Zum Tod des Papstes
Franziskus setzte sich unbeirrt für die Armen, Ausgegrenzten und Geflüchteten ein, ebenso für Klimagerechtigkeit und ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Kritik kam von allen Seiten: den Traditionalisten und den Modernisierern. Doch die Menschen liebten den Papst, der ihnen als einfacher Mensch begegnete.
Text: Ursula Baatz
Nun ist er gegangen, Franziskus, der Papst “von der anderen Seite der Welt”. Er war der erste Nicht-Europäer auf dem apostolischen Stuhl seit 1200 Jahren.
Als Sohn italienischer Einwanderer 1936 in Argentinien geboren, arbeitete Jorge Mario Bergoglio zunächst als Hausmeister und Türwächter. Später studierte er Chemie und arbeitete in einem Labor.
Genesen von einer schweren Erkrankung trat er 1958 in den Jesuiten-Orden ein, studierte Theologie und wurde Priester. 1998 wurde er zum Erzbischof von Buenos Aires und 2001 zum Kardinal ernannt.
Trotz seines hohen Amtes fuhr er mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit einem großen Auto. Er blieb ein Priester zum Anfassen, ein begeisterter Fußball-Fan und guter Tangotänzer. Und er begab sich dorthin, wo Menschen sozial benachteiligt sind und Leid und Not erleben.
Seine Wahl zum Papst nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. überraschte viele. Als man ihm nach der Wahl für die Ansprache auf der Loggia den Mantel mit kostbaren Hermelinbesatz umhängen wollte, soll er gesagt haben: „Der Karneval ist vorbei“.
Er trat auf die Loggia in einem einfachen, weißen Gewand. Zu den auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen und den Fernsehzuschauern in aller Welt sprach er als “Bischof von Rom”, nicht als päpstliche Machtgestalt.
Als Papst nannte er sich Franziskus, der Name war Programm: Er kritisierte Pomp und Scheinheiligkeit der römischen Kurie, sprach in einer Ansprache von „spiritueller Demenz“ in der Kirchenleitung.
Er war ein politischer Papst: Advokat sozialer Gerechtigkeit und unermüdlicher Mahner in Sachen Frieden, Schutz von Geflüchteten und Klimaschutz.
Seine Enzyklika “Laudato si” von 2015 verbindet die scharfe Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem mit dem tiefem Verständnis für ökologische Zusammenhänge und der Notwendigkeit eines neuen Verständnisses der Verbindung von Mensch und Natur.
Wird der nächste Papst den Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Klima fortsetzen?
Die Kirche sollte ein Ort für alle sein und niemanden ausschließen; gerade für die offene Haltung gegenüber Geschiedenen und Homosexuellen machte sich Papst Franziskus im konservativen römisch-katholischen Lager viele Gegner. Namhafte Kardinäle beschuldigten ihn sogar der Häresie. Doch die Menschen liebten Bergoglio. Dies spiegelt sich auch in den tausenden Kondolenzbotschaften wieder.
Progressive Katholiken waren nicht immer begeistert. So änderte sich in der Frage der Frauenordination – zu Diakon und Priesteramt – nichts, auch wenn Franziskus hohe Ämter in der Kurie mit Frauen besetzte.
Und in Sachen Gleichberechtigung für Laien – Stichwort Synodalität, was so viel bedeutet wie Mitsprache und Teilhabe – bewegte sich wenig. Andererseits muss man sehen, dass bei der Weltsynode erstmals seit ca. 2000 Jahren nicht-hierarchische Kommunikationsformen eingübt wurden.
Die Traditionalisten sahen durch Franziskus die Kontinuität der römisch-katholischen Kirche gefährdet, den Progressiven gingen die Veränderungen viel zu langsam. Wie es weitergehen wird – das entscheidet das Konklave.
Hier hat der verstorbene Papst nachhaltig für Veränderung gesorgt. Denn er ernannte die Mehrzahl der diesmal wahlberechtigten Kardinäle. Diese kommen überwiegend aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Ozeanien. Viele haben in Slums, Gefängnissen oder anderen sozialen Brennpunkten gearbeitet.
Die Vatikanexperten sind unsicher, weil sie keine Favoriten erkennen können, wohl aber stark kontroverse Positionen. Es heißt, Gottes Heiliger Geist leite das Konklave. Auch die Wahl von Jorge Mario Bergoglio hatte niemand erwartet. Man wird also warten müssen, bis weißer Rauch aus dem Schornstein über dem Petersplatz aufsteigt.