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Künstliche Intelligenz und die Welt der Emotionen

Cover Gefühle der Zukunft

Wichtiges Buch über emotionalisierte KI

Können Maschinen fühlen und unsere Gefühle beeinflussen? Eva Weber-Guskar, Professorin für Ethik und Philosophie der Emotionen, zweifelt an der Authentizität der Gefühle, die KI erzeugt. Trotzdem kann KI auch die menschliche Gefühlswelt beeinflussen. Sie warnt vor emotionaler Entfremdung.

Text: Ines Eckermann

Um die Gefühlswelt eines anderen Menschen richtig verstehen und mitfühlen zu können, brauchen wir Empathie. Sie ist eine neuronal verankerte Fähigkeit, die uns zu dem macht, was wir sind: soziale Wesen. Die Fähigkeit empathisch zu sein, ist die Basis eines gesunden gesellschaftlichen Miteinanders.

Doch längst ist klar: Die Menschen haben kein Monopol auf Empathie. Auch Tiere zeigen differenzierte Emotionen und scheinen mit ihren Artgenossen mitzufühlen. Dabei kann Empathie auch die Grenzen der Spezies übersteigen: So leiden Hunde mit, wenn es Herrchen oder Frauchen nicht gut geht. Empathie gilt als einer der Grundbausteine emotionaler Intelligenz. Kann diese Intelligenz womöglich auch künstlich sein? Ist es einer Maschine möglich, Emotionen nachzuempfinden oder imitiert sie diese nur?

Zwischen technologischer Innovation und menschlichem Gefühl

Darum geht es in Eva Weber-Guskars Buch „Gefühle der Zukunft“. Darin untersucht die Professorin der Ruhr-Universität Bochum die Schnittstelle zwischen technologischer Innovation und dem menschlichen Gefühlsleben. Auch beleuchtet sie die ethischen und philosophischen Fragen, die sich daraus ergeben.

Weber-Guskar nimmt an, dass sich durch die Ausbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) in unserem Alltag, allmählich auch unsere emotionale Landschaft verändert. Sie legt dar, dass KI-Systeme immer besser darin werden, menschliche Emotionen zu erkennen, zu analysieren – und möglicherweise auch zu beeinflussen.

Dennoch glaubt sie, dass die aktuelle Technologie noch nicht weit genug sei, um unsere Emotionen genau zu erfassen. Zugleich hofft sie, dass es gar nicht erst so weit kommt. Denn sie befürchtet, dass das dazu führen könnte, dass wir Menschen uns zu sehr auf die Maschinen verlassen und irgendwann das Menschlichste verlernen: authentisch zu fühlen und einander empathisch zu verstehen.

Verliebt in eine Maschine

Das hindere unterdessen aber einige Menschen nicht daran, echte Emotionen gegenüber künstlicher Intelligenz zu empfinden. Weber-Guskar stellt Fälle von Menschen vor, die sich in Chatbots verliebt haben, also in künstliche Sprachprogramme ohne Körper, Herz oder Psyche.

Warum uns diese Fälle so bizarr erscheinen, liegt vor allem daran, dass es sich hier wohl um die einseitigste Form von Liebe handelt, die es gibt. Denn kann etwas, das keine individuellen Erfahrungen und sozialen Interaktionen erleben kann, authentische Emotionen oder sogar Liebe empfinden? Nach unserer aktuellen Definition von künstlicher Intelligenz ist noch nicht mal klar, ob wir es bei KI überhaupt mit Intelligenz im engeren Sinne zu tun haben.

Doch wenn KI in der Lage ist, so Weber-Guskar, diese Erfahrungen zu manipulieren oder zu erzeugen, stellt sich die Frage: Sind diese künstlich erzeugten Emotionen echt? Können sie dieselbe Tiefe und Bedeutung haben wie Emotionen, die auf natürliche Weise entstehen?

Sie zweifelt jedenfalls an der Authentizität der Gefühle der KI. Entsprechend argumentiert die Autorin, dass wir eine Balance finden müssen zwischen dem Einsatz von KI zur Unterstützung und Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens und der Gefahr einer emotionalen Entfremdung.

Abhängig von künstlicher Intelligenz

Sie warnt davor, dass eine übermäßige Abhängigkeit von technologischen Lösungen zur Emotionsregulierung das menschliche Subjekt in seiner emotionalen Autonomie schwächen könnte.

Wenn KI uns helfe, negative Emotionen wie Einsamkeit oder Trauer zu bewältigen oder positive Emotionen zu verstärken, könnte dies auf den ersten Blick als eine Verbesserung der Lebensqualität erscheinen. Doch auf lange Sicht besteht die Gefahr, dass der Mensch sich nicht mehr sicher sein könne, ob seine Gefühle echt sind – oder nur das Ergebnis einer technologischen Intervention.

Ein weiteres wichtiges Thema in Weber-Guskars Werk ist die Frage der emotionalen Bildung. KI könnte in Zukunft eine wichtige Rolle dabei spielen, die emotionale Intelligenz des Menschen zu fördern.

KI-gesteuerte Systeme könnten dabei helfen, menschliche Emotionen besser zu verstehen, sowohl die eigenen als auch die anderer. Dies könnte in Bereichen wie der Therapie, der Erziehung oder im zwischenmenschlichen Umgang wertvolle Dienste leisten. So könnte KI beispielsweise dabei helfen, Empathie zu trainieren oder emotionale Blockaden zu überwinden.

Künstliche Intelligenz könnte, so die Wissenschaftlerin, ein wertvolles Werkzeug sein, um unser emotionales Leben zu bereichern. Doch sie warnt auch davor, dass wir die Kontrolle über unsere eigenen Gefühle verlieren könnten, wenn wir uns zu sehr auf Technologien verlassen. Emotionen bleiben ein zutiefst menschliches Phänomen, das zwar durch Technik unterstützt, aber nie vollständig von ihr ersetzt werden kann – und sollte.

Eva Weber-Guskar. Gefühle der Zukunft: Wie wir mit emotionaler KI unser Leben verändern. Eine philosophische Perspektive. Ullstein 2024

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