Mit Teresa von Ávila die Welt verändern
Teresa von Ávila ist als christliche Mystikerin in die Geschichte eingegangen. Mit ihrer handlungsorientierten Achtsamkeit könnte sie einen Schlüssel für die Lösung unserer Herausforderungen in der Hand halten. Sie sah Meditation und Stille als Quelle für das Handeln an und begründete eine Spiritualität, die ein Handeln aus Liebe ins Zentrum rückt.
Wie kann die Suche nach dem Sinn des Lebens zu einem entschlossenen Handeln für eine bessere Welt führen? Diese Frage hat sich Teresa, eine der bedeutendsten Mystikerinnen des 16. Jahrhunderts, zu Anfang ihres Lebens nicht gestellt. Teresa von Ávila war eine lebenshungrige, junge Frau. Sie liebte es, sich zu schminken und zu tanzen, mochte goldenen Schmuck und schöne Kleider. Heute wäre sie vermutlich eine Instagram-Influencerin. Doch ihre Zeit erlaubte Frauen nicht ihr Leben frei zu gestalten.
Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada, so ihr Geburtsname, hatte zudem jüdische Wurzeln und es herrschte in Spanien ein ausgeprägtes Klima der Intoleranz und Angst, das sich insbesondere gegen Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens richtete.
Für Teresa blieben nur zwei Wege offen: entweder verheiratet werden oder ins Kloster zu gehen. Keine der beiden Möglichkeiten erschienen ihr sonderlich attraktiv. Am Ende wählte sie mit großem innerem Widerstand das Kloster. Eine Entscheidung, die sie zerriss. Sie wurde schwer krank und verstarb fast an den Folgen. Doch sie stand wieder auf. Eine ihrer bemerkenswerten Fähigkeiten: Aufstehen. Auch wenn alles hoffnungslos erscheint.
Liebevolle Aufmerksamkeit
Teresa widmet sich mit großer Intensität der Frage, was der Sinn des Lebens sei und wie tief ein Mensch in die eigene Seele segeln kann. Sie fand durch ihre Suche etwas, dass sich ihr offenbarte, wenn sie sich in die Stille zurückzog und sehr achtsam ihren Gedanken folgte.
Sie beobachtete, wie ihre Erwartungen des Zukünftigen in der Gegenwart auf die Erinnerung des Vergangenen trafen. Doch was ereignete sich in diesem flüchtigen Augenblick des Jetzt?
„Es ist das Erleben, wenn du ganz in den Augenblick gehst, dort dich löst von allem, was gewesen ist oder zukünftig sein könnte. In diesem Augenblick der achtsamen Zuwendung, da ist kein Denken. Da ist nur Liebe. … Mit einem Satz: In der Mitte der Seele ist Gott. … Unser Weg als Mensch ist wahrhaftig zu leben und von dem Erleben einer Raupe zu einem Schmetterling zu werden. Es ruht allen Menschen inne; alle können das, es ist nichts Besonderes.“ Aus dem Roman: Die Rebellion der Mystikerin (acabus)
Oder anders formuliert:
„Hätte ich früher erkannt, was ich jetzt weiß, dass der winzige Palast meiner Seele einen so großen König beherbergt, dann hätte ich ihn nicht so häufig darin allein gelassen.“ Teresa von Avila
Aus dieser liebevollen Aufmerksamkeit auf jeden Augenblick, ganz gleich, ob wir uns ein Essen zubereiten und mit Töpfen in der Küche hantieren oder ein Glas Wasser trinken oder aus unserer Tür treten, um zur Arbeit zu gehen, entsprang für sie ein tiefes Glücklich-sein.
„Ich tauchte so tief in die Meditation ein, dass da eine Offenheit, eine Leere war. Diese füllte sich mit einer Präsenz, die mir ein tiefes Gefühl von Ruhe und innerem Frieden brachte, ein so tiefes Wohlgefühl von Sicherheit und Schönheit.“ Aus dem Roman: Die Rebellion der Mystikerin (acabus)
Sie entwickelte aus ihren Erfahrungen einen Stufenweg, der tiefer in die Meditation hineinführte. In den östlichen Traditionen nicht unüblich, ist dies im Westen bis heute einzigartig.
Allerdings wollte sie diese Anleitung nicht Stufenweg nennen, denn dies empfand sie zu linear. Sie beschrieb es als sieben Wohnungen einer Burg, durch die Suchenden immer mehr zu ihrem Kern, zu der Mitte ihres Seins vordringen können.
Doch sie blieb nicht bei dem Rückzug in die Stille. Für sie war die Quelle, die sie in diesem ihrem Erleben fand, Auftrag zum Handeln. Sie erhob ihre Stimme, stemmte sich gegen alle Widerstände und gründete allen Gefahren zum Trotz Klöster, die zudem auch Schutzraum für Frauen wurden.
Welche Impulse hat ihre Lehre für die heute dringend notwendigen Lösungen, um ein friedliches Leben auf unserem Planeten zu ermöglichen?
Die Welt von innen verändern
Die Herausforderungen sind groß, es gilt zahlreiche Krisen zu bewältigen: Die Kreisläufe der Tierwelt, des Ökosystems, der Erdatmosphäre und der Ozeane sind aus dem Lot geraten. Zugleich steht die Welt inmitten einer Auseinandersetzung über die Zukunft der internationalen Ordnung, denn das gemeinsame Verständnis von Völkerrecht und Menschenrechten wird von einigen Staaten fundamental in Frage gestellt.
Eine innere Entwicklung, wie sie beispielsweise auch in den „Inner Development Goals“ (IDGs) vorgeschlagen wird, könnte ein wichtiger Schlüssel für das Erreichen globaler Ziele wie der SDG (d.h. den nachhaltigen Entwicklungsziele der UN) sein. Nur wenn sich Menschen innen verändern, können sie Veränderungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft bewirken. Teresa von Avila kann hier drei wesentliche Impulse setzen.
Für die innere Entwicklung ist ihr Schlüssel die Achtsamkeit. Achtsamkeit auf jeden möglichen Augenblick unseres Lebens. Denn die Achtsamkeit, die Erfahrung in der Tiefe der Seele, rief bei ihr das Erleben von Zufriedenheit, Gelassenheit, Friede, Freude, Empathie und Verbundenheit hervor.
All dies vermag eine tiefere Wertschätzung für das Leben zu schaffen, für uns, die Menschen und die Umwelt um uns herum. Wenn wir Teresa folgen, könnte ein Verständnis wachsen, dass wir uns als Teil der Welt verstehen, mit der wir verbunden sind.
Damit ändert sich möglicherweise unser Handeln hin zu einem klimafreundlicheren, friedlicheren Leben, das die planetaren Grenzen als Teil unserer eigenen Grenzen wahrnimmt.
Innere Entwicklung und äußeres Handeln
Teresa ermutigt zum Handeln. Dabei ist ihr Vorgehen von Mut geprägt, ganz gleich wie aussichtslos sich Situationen darstellen: Ihr Handeln ging sie mit aller Entschlossenheit an, sie selbst sprach von „entschlossener Entschlossenheit“, nimmt auch die Entscheidungstragenden in die Pflicht.
Anders hätte sie es wohl nicht geschafft, bei den heftigsten und zum Teil lebensgefährlichen Bedrohungen ihren Klöstern die Zukunft zu sichern. Die Quelle ihres Mutes entsprang aus ihrem Erleben in der Stille. Die Verbindung zwischen innerer Entwicklung und äußerem Handeln war ihr also essenziell, um wirksame Lösungen umzusetzen und eine tiefere, langfristige Veränderung in der Welt zu bewirken.
Der dritte Schlüssel, den Teresa bereithält, ist: Sei achtsam zu Dir. Wir sind in der Umwelt mit ihren multiplen Krisen mit zunehmender Komplexität konfrontiert. Häufig geht das auch einher mit Angst und Verunsicherung, sowie einer gefühlten Macht- und Hilflosigkeit. Teresas Art der Achtsamkeit fordert zum Handeln auf, ganz gleich wie aussichtslos es wirken mag.
Doch vielleicht entscheidend: Das wird durch eine gesunde Selbstfürsorge und eine Stärkung der mentalen Gesundheit begleitet. So schrieb Teresa von Ávila einst:
Tu deinem Leib des Öfteren etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen. Teresa von Avila
Das Aufmerken auf den gegenwärtigen Moment fördert die Bewältigung von Stress und es wird ein größeres Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse entwickelt. Das führt wiederum zu einer verbesserten Resilienz und dadurch auch zu innerem Raum, um ins Handeln kommen zu können.
Das sind drei mögliche Schlüssel, die Teresa von Ávila bereits im Mittelalter erkannte. Einen Weg, der sich selbst in der Stille erforscht und darüber zur Verbundenheit mit anderen Menschen und der Umwelt und ins Handeln kommt. Ihre Hoffnung war, dass dieser Weg der inneren Qualität in der Lage ist, Menschen und die Welt zu verwandeln.