Was Kinder im Internet erleben und wie sie geschützt werden
Kinder werden teilweise mit verstörenden Inhalten auf dem Handy konfrontiert. Was macht das mit ihnen – emotional, sozial, gesundheitlich? Der Digitaltrainer Daniel Wolff warnt und ruft Eltern und Schulen dazu auf, Kinder besser zu begleiten.
Text: Sarina Hassine
Es ist ein vertrauter Anblick: Kleinkinder, die im Supermarkt aufs Display starren, Grundschulkinder mit dem ersten Smartphone in der Hand, Jugendliche, die durch die digitale Welt scrollen.
Viele Kinder verbringen mehr Zeit mit dem Smartphone als mit ihren Eltern. Die digitalen Welten sind bunt, laut und endlos – und das macht sie so verführerisch wie gefährlich.
Seit 2017 arbeitet Daniel Wolff als deutschlandweit Digitaltrainer für Familien, Lehrkräfte und Schüler*innen und gibt Workshops zu Mediennutzung und -bildung. In seinem Buch „Allein mit dem Handy. So schützen wir unsere Kinder“ berichtet er von seinen Erfahrungen aus der Praxis – und die sind erschütternd.
Während Eltern und Lehrkräfte versuchen, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten, sind Kinder ihnen digital oft voraus, werden aber emotional alleingelassen.
Wenn Inhalte Kinder überfordern
Studien belegen: Jugendliche in Deutschland verbringen im Schnitt über 3,5 Stunden täglich mit dem Handy. Doch es geht nicht nur um Zeit, sondern um Inhalte, Erlebnisse und Erfahrungen, die Kinder allein machen.
In seinen Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen hat Daniel Wolff immer wieder beobachtet, wie früh und wie häufig sie mit verstörenden Inhalten konfrontiert werden: Gewaltvideos, sexualisierte Darstellungen oder auch extremistische Botschaften.
Diese Erfahrungen können das psychische Wohlbefinden der Kinder nachhaltig beeinflussen, etwa ihre Angst- und Stressgefühle und das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhen.
Besonders wenn die Kinder am Abend oder in der Nacht noch am Handy sind, entwickeln sie Schlafstörungen und sind tagsüber müde. Und wer zu früh sexualisierte oder extremistische Inhalte, zu Gesicht bekommt, entwickelt verzerrte Selbstbilder oder falsche Vorstellungen von Beziehungen und Sexualität.
„Viele Kinder trauen sich nicht, darüber zu sprechen – aus Angst, Ärger zu bekommen oder ihr Smartphone zu verlieren“, schreibt Wolff. Er plädiert dafür, dass Schulen das Gespräch mit einer Vertrauensperson aktiv anbieten, sodass Kinder eine Anlaufstelle haben.
Eltern müssen präsent sein
Wolff will Eltern nicht verurteilen, sondern ihnen Orientierung geben. Denn viele von ihnen erleben die Digitalisierung als überfordernd. Sie stehen zwischen beruflichem Stress, dem Wunsch nach Harmonie und der Angst, ihre Kinder zu bevormunden oder digital zu benachteiligen.
Doch genau hier setzt Wolff an: „Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Schutz und Beziehung.“ Eltern müssten nicht alles verstehen, aber präsent sein und altersgerechte digitale Räume schaffen.
„Wir haben immer wieder Kinder in unseren Workshops, die buchstäblich die ganze Nacht mit YouTube, TikTok oder Spielen wie Brawl Stars oder Roblox verbringen.“
Digitale Medienerziehung ist eine wichtige Aufgabe
Es sei entscheidend, dass Eltern sich aktiv mit digitalen Themen auseinandersetzen. „Akzeptieren Sie vorab bitte auch, dass digitale Medienerziehung eine der Hauptaufgaben ist, die Sie in einer digitalen Welt leisten müssen“, schreibt Daniel Wolff.
Es gehe darum, sich bewusst weiterzubilden – durch Elternabende in der Schule, Fachbücher, Podcasts oder vertrauenswürdige Plattformen wie klicksafe.de oder medien-kindersicher.de.
Hilfreich ist es, wenn Eltern die richtigen Fragen stellen und echtes Interesse zeigen. Wenn sie mit ihrem Kind ins Gespräch kommen, dann empathisch, ohne sofort zu urteilen. So entsteht eine Gesprächskultur, die Kindern Sicherheit und Orientierung bietet.
Wolff ermutigt Eltern digitale Grenzen zu setzen und analoge Räume wiederzubeleben: das gemeinsame Gespräch am Küchentisch, das Vorlesen am Abend, das Langeweile-zulassen. All das sind Schutzräume: sie wirken leise, aber nachhaltig.
Unser YouTube-Kanal
Wir haben angefangen, unseren youtube-Kanal auszubauen. Denn unsere kostbaren Inhalte sind es wert, auch in anderen Formaten Menschen zu inspirieren.
Mehr Fürsorge
Schulen brauchen verbindliche Programme zur digitalen Bildung – idealerweise schon ab der ersten Klasse. Politische Maßnahmen wie ein Mindestalter für bestimmte Apps oder eine Verschärfung der Altersfreigaben zum Beispiel für soziale Medien wie TikTok und Instagram werden zunehmend diskutiert.
Der Autor sieht es als entscheidend an, dass möglichst alle Eltern an einem Strang ziehen und gemeinsam klare und konsistente Regeln und Grenzen vereinbaren. Nur so könne verhindert werden, dass einzelne Kinder durch unterschiedliche Regelungen benachteiligt oder überfordert werden.
Wolff empfiehlt daher regelmäßige Gespräche und Abstimmungen zwischen Eltern, Lehrkräften und der Schulleitung, um ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Haltung zur Nutzung digitaler Medien zu entwickeln.
Daniel Wolffs Buch ist ein wichtiger Weckruf: „Better safe than sorry!“ fordert er uns Erwachsene zur Fürsorge für Kinder auf. Digitale Kompetenz ist wichtig – aber sie beginnt mit einer menschlichen Beziehung.
Daniel Wolff: Allein mit dem Handy: So schützen wir unsere Kinder, Heyne Verlag 2024
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