Ein Standpunkt von Deniz Cicek-Görkem
Das Frauenschwimmen und die Verhüllung des weiblichen Körpers werden im Westen manchmal kontrovers diskutiert. Die Autorin ist Muslima und hat darauf ihren eigenen Blick: Aus welchem Grund auch immer Frauen nicht mit Männern schwimmen wollen – sie sollten das frei und selbstbestimmt entscheiden können.
Frauenschwimmen gibt es in Deutschland schon seit vielen Jahren. Es gibt Frauen die Möglichkeit, in einer entspannten und geschützten Umgebung zu schwimmen, ohne sich dabei unwohl zu fühlen.
Besonders wichtig ist das Angebot für Frauen, die aus kulturellen oder religiösen Gründen nicht gemischtgeschlechtliche Schwimmbäder besuchen können oder möchten. So können sie Sport treiben, sich entspannen und ihre Gesundheit fördern, ohne aufgrund ihrer persönlichen Überzeugungen eingeschränkt zu werden.
Innerhalb der muslimischen Community beschäftigt uns Frauen das Thema in regelmäßigen Abständen, vor allem im Sommer. Wo kann ich als Muslimin im knappen Badeanzug ungestört schwimmen und mich – ohne unangenehme Blicke auf mich zu ziehen – auf den Sport konzentrieren?
Als hilfreich empfand ich eine Website extra für das Frauenschwimmen. Die Seite gibt es seit mehr als neun Jahren. Dort kann man nach Bundesländern geordnet schauen, welche Bäder Frauenschwimmen anbieten.
Auch unter muslimischen Freundinnen hat man Infos dazu bekommen, es spricht sich eben herum. Der Website-Betreiber berichtete mir, er würde vor allem Anfragen von muslimischen Türkinnen und Araberinnen erhalten.
Religiös geprägter vs. westlich orientierter Kleidungsstil
Um die Notwendigkeit oder die Sinnhaftigkeit von Frauenschwimmen zu verstehen, dürfte es hilfreich sein, sich in die Situation dieseer Frauen zu versetzen: Sie kleiden sich im Alltag bedeckt, zeigen wenig Haut und möchten gerne dennoch schwimmen gehen, ohne dass Männer zuschauen.
Klar könnte man auch sagen: Es gibt doch heutzutage Burkinis! Ja, Burkinis, also Schwimmanzüge (Englisch modest), sind eine gute Sache, und man kann sie mittlerweile auch in Deutschland kaufen. Manche Frauen wollen aber einfach nur unter sich bleiben, da hilft auch der Burkini nicht weiter.
Das Frauenschwimmen ist also optimal, vorausgesetzt, das Aufsichtspersonal in den Bädern ist auch weiblich. Aufgrund des Personalmangels fehlen in ganz Deutschland allerdings auch in dieser Branche Fachkräfte, gerade auch weibliche.
Die Freiheit über den eigenen Körper
Für westlich orientierte Menschen ist es vielleicht nicht nachvollziehbar, warum die Frauen sich separat treffen, um einem Sport nachzugehen. Frauen haben doch in unserer Gesellschaft das Recht, ebenso wie die Männer, selbstbestimmt zu entscheiden.
Wenn das so ist, dann ist es genauso ihr gutes Recht, darüber zu entscheiden, ob und wie viel Haut sie nicht zeigen wollen. Was manchmal in solchen Diskussionen vergessen wird: Auch das ist Freiheit, nämlich die Freiheit, über den eigenen Körper selbstbestimmt zu entscheiden.
Und wenn ich meine Haut Männern nicht zeigen will, ist diese Entscheidung doch genauso wichtig und wertvoll, wie die Entscheidung im Bikini mit Männern schwimmen zu gehen.
Mit Unterdrückung hat das Ganze eher wenig zu tun, viel mehr steht dabei die freie Entscheidung der Frau im Fokus bzw. sollte im Fokus stehen. Dieses Bedürfnis sollte respektiert werden.
Ein Thema nur für muslimische Frauen?
Frauenschwimmen wird häufig mit Musliminnen in Verbindung gebracht, die ein Kopftuch tragen und sich der islamischen Kleidungsordnung entsprechend kleiden. Dabei haben orthodoxe Jüdinnen und konservative hinduistische Frauen ebenfalls (relativ) strenge Kleiderordnungen und (möglicherweise) Interesse an separaten bzw. gleichgeschlechtlichen Schwimm-Möglichkeiten hierzulande.
In den jeweiligen Kulturkreisen ist Frauenschwimmen daher gang und gäbe. Beispielsweise gibt es in der Türkei vielerorts getrennte Badetage für Frauen und Männer, sogar separate Strandbereiche für Frauen, damit sie sich ungestört sonnen können.
Auch in Israel gibt es diverse Angebote, dass Frauen und Männer getrennt schwimmen. Es gibt dort ebenfalls abgetrennte Strandbereiche.
Hinduistische Frauen dürfen grundsätzlich in gemischtgeschlechtliche Schwimmbäder gehen.
Es gibt jedoch einige, die aus persönlichen oder religiösen Gründen das Frauenschwimmen bevorzugen. Die Kleiderordnung für hinduistische Frauen variiert je nach Region, Kaste und persönlichen Vorlieben. Sie tragen häufig traditionelle Kleidungsstücke, die nicht die Konturen zeigen und die Haut bedecken – sogar im Schwimmbad.
Erfahrungsgemäß lässt sich sagen: Je touristischer die Gegenden in diesen Ländern sind, desto häufiger sind Bikinis anzutreffen. Je ländlicher der Ort, desto religiöser oder konservativer die Kleidung.
Ein positives Mindset für ein besseres Miteinander
Wenn wir Vorurteilen entgegenwirken wollen, ist es hilfreich, ein positives Mindset aufzubauen. Denn damit betrachten wir Menschen, Dinge und Erfahrungen von einem überwiegend positiven Standpunkt aus. Situationen werden auf positive Weise interpretiert gesehen.
Negative Gedanken wie „Frauenschwimmen, muss das sein?!“ oder „Das ist eine Unterdrückung der Frau“ sollten wir eintauschen in Gedanken wie „Schön, dass sich die Frauen um Bewegung bemühen“ oder „Es ist letztendlich die Entscheidung der Frau“. Das sind natürlich nur Beispiele.
Fakt ist auch: Bewegungsmangel ist eine große Gefahr für unsere Gesellschaft und das Gesundheitssystem. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsene, sich wöchentlich mindestens 150 Minuten zu bewegen.
Mit einem wöchentlichen Schwimmbadbesuch beispielsweise würden die Frauen circa die Hälfte oder ein Drittel der Zeit bereits erreichen. Allein unter dem Gesundheitsaspekt betrachtet, ist Frauenschwimmen sehr sinn- und wertvoll.
Das sage ich jetzt nicht als Muslimin, sondern als Apothekerin. Frauen sollten ermutigt und dabei unterstützt werden, Entscheidungen zu treffen, mit denen sie sich wohlfühlen – unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Bikini und/oder Männer schwimmen wollen.
Sie sollten aktiv mit ihrem Wunsch nach Gesundheitsförderung unterstützt werden.
Deniz Cicek-Görkem schreibt über Themen rund um Wissenschaft, Gesundheit und Gesellschaft und sieht sich als Brückenbauerin. Als Apothekerin und ausgebildete (Wissenschafts-)Journalistin verantwortet sie die pharmazeutisch-