“, ein interdisziplinäres Grundlagenwerk, in dem die Autoren erstmalig die reduktionistische Haltung der Kognitionswissenschaften überschritten und sie mit der buddhistische Praxis zusammenzuführten.
In der Tat, so könnte jenseits der Planierung der Wirklichkeit mit Skalen eine tieferes Verständnis von Meditation erblühen. Auch neurophänomenologische Herangehensweisen, bei denen objektive Daten mit subjektivem Erleben kombiniert werden, gibt es. Von Thomas Metzinger stammt der Satz: „Erst in der Fülle und Intensität der Krise kommt das Problem zu seinem Ende.“