Ein Buch der Soziologin Franziska Schutzbach
Die Emanzipation der Frauen gelingt dann, wenn sich Frauen zusammenschließen, diesen Gedanken entwickelt Franziska Schutzbach in fünf Essays. Sie untersucht verschiedene Arten von Frauenbeziehungen und den tiefen Wunsch nach Kooperation. Ihr Buch „Revolution der Verbundenheit“ ermutigt dazu, sich an Frauen zu orientieren und nicht an Männern, um die Welt zum Positiven zu verändern.
Text: Kirsten Baumbusch
Eine bessere Welt ist möglich, wenn Frauen nicht gegeneinander, sondern miteinander dafür kämpfen, das ist die Botschaft von Franziska Schutzbach. Die promovierte Soziologin und Geschlechterforscherin zeigt, wie Frauen über Jahrhunderte hinweg trotz Widerständen Freundschaften führten und so ein Gegengewicht zu destruktiven Systemen des Patriarchats bildeten.
Die Autorin versteht das Werk als leidenschaftliches Plädoyer für Nähe und Verbundenheit. Sie macht deutlich, dass Frauen die Welt verändern können, wenn sie sich zusammentun. Dabei weist sie auch auf Widerstand hin: Wenn Frauen Freundschaften pflegen und sich verbünden, rückt die traditionelle Fokussierung auf Männer und Familie ins Hintertreffen. Genau das fürchten, vor allem von rechtspopulistischen Männern dominierte Kreise, die das Rad im Hinblick auf Frauenrechte zurückdrehen möchten.
Franziska Schutzbach, Mutter zweier Kinder, lebt und wirkt in der Schweiz. Forschend und lehrend arbeitet sie da, wo es richtig weh tut. Sie hat über geschlechtsspezifische Gewalt, Antifeminismus, Rassismus, aber auch Rechtsextremismus sowie Sorgearbeit geforscht und sich zuletzt mit einem Sachbuch über “Die Erschöpfung der Frauen” einen Namen gemacht.
Nun, also die Verbundenheit, die sie nicht als unkritische Verschmelzung sieht, sondern als Begegnung unzulänglicher Menschen mit anderen unzulänglichen Menschen. Franziska Schutzbach fordert zu akzeptieren, dass Widersprüche in uns selbst und in unseren Beziehungen zu anderen nicht auflösbar, sondern auszuhalten sind.
Diese Betonung von Differenz bei gleichzeitiger Akzeptanz der Unterschiedlichkeit führt dazu, dass sie den Begriff “Frauen” nicht als homogene Kategorie, als Identität oder Natur versteht, sondern als historische, in sozialen, kulturellen und biologischen Dimensionen entstandene Zuschreibungen.
Frauen entdecken Freundschaften erst spät
Fünf Themenbereiche erkundet sie in ihrer Essaysammlung: Freundschaft, Familie, Liebe, politische Schwesternschaft sowie Autonomie und Ausstieg. Eine Besonderheit: Sie leitet die Kapitel durch ihre eigenen Briefe an Frauen aus Vergangenheit und Gegenwart ein, auch um die Leserschaft emotional zu berühren. Diese persönlichen Texte sind zart, sie verleihen dem Buch Tiefe und bleiben im Gedächtnis.
“Freundschaft beinhaltet die Freiheit, verschieden zu sein”, erkennt sie beispielsweise im Brief an eine längst verloren geglaubte Vertraute. Die Freundschaft wäre durch die Kinderlosigkeit der einen und der Geburt des zweiten Kindes bei der anderen, fast an den unterschiedlichen Lebensentwürfen zerbrochen.
Das ist kein Einzelfall, sondern ein systemisches Problem: Frauen entdecken Freundschaften oft spät. Dabei bietet eine freie und zugleich innige Beziehungsform andere Entwicklungsmöglichkeiten als Familie oder klassische Liebesbeziehungen, weil sie weniger geprägt ist von Erwartungen und Hierarchien.
Schutzbach eröffnet neue Perspektiven. Beispielsweise in ihrem Brief an ihre Tante, die wie viele Frauen ein familiäres Dasein im Schatten führte, für ihre Nichte aber enorm wichtig wurde. “Von dir, liebe Tante”, heißt es da, “habe ich gelernt, dass man sich als Frau erlauben kann, anderen nicht zu gefallen”.
Oder auch der Brief an Anita Augspurg, eine Frauenrechtlerin sowie erste promovierte Juristin Deutschlands. Sie flüchtete mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann 1933 vor den Nationalsozialisten in die Schweiz:
“Dein Leben klingt beinahe unwirklich, so unkonventionell und auch lustvoll hast du gelebt”, staunt die Nachgeborene. Sie erkennt, dass Augspurg ein Vorbild darin sein könnte, dass Erfüllung als Frau auch sein kann, sich nicht an Männern und deren Erwartungen zu orientieren und unbeirrt den eigenen Weg zu gehen – in Gemeinschaft und Kooperation.
Der Brief an die afroamerikanische Künstlerin Fork Burke, mit der Schutzbach ein Buch über Schwarze Frauengeschichten in der Schweiz schrieb, zeigt die Komplexität von Schwesterlichkeit. Trotz geteiltem Erfahrungshorizont bleibt sie schwierig, doch die Sehnsucht danach ist groß.
Das gilt auch für die Autorin Mareike Fallwickl, der der letzte Brief gewidmet ist. Die, so führt Schutzbach aus, erzählt von weiblichem Streben nach Autonomie, das den Aufbau neuer Beziehungsformen ermöglicht.
Hatte Schutzbach in ihrem letzten Buch “Die Erschöpfung der Frauen” noch dafür plädiert, Beziehung und nicht Vereinzelung der Erschöpfung entgegenzusetzen, führt sie jetzt aus, wie das gelingen könnte. Das macht Mut und stillt die Sehnsucht.
Franziska Schutzbach: Revolution der Verbundenheit. Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert, Droemer Verlag 2024