Interview mit der Psychotherapeutin Anika Heck
Für manche in der Klimabewegung ist die Gefahr der Klima-Katastrophe so real, dass sie sich konkret darauf vorbereiten. Die Psychologin Anika Heck spricht im Interview über Gedankenexperimente, Trauerarbeit und Gestaltungsspielräume zwischen Leugnen und Verzweifeln.
Das Gespräch führte Birgit Stratmann
Frage: Es gibt eine neue Gruppierung innerhalb der Klima-Aktivisten, die sich „Kollaps-Bewegung“ nennt. Das sind Menschen, die sich auf den Zusammenbruch der menschlichen Zivilsation vorbereiten. Ist das ein Thema in Ihrer Arbeit?
Heck: Wir haben uns in der Klimabewegung lange schwer getan, den möglichen Kollaps gleichzeitig mit Klimaschutz zu denken. Wir hatten befürchtet, dass wir die Hoffnung und auch die Motivation zum Handeln verlieren, wenn wir den Fokus auf die Katastrophe richten. Hier verändert sich gerade einiges.
Was verändert sich?
Heck: Bei den Psychologists for Future haben wir vor circa zwei Jahren eine Arbeitsgruppe zur Kollapsologie gegründet. Zuerst haben wir uns in einem Selbstversuch mit dem möglichen Kollaps konfrontiert: Was macht das mit uns? Wie können wir als Therapeutinnen und Therapeuten Menschen begleiten und Resilienz stärken? Mein Fazit: Katastrophe und Hoffnung schließen sich nicht aus.
Man kann den Zusammenbruch nicht wissenschaftlich seriös vorhersagen. Die Zukunft ist offen und es gibt immer Handlungsspielräume. Was macht es mit unserer Psyche, wenn wir uns quasi innerlich gedanklich in Richtung Kollaps bewegen?
Heck: Ich würde es damit vergleichen, dass ein Mensch eine lebensbedrohliche Diagnose erhält und die Ärzte sagen, dass die Heilungschancen nicht mehr als fünf Prozent betragen.
Es gibt Menschen, die trotzdem weiter kämpfen. Andere bereiten sich eher auf das Ende vor. Es eröffnet einen neuen Betrachtungsraum, wenn wir zulassen, dass der Kollaps überhaupt eine Möglichkeit ist.
Nichts ist mehr selbstverständlich.
„Katastrophe“ ist ja zuerst einmal eine Denkfigur. Die Klimakatastrophe ist ein gradueller Prozess. Widerspricht das nicht dem starren Gedanken an den Kollaps?
Heck: So sehe ich das auch: Es ist nicht wie in einem apokalyptischen Film, wo ein Meteorit auf die Erde zurast und von heute auf morgen alles vorbei ist.
Der Begriff Kollaps ist nicht klar definiert, weder die Forschung noch die Bewegung sind sich einig. Das gemeinsame Verständnis ist, dass es in 20 Jahren nicht mehr so sein wird wie jetzt. Das betrifft die Nahrungsmittelherstellung, den Zugang zu Ressourcen, die politische Sicherheit, die wirtschaftliche Stabilität. Alles, was für uns in den letzten Jahrzehnten selbstverständlich war, wird in Frage gestellt. Dann stellt sich die Frage: Was kann ich tun, um das Leid abzumildern?
Aber kann man so etwas wie den Kollaps wirklich zu Ende denken?
Heck: Wir können Gedankenexperimente machen, d.h. wir stellen uns verschiedene Szenarien vor und spielen sie gedanklich durch. Weiter können wir uns auf emotionaler Ebene damit befassen.
Als Mutter war die Beschäftigung mit dem möglichen Kollaps für mich ein Trauerprozess. Ich trauerte um die Zukunft meiner Kinder, wie ich sie mir gewünscht hätte. Wie werden sie leben in so einer Welt? Werden sie viel Leid erleben? Werde ich jemals Enkelkinder haben?
Zwischen Verzweiflung und Leugnen gibt es einen Gestaltungsspielraum.
Das heißt, es geht auch darum, die Realitätsverweigerung und Leugnung von offensichtlichen Tatsachen zu überwinden. Da hat die Kollaps-Bewegung ihren Punkt.
Heck: Ja genau, wir müssen der Realität ins Auge sehen. Aber natürlich gehen Menschen damit unterschiedlich um, ein Mittelweg ist nicht so leicht zu finden.
Manche Menschen verzweifeln und nehmen eine destruktive Haltung ein. Sie entwickeln dann ein dysfunktionales Verhalten. Auf der anderen Seite ist es wenig zielführend, wenn man bis zum letzten Tag verleugnet, dass es heftige Klimafolgen geben wird.
Zwischen diesen beiden Polen – also Verzweiflung und Leugnung – gibt es einen Gestaltungsspielraum, den viele Menschen nicht wahrnehmen. Sie denken, sobald sie anerkennen, dass etwas zusammenbricht, wäre alles vorbei. Denn ihre Hoffnung hatte sich bisher daraus gespeist zu denken: „Es wird schon gut gehen.“ Diese Hoffnung hält dem Realitätstest aber nicht stand.
Unser YouTube-Kanal
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Wir bewältigen es nur gemeinsam.
Wäre es nicht gesünder, sich gleich zu überlegen, wie man den Kollaps und das ganze Leid, was damit kommen wird, abwenden kann? In Hamburg gab es im Oktober 2025 den Volksentscheid für Klimaneutralität 2040. Auf kommunaler Ebene kann man einiges bewegen.
Heck: Das schließt sich nicht aus. Ein zentrales Element der Kollapsbewegung ist, sich lokaler und unabhängiger von größeren Strukturen aufzustellen – mit einer regenerativen Energieversorgung vor Ort, einer lokalen Landwirtschaft, die wir selbst aufrechterhalten können, wenn Versorgungsstrukturen nicht mehr wie gewohnt funktionieren. All das schützt auch das Klima.
Gerade auf kommunaler Ebene kann Klimaanpassung, Klimaschutz und Vorbereitung auf Krisen Hand in Hand gehen. Eine Kommune, die sich selbst mit Strom, Wasser und Lebensmitteln versorgen kann, ist kollapsresistent, krisenresistenter.
In der Kollaps-Bewegung wird die Bedeutung von tragfähigen Gemeinschaften betont. Diese sorgen nicht nur dafür, dass wir uns wohl und sicher fühlen, sondern bieten im Ernstfall auch den besten Schutz. Solche Gemeinschaften zu bauen, sehe ich als eine zentrale Aufgabe für uns als Zivilgesellschaft an.
Das gibt mir Hoffnung, auch für meine Kinder, wenn sie ein gutes soziales Netz haben. Alleine schaffen wir das nicht. Was auch immer auf uns zukommt, wir bewältigen es nur gemeinsam.

Anika Heck ist Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin für Verhaltenstherapie. Seit 2022 engagiert sie sich bei den Psychologists & Psychotherapists For Future e.V. und ClimateConnect Deutschland e.V. für einen bewussterem Umgang mit Klimaschutz, Klimagefühlen und Klimakommunikation.
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