Klima-Protest: Fünf Monate Gefängnis für zwei Sitzblockaden

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Audio-Interview mit Aktivisten Karl Braig

Karl Braig, 69, ist Aktivist aus Überzeugung und Leidenschaft. Jetzt erhielt er für zwei Sitzblockaden für den Klimaschutz eine fünfmonatige Haftstrafe auf Bewährung. Die damit verbundene Geldstrafe zahlte Braig nicht, so kam er am 16. Dezember 2024 ins Gefängnis. Ethik heute begleitet den Aktivisten in dieser Zeit. Hören Sie das erste Interview, kurz vor Antritt der Haft.

Text und Interview: Geseko von Lüpke

„Wenn ich nichts mache, fühle ich mich schuldig“, sagt Umweltaktivist Karl Braig im Interview mit Ethik heute. Der 69-Jährige trat am 16. Dezember 2024 seine fünfmonatige Haftstrafe an. Was hat er getan: Zwei Sitzblockaden von insgesamt eineinhalb Stunden, um den Autoverkehr zu stoppen und für den Schutz des Klimas zu protestieren. Braig ist Mitglieder der Initiative „Letzte Generation“.

Der Richter verurteilte ihn zu  fünf Monaten Haft auf Bewährung. Die Anwältin hatte Berufung für Braig eingelegt, die aber ‚wegen Fristversäumnis‘ abgelehnt wurde. Die damit verbundene Geldstrafe wollte der Aktivist nicht zahlen, weil er seinen Protest für legal hielt. Die ‚Bewährung‘ hätte bedeutet, dass er bei weiteren Aktionen zivilen Ungehorsams in den kommenden Jahren doch noch ins Gefängnis gekommen wäre.

Dann wollte er lieber aufrechten Hauptes die Strafe absitzen, sagte er unmittelbar vor Haftantritt: „Ich lasse mich nicht von Richtern einschüchtern, wenn sie anbieten, ich dürfe drei Jahre nichts mehr machen und dann brauche ich nicht ins Gefängnis. Ich lasse mich diesbezüglich nicht kaufen und denke, das sollten wir alle nicht.“

Welcher Protest ist angemessen?

Im Hintergrund steht die große Frage: Rechtfertigt die Notlage einer wissenschaftlich belegten Klimakrise mit der Häufung extremer Wetterlagen und absehbaren Massen-Fluchtbewegungen eine entsprechend radikale Formen des Protestes?

Die ‘Letzte Generation’ ist davon überzeugt, angesichts der globalen Notlage das Recht auf Widerstand zu haben. Politiker und viele Medien sprechen hingegen von ‘Umwelt-Terroristen’ und einer ‘Klima-RAF’. Jetzt stehen Mitglieder der Letzten Generation vor Gericht. Die Letzte Generation hat unter dem Druck das Kleben aufgegeben und sucht andere Formen des Widerstands.

Doch die Problematik des zivilen Ungehorsams und einer angemessenen Reaktion auf die globale Krise sind damit nicht vom Tisch. Das Thema wird die Demokratie und das Rechtssystem weiter beschäftigen.

Ethik heute wird die Haftzeit des Aktivisten Karl Braig begleiten, ihn einige Male im Gefängnis besuchen und Gespräche führen: über legitimen Protest, Widerstand gegen Umweltmissstände, aber auch Persönliches: Wie bewältigt man fünf Monate Unfreiheit, was geht einem durch den Kopf und welche Konsequenzen zieht man daraus?

Hören Sie das erste Gespräch mit dem verurteilten Aktivisten Karl Braig, das Geseko von Lüpke kurz vor Haftbeginn führte:

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