Ein Standpunkt von Ines Eckermann
Seriöser Journalismus ist eine Säule der Demokratie. Denn nur auf der Basis von Fakten kann eine Gesellschaft begründete politische Entscheidungen treffen. Doch die Rechtspopulisten lassen Fakten nicht gelten und nennen das Checken von Fakten „Zensur“. Damit greifen sie die Demokratie an. Ines Eckermann plädiert für eine Stärkung des Journalismus.
In Zeiten von Wahlkampf und politischer Polarisierung scheint die Rolle der Medien wichtiger denn je. Doch ausgerechnet jetzt befindet sich der Journalismus in einer existenziellen Krise: Während Desinformation und Populismus florieren, schwindet das Vertrauen in klassische Medien.
Eine Studie der Universität Mainz vom April 2024 zufolge zeigt den Trend: Das Vertrauen in Medien ist nach der Corona-Pandemie von 49 auf 44 Prozent gesunken. Nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt mit 64 Prozent noch breiteres Vertrauen.
Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Der klassische Journalismus steht heute vor zwei fundamentalen Herausforderungen, die seine Glaubwürdigkeit von verschiedenen Seiten aushöhlen.
Zum einen untergraben populistische Bewegungen systematisch das Vertrauen in traditionelle Medien mit Begriffen wie “Lügenpresse” oder “Mainstream-Medien”. Sie diffamieren journalistische Fact-Checking-Bemühungen als “Zensur” und „Bevormundung“. Damit schaffen sie ein Klima des Misstrauens, diskreditieren die Parteien der Mitte und versuchen, die Meinungsbildung zu übernehmen.
Parallel dazu kämpfen viele Medienunternehmen mit wirtschaftlichem Druck, der ihre journalistische Integrität gefährdet. Das Beispiel des Axel-Springer-Verlags beim Gebäudeenergiegesetz zeigt die Problematik:
Die Bild rahmte das Heizungsgesetz konsequent als “Verbotspolitik”; Überschriften wie „Habecks Heizhammer sprengen den Sozialstaat“ (19.4.2023) waren Teil einer Kampagne der BILD gegen eine klimafreundliche Politik. Denn der Hauptaktionär der Zeitung, KKR, investiert in fossile Energien, seine wirtschaftlichen Interessen stehen den regulatorischen Eingriffen, die mit dem Gesetz verbunden sind, entgegen.
Desinformation in sozialen Medien
Diese Erosion des Vertrauens wird durch die Entwicklung der sozialen Medien noch verstärkt. Was einst als demokratische Revolution der Medienlandschaft begann – Blogs, YouTube, soziale Netzwerke, in denen auch Randgruppen zu Wort kommen sollten, hat sich zu einem Katalysator für Desinformation entwickelt.
Die globale Mediennutzung zeigt jedoch, dass diese – teils verzerrten – Medieninhalte gut ankommen. So zeigt eine 2025 veröffentlichte Umfrage von Statista, dass in Deutschland 16 Prozent der Befragten Nachrichten und Informationen über Facebook finden; in Ländern wie Thailand sind es zwei Drittel der Befragten, in Indien nutzen 56 Prozent dafür YouTube.
Nachdem Elon Musk Twitter gekauft und die Social-Media-Plattform in X umbenannt hat, entschied er sich schnell gegen Fact-Checks und einen Filter des Sagbaren. Seither zeigt die Plattform ein Erstarken des Populismus und rechtsextremer Bewegungen. Da in Deutschland Twitter lange Zeit vor allem Journalisten als schnelle Informationsquelle gedient hat, wandern viele Nutzende verstärkt zu Alternativen wie Mastodon oder Bluesky ab.
Auch die Abschaffung der verifizierten Accounts zugunsten eines kostenpflichtigen Modells bei X hat die Unterscheidung zwischen echten und gefälschten Profilen erschwert. Das Ende des Fact Checking durch Mark Zuckerberg bei Facebook bedeutet, dass Desinformationen nicht mehr gekennzeichnet werden. Es wird also für die Nutzer immer schwieriger zu erkennen, welcher Information sie vertrauen können und welcher nicht.
Der Fall des medienwirksamen Gesprächs zwischen Musk und Weidel im Januar 2025 illustriert diese neue Realität eindrücklich: Wenn der Eigentümer einer der größten Kommunikationsplattformen mit einer rechtspopulistischen Politikerin geschichtsrevisionistische Thesen austauscht, erreicht dies ein Millionenpublikum – ohne journalistische Einordnung oder kritisches Nachfragen.
Fakten sind die Basis für die Demokratie
Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen brachte das Problem in einem Interview am 10. Januar 2025 mit dem Deutschlandfunk auf den Punkt: „Die entscheidende Frage ist, wie man angesichts der Ballung von politischer, medialer und ökonomischer Macht gegen Desinformation angehen kann.“
Auch stellt sich die Frage: Wer kann in dieser Informationsflut noch Orientierung bieten? Trotz aller Kritik am kommerziellen Journalismus bleiben seriöse Medien – insbesondere öffentlich-rechtliche Sender und unabhängige Recherchebüros wie Correctiv oder ProPublica in den USA – unverzichtbar für eine funktionierende Demokratie.
Denn Fakten sind eine gemeinsame Basis für Politik. Beispiel Klimakrise: Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Beweise dafür, dass die CO2-Emissionen durch menschliche Aktivitäten wesentlicher Treiber dieser gefährlichen Entwicklung sind. Das müsste die Ausgangsbasis für eine Politik sein, die dieser Krise Einhalt gebietet.
Wenn aber die wissenschaftlich belegte Klimakrise von Rechtspopulisten geleugnet wird und sich diese Desinformation unwidersprochen verbreitet, erodiert der Boden für gemeinsame politische Entscheidungen.
Daher ist der Journalismus wichtig, denn zu seinem Berufsethos gehört, dass er der Wahrheit verpflichtet ist und sich um Unabhängigkeit bemüht. Zum journalistischen Handwerkszeug gehört, Behauptungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen, komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen, kritisch nachzufragen und in der Regel eine Gegenposition zu Wort kommen zu lassen. Das unterscheidet seriösen Journalismus von Meinungsmache, PR und Populismus.
Wir sollten seriösen Journalismus unterstützen
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen fordert zwar eine „ethische Selbstverpflichtung“ der Plattformen kombiniert mit gesetzlicher Kontrolle, um eine Balance zwischen Meinungsfreiheit und Schutz vor gezielter Manipulation zu schaffen. Doch angesichts der Macht von Rechtspopulisten, Rechtsextremen und auch mächtigen Einzel-Akteuren wie Elon Musk erscheint dies als frommer Wunsch.
Vielmehr braucht es einen mehrgleisigen Ansatz: zuerst die Stärkung unabhängiger Medien durch bewusste Nutzung und Unterstützung von allen, denen die Demokratie am Herzen liegt. Weiter brauchen wir die Integration von Medienkompetenz in Bildungssysteme. Bereits 2012 fasste die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrem Beschluss „Medienbildung in der Schule“ wichtige Grundlagen.
Bundesländer wie Nordrhein-Westefalen und Baden-Württemberg entwickeln seitdem konkrete Rahmenpläne. Organisationen wie die Bundeszentrale für politische Bildung und die „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ setzen sich aktiv für die Stärkung unabhängiger Medien und kritischer Medienkompetenz ein.
Doch auch wenn sich hier gute Ansätze vor allem für junge Menschen finden, müssen Menschen jenseits des Schulalltags meist selbst schauen, wie und vor allem ob Sie Medienkompetenz lernen können.
Der Journalismus braucht unsere aktive Unterstützung, um seine demokratische Funktion erfüllen zu können. Nur wenn wir qualitativ hochwertigen Journalismus fördern und nutzen, kann er als Bollwerk gegen Desinformation und Populismus bestehen.
Denn eines ist klar: In einer Welt der gezielten Desinformation brauchen wir verlässliche Instanzen der Wahrheitsfindung mehr denn je. Der Tod des Journalismus wäre auch der Tod informierter demokratischer Entscheidungen.