Stephanie Cox im Portrait
Stephanie Cox engagiert sich leidenschaftlich für den Wandel, auch in der Politik. Mit 28 Jahren war sie eine der jüngsten Abgeordneten im österreichischen Parlament. Hier erfuhr sie die Härte des Politikbetriebs und entdeckte trotzdem Gestaltungsräume. Sie weiß: „Wenn ich aufstehe und etwas tue, hat es eine Wirkung.“
Ins Handeln kommen, sich vernetzen, statt zu viel nachdenken und Risiken abwägen, das gab Stephanie Cox, 36, Teilnehmenden in einer Dialogrunde zum sozialen-ökologischen Wandel mit auf den Weg. Dieser Spirit der Gestaltungskraft beeindruckte mich. Stephanie leitet diese Liebe zum Gestalten einer besseren Welt von Jugend an. Als eine der jüngsten Abgeordneten im österreichischen Parlament wurde Stephanie 2017 über Nacht zur öffentlichen Figur. Davor hatte sie sich bereits seit 2011 in der Start-up Szene Österreichs einen Namen gemacht.
Unter anderem hatte sie Europas größte Berufsmesse für geflüchtete Menschen in Österreich organisiert. Zu der Messe kamen 4000 Menschen im Museumsquartier im Herzen von Wien, woraus mehrere Hundert Arbeitsplätze entstanden sind.
Trotz dieses großen Erfolges hatte Stephanie Zweifel: „Was haben wir gesellschaftlich auf systemischer Ebene wirklich verändert? Jobs vermittelt, medial eine große Aufmerksamkeit bekommen – aber wir haben auch die Grenzen durch bestehende Gesetze gemerkt. Ich dachte, um das zu ändern, müsste ich eigentlich in die Politik gehen. Doch auch ich kämpfte mit Politikverdrossenheit, wie viele andere auch.“

Ein Jahr danach erhielt sie einen Anruf von Renée Schröder, einer renommierten Wissenschaftlerin, die Stephanie für eine neue politische Bewegung gewinnen wollte. Nach einiger Bedenkzeit entschied sie sich, sich der Liste Pilz anzuschließen, die vom ehemaligen Grünen-Politiker Peter Pilz gegründet worden war.
Sprung ins kalte Wasser der Politik
Stephanie Cox wurde Spitzenkandidatin in Wien und führte den Wahlkampf wie ein Unternehmen. Der Wahlkampf dauerte nur vier Monate und vieles musste sehr schnell entschieden werden. Das war eine radikale Veränderung. Sie musste im Fernsehen auftreten, ohne zuvor ein Medientraining zu absolvieren.
„Ich habe sehr viel Tränen vergossen in dieser Zeit. Ich wurde auf Panels gesetzt, wo sich Leute angeschrien haben. Ich bin als Newcomerin in die Politik, um etwas zu verändern, und fand mich in einem spannungsreichen Umfeld wieder, zum Beispiel wenn ich mit sexistischen Fragen und destruktiver Kritik von Medien konfrontiert war. Ich musste im Reagenzglas der Öffentlichkeit eine sehr steile Lernkurve hinlegen.“
Teil einer Bewegung zu sein, gibt einem Hoffnung, etwas zu verändern. Aber dann kam das, was sie „Reality Check“ nennt. Die Strukturen, die andere Parteien seit Jahrzehnten entwickelt haben, mussten im Eiltempo erstellt werden: „Wir haben das Flugzeug gebaut, während wir geflogen sind.“
„Im Parlament war ich eine Irritation“
Mit der Zeit merkte Stephanie, dass sie ihren eigenen Weg finden musste, um die Themen zu setzen, die ihr wichtig sind:
„Im Parlament war ich eine Irritation. Ich war jung, kompetent, selbstbewusst, habe eine Vision. Ich habe es als Chance gesehen, denn wenn du eine Irritation bist, dann kann allein deine Anwesenheit dazu führen, dass das System sich bewegen muss.“
Stephanie war im Bildungsausschuss. Auf ihre Initiative hin schrieben mehrere hundert Schülerinnen eine unabhängige Stellungnahme zu einem neuen Gesetzesentwurf, der sie betraf; einer unter ihnen durfte dem Bildungsausschuss beiwohnen. „Mir wurde klar, ich kann ein Kanal sein, eine Übersetzerin für Menschen, die keine Stimme haben“, sagt sie.
Ein anderes wichtiges Thema für Stephanie ist Künstliche Intelligenz, schließlich kommt sie aus der Tech-Szene. Im Parlament hatte sich niemand mit dem Thema auseinandergesetzt. Sie und ihr Team hat einen Forderungskatalog dazu geschrieben, der so schlüssig war, dass der zuständige Minister Stephanie als einzige Abgeordnete ins Expertengremium geholt hat.
„Man muss kreative Wege finden, um sich einzubringen und Chancen wahrzunehmen, dazu muss man Allianzen schaffen“, reflektiert sie über ihre parlamentarische Arbeit.
Alldiese Anregungen stießen auch oft auf Widerstand. „Die Arbeit in der Opposition ist sehr anstrengend. Du sitzt in Ausschüssen und deine Anträge werden abgeschmettert, weil die Regierungsfraktionen alles unter sich ausmachen.“ Für Stephanie wurde deshalb das Plenum im Parlament eine Möglichkeit, sich für wichtige Themen Gehör zu verschaffen.
Gestaltungsräume im politischen System finden
Am bekanntesten wurde ihre Rede im Parlament zur sexuellen Aufklärung von Jugendlichen. Es gab einen Antrag, dass Aufklärung den Eltern vorbehalten bleiben und aus Schulen verbannt werden sollte. „Ich hätte mich hinstellen können und fragen, ‚In welchem Jahrhundert lebt ihr eigentlich?‘“, erklärt Stephanie.
Aber dann hat sie kurzerhand einen Aufklärungsunterricht für die Parlamentarier gemacht, das Modell einer Klitoris herumgezeigt und gefragt, „Was ist das“? Ihre Rede ging viral, das Thema erhielt große Aufmerksamkeit und wurde in der nächsten Regierungsverhandlung anders behandelt.
Die Schule blieb der Ort, an dem aufgeklärt wird. Ein anderes Mal hielt Stephanie eine Rede ohne Worte: „Ich fragte mich, wie schaffst man es, Stille in einen Plenarsaal zu bringen? Ich habe nur mit Plakaten gearbeitet und nichts gesagt. Das hat so irritiert, dass es zu ganz besonderen Gesprächen führte.“ Stephanie hat ihre Spielräume der politischen Gestaltung genutzt.
Sie hat es gschafft, ihrem Wertekompass treu zu bleiben und eine Brücke zu den Menschen zu sein, die sich sonst nicht gehört fühlen. Dabei musste sie auch lernen, mit Angriffen umzugehen: „Es ist wichtig, dass ich in diesen Momenten atme, bei mir bleibe und die bin, die ich sein möchte. “ In der Politik verwechseln viele die Aufmerksamkeit für ihre Rolle mit Anerkennung für sich selbst.
„Menschen suchen nach jeder Möglichkeit, in die Schlagzeilen zu kommen – und zwar leider oft auch nicht für die Sache, sondern für sich selbst. “ Als es dann zu frühzeitigen Neuwahlen kam, stieg sie wieder aus der Politik aus.
„Wenn ich aufstehe und etwas tue, hat es eine Wirkung“
Seit 2023 engagiert sich Stephanie nun als eine der Partnerinnen bei Ashoka Österreich und hat sich stark auf die Anliegen der nächsten Generation fokussiert. Ashoka ist ein großes Netzwerk von Sozialunternehmerinnen weltweit.
In ihrer neuen Rolle als Geschäftsführerin hilft sie jungen Gestalter*innen, in ihre Kraft und Selbstwirksamkeit zu kommen. Und mit dem Ashoka-Team ist sie weiterhin auf der Suche nach Fellows, die sich durch außergewöhnliches unternehmerisches Denken, ein tiefes gesellschaftliches Engagement und das Potenzial zur Systemveränderung auszeichnen.
Jedoch wurde auch das Angebot mit diversen Formaten erweitert: „Wir gehen davon aus, dass jeder und jede zum Wandel beitragen kann. Wir fragen, wie kann jeder Mensch in seine gestalterische Kraft kommen? Jeder Mensch kann in seinem oder ihrem Umfeld etwas bewegen“, beschreibt Stephanie den Ansatz von Ashoka.
Die Organisation gibt es seit 40 Jahren mit 4000 Fellows in über 100 Ländern. Wenn Stephanie Cox über ihre politische Arbeit und ihr Engagement spricht, sprüht sie vor Begeisterung. Darauf angesprochen erwidert sie: „Ich bin ‚High on Life‘.
Ich habe sehr früh gemerkt, wenn ich aufstehe, wenn ich etwas sage, wenn ich etwas tue, hat es eine Wirkung. Ich habe eine große Freude mit anderen gemeinsam etwas zu schaffen.“ Menschen, die sich für den Wandel engagieren wollen, rät sie, dass „die Idee ein Prozent ausmacht und die Umsetzung 99 Prozent“.
Denn die Idee wird sich sowieso verändern. Erst im Tun erfährt man mehr darüber, welches Problem man wirklich lösen möchte. Und dann gibt es viele Menschen, Organisationen, Förderungen, die dabei unterstützen können.
An jedem Ort gibt es Vereine und Menschen, die etwas tun wollen. Und wenn man sich engagiert, lernt man andere Engagierte kennen. „Die Wege entstehen im Gehen“, sagt Stephanie und das könnte als ihr Motto gelten. Ihrer Vision bleibt sie dabei treu: „Meine Vision ist, dass ich diese Welt besser hinterlassen möchte, als ich sie vorgefunden habe.“