Fremdgehen: Lässt sich eine Beziehung wieder kitten?

Foto: Edward Cisneros I Unsplash
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Kolumne Beziehungsdynamiken

Autorin und Familientherapeutin Mona Kino beantwortet in ihrer Kolumne “Beziehungsdynamiken verstehen” eine Frage zum Thema Fremdgehen: „Lässt sich eine Beziehung retten, wenn ein Partner/ eine Partnerin fremdgegangen ist?“

Frage: Ich bin mit meiner Partnerin fünf Jahre in einer monogamen Beziehung zusammen. Nun hatte ich Sex mit jemand anders. Trotzdem liebe ich sie. Lässt sich eine Beziehung wieder kitten, wenn einer der Partner fremdgegangen ist?

Mona Kino: Ja, man kann eine Beziehung retten, wenn einer fremdgegangen ist, aber das bedeutet: damit klarzukommen, dass das perfekte Bild eurer Partnerschaft zerbrochen ist. Und dann gemeinsam auf Spurensuche zu gehen, woran das gelegen haben könnte.

Natürlich geht es nicht darum, den oder die Schuldige zu suchen. Auch Ausreden wie „Wenn es die Umstände nicht gegeben hätte, hätte ich das nicht gemacht“ zählen nicht. Umstände können nicht verantwortlich dafür sein, dass man mit einer anderen Person die Nacht verbringt. Das ist eine ganz persönliche Entscheidung.

Nur wenn beide Partner radikal akzeptieren, dass der Betrug eine persönliche Entscheidung war, und trotzdem die Verantwortung für die Gesamtsituation übernehmen, kann ein echter Neuanfang gelingen. Dann kommt am Ende kein fauler Kompromiss heraus, sondern genau die Beziehung, die euch das gibt, was vorher gefehlt hat.

Sex ist eine Form der Kommunikation in einer Beziehung. Wenn jemand fremdgeht, wird diese Kommunikation abrupt unterbrochen oder nur oberflächlich weitergeführt. Und das nimmt dem anderen die Möglichkeit, bewusst an der Beziehung mitzuwirken.

Ich höre dazu in meiner therapeutischen Praxis oft: „Ich kann meiner Partnerin doch nicht sagen, dass ich fremdgehen will, ich will sie doch nicht verletzen.“ Tief im Inneren weiß derjenige, der Sex außerhalb der Beziehung hat, dass dann alles hochkocht und ihn genauso treffen würde, wenn er es offen ansprechen würde.

Eine Affäre zum Anlass nehmen, miteinander zu reden

Wer fremdgeht, hat oft das Gefühl, dass ihm in der Beziehung etwas fehlt – mehr Nähe oder Sex vielleicht. In vielen Beziehungen existieren zudem unausgesprochene Machtstrukturen, die durch Fremdgehen sichtbar werden. Gefühle von Kontrolle und Ohnmacht, die vorher ignoriert wurden, können das Motiv für Affären sein.

Fremdgehen gibt Menschen unbewusst wieder Macht und Kontrolle zurück, wenn sie sich nicht trauen der Partnerin zu sagen, was sie im Miteinander mit ihm oder ihr stört. Wenn man den anderen jedoch gern leiden sieht, sollte man sich ernsthaft fragen, ob die Beziehung noch Sinn macht.

Am Ende verletzt man sein Gegenüber, egal ob man es vorher anspricht oder es später herauskommt. Die Frage ist, ob du ihr die Möglichkeit gibst, sich zu schützen. Nimmst du ihr diese Wahl, macht das den Schmerz oft noch größer. Es ist, als würdest du nicht nur einen Unfall bauen, sondern einen Totalschaden verursachen.

Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch mit Handeln verbunden. Wenn du jemanden liebst, handelst du so, dass es ihm oder ihr gut geht, selbst wenn es für dich Nachteile hat.

Das heißt, du sagst Nein zu der Person, die irgendetwas in dir so anrührt, dass du alles um dich herum vergisst. Und du gehst nach Hause und sagst: „Hey, wir müssen reden. Ich vermisse dich, und beinahe hätte ich das mit jemand anderem geteilt.“

Wenn das Reden schwerfällt, ist es gut, sich Hilfe von jemandem zu holen, der sich auskennt. Eine geschulte Dritte kann dabei helfen, einen neuen gemeinsamen Weg zu finden.

Eine Beziehung bleibt lebendig und glücklich, wenn man miteinander redet – bestenfalls von Anfang an. Eine Affäre ist für mich aber der Anlass, spätestens dann über Gefühle, Wünsche und Probleme zu sprechen.

Und das Resultat sehe ich nicht als Scheitern, sondern wie Kintsugi, die japanische Kunst, kaputte Dinge mit einer Legierung aus Gold zu reparieren. Die Bruchstellen bleiben sichtbar und verleihen dem Stück eine besondere Schönheit und Tiefe, die es vorher nicht hatte. Und euch auch.

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Foto: privat
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Mona Kino

ist Drehbuchautorin, Familientherapeutin und Mutter von zwei erwachsenen Kindern (21 und 19). Sie lebt in Berlin und begleitet deutschlandweit Eltern in ihren pädagogischen Fragen sowie Teams beim Teambuilding. 2020 ist ihr Buch „Zeit für Empathie- Fünf Wege Fünf Wege zu innerer Balance“ im Beltz-Verlag erschienen. 

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