Ein Standpunkt von Dr. Nina Bürklin
Die Didacta, die größte Bildungsmesse in Europa, widmet sich dieses Jahr der „Demokratiebildung“. Hauptaussteller ist die AfD. Eine Fehlentscheidung, schreibt Nina Bürklin vom AVE Institut. Sie fordert, Haltung zu zeigen für die Demokratie. Die Veranstalter sollten Verantwortung übernehmen, statt den Gegnern der Demokratie die große Bühne zu geben.
Es ist verrückt: Die AfD ist Hauptaussteller bei der Didacta vom 11. bis 15. Februar 2025, der größten Bildungsmesse in Europa mit bis zu 100.000 Besucher*innen. Motto dieses Jahr: „Demokratie braucht Bildung – Bildung braucht Demokratie“. Eine in Teilen als rechtsextrem geltende Partei bekommt die große Bühne, um ihre Vorstellungen von „Demokratie“ in die Bildungslandschaft hineinzutragen. Herzlich willkommen in einer verkehrten Welt!
Auf der Messe treffen sich Lehrkräfte, Wissenschaftler*innen, Bildungsinstitutionen und Unternehmen, um gemeinsam über die Zukunft der Bildung zu diskutieren. Wie kann es sein, dass der in Teilen rechtsextreme Landesverband der AfD in Baden-Württemberg Hauptaussteller ist? Die Nachricht löste Schockwellen und Bestürzung aus, auch bei uns.
Der Aufschrei in der deutschen Bildungslandschaft ist groß. Doch bloße Empörung reicht nicht aus. Was ist jetzt die richtige Antwort, was können wir tun?
Für eine offene, pluralistische Gesellschaft
Als erstes gilt es, Stellung zu beziehen und sich klar gegen jede Form von Extremismus auszusprechen. Die Präsenz der AfD auf der Didacta könnte dazu beitragen, extremistische Positionen in den Bildungsdiskurs zu integrieren und als eine „legitime Perspektive” darzustellen. Ein weiterer Schritt für die AfD, ihre radikalen Positionen zu normalisieren.
Die AfD ist gegen alle Werte, die zentrale Säulen der Demokratie – und auch der Arbeit des AVE Instituts – sind: Vielfalt, Toleranz und Verbundenheit. AVE fördert Achtsamkeit, (Selbst-)Mitgefühl und Engagement, vor allem im pädagogischen Bereich. Allesamt wichtige Grundlagen für Demokratiebildung. Denn Bildung ist der Ort, an dem wir die Basis für eine offene, diverse und empathische Gesellschaft legen.
Die Messe muss Verantwortung übernehmen
Wie ist es eigentlich möglich, dass die AfD so eine Plattform auf der Didacta erhält? Wie kann die Messe, die sich der Demokratiebildung verschreibt, überhaupt eine rechtspopulistische Partei als Aussteller zulassen? Wie kann sie überhaupt eine Partei als Aussteller zulassen, die natürlicherweise eigene Interessen in den Fokus stellt, anstelle überparteiliche Bildung zu fördern? Eine Bildungsmesse sollte kein Ort parteipolitischer Aktivitäten sein.
Die Veranstalter argumentieren, dass sie keine Zensurbehörde seien. Damit machen sie sich die Gedanken von Rechtspopulisten zu eigen, die von Zensur sprechen, wenn undemokratische Aktivitäten geahndet werden sollen.
Hat die Messe nicht die Verantwortung, darüber zu entscheiden, wer eine Plattform auf ihrer Messe erhält? Ja – und genau so steht es in den Regularien der Landesmesse Stuttgart:
„Die Entscheidung über die Zulassung von Ausstellern und Mitausstellern und Ausstellungsgegenständen, sowie die Platzzuteilung, trifft die Messeleitung im Einvernehmen mit dem Ausstellungsausschuss oder den ideellen Trägern.“
Die Messe könnte eine klare Grenze ziehen nach dem Motto „Politische Parteien gehören nicht auf eine Bildungsmesse.“ Diese Entscheidung würde parteipolitische Neutralität wahren, ohne einer demokratiefeindlichen Partei eine Bühne zu geben.
Im Fall der AfD gibt es einen noch triftigeren Grund für den Ausschluss von der Bildungsmesse Didacta zum Thema Demokratiebildung. Sie steht ja gerade nicht für eine offene, pluralistische Gesellschaft, sondern will die demokratischen Institutionen untergraben. Hier sprechen die Teilnahmebedingungen der Messe für sich:
„Nicht zugelassen werden Ausstellungsstücke, die nicht dem Thema und des Produkt- & Dienstleistungsverzeichnisses der Ausstellung entsprechen.“
Demnach hätte die Messe Stuttgart ein Verbot aussprechen können. Dies hätte die AfD vermutlich vor Gericht angefochten. Das wäre ein ähnlicher Fall wie bei dem AfD-Parteitag in Essen im Sommer 2024, als die städtische Messetochter den Mietvertrag aufkündigte. Die Stadt verlor vor Gericht – aber sie gewann an politischer Haltung und hat sich für die Demokratie stark gemacht.
Wie können wir Demokratie stärken?
Wenn man nun den Extremismus ablehnt, stellt sich die Frage: Wofür genau wollen wir dann einstehen? Wofür lohnt sich unser Engagement?
Wir müssen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die lebendige Demokratie stärken. Dabei sollten wir uns nicht an Angst, sondern an Möglichkeiten orientieren. Ist das einfach? Nein. Ist es trotzdem unsere Aufgabe? Ja. Denn, um es mit Viktor Frankl zu sagen:
Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte, der dem Leben zu antworten – das Leben zu ver-antworten hat.
Hier sind drei Möglichkeiten, die Demokratie zu stärken:
Konstruktive Dialoge: Fragen und zuhören. Gegen den Populismus und die Polarisierung brauchen wir die Fähigkeit, echte Dialoge zu führen – auch und gerade im Bildungsbereich. Das beginnt mit bewusstem Zuhören. Zuhören, um den anderen, vielleicht Andersdenkenden, wirklich zu verstehen, und gemeinsam Lösungen für drängende Probleme zu suchen.
Was wäre, wenn übten, achtsam zuzuhören, bevor wir uns eine Meinung bilden? Wenn wir Diskussionen nicht als Schlachtfeld, sondern als Möglichkeit zum Lernen sehen? Das würde weniger anfällig für rechtsextreme Einflüsse machen.
Vielfalt und Verbundenheit: Gemeinsam statt gegeneinander. Wir brauchen die Fähigkeit, in Kontakt zu bleiben – insbesondere dann, wenn wir nicht einer Meinung sind. Denn Meinungsverschiedenheiten sind nicht das Problem. Das Problem ist, wenn wir verlernen, uns trotzdem respektvoll als Menschen zu begegnen.
Margot Friedländer, Holocaust-Überlebende, erinnert uns: “Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet.” Sie weiß, wovon sie spricht.
Bewusstes Engagement: Entscheiden und handeln. Die Probleme mögen noch so groß sein: Blinder Aktionismus oder künstliche Empörung helfen nicht weiter. Stattdessen brauchen wir die Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen. Gut heißt zunächst werteorientiert, immer vor der Frage: Wozu handele ich bewusst (nicht)? Auf wen oder was richte ich mich gezielt aus?
Jede bewusste Handlung ist ein Ausdruck von Selbstwirksamkeit und Zuversicht – dass unser Handeln einen Unterschied macht, dass Veränderung möglich ist.
Als AVE Institut setzen wir uns gegen Rechtsextremismus und für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft ein. Wir verbinden uns mit anderen, die auch Haltung zeigen und unterstützen die Bildungsgewerkschaften VBE und GEW, die Petition für den bindenden Ausschluss der AfD von der Didacta und den Brief von einem breiten Bündnis aus Lehrerverbänden, dem Grundschullehrerverband, der Gruppe „Teachers for Futures“, dem Bundeselternbeirat und Greenpeace. Wir sind mehr.

Dr. Nina Bürklin, promovierte Betriebswirtin, arbeitet als Geschäftsführerin des AVE Instituts. Sie ist auch zertifizierte Therapeutin für Logotherapie & Existenzanalyse nach Viktor Frankl und Gründerin von MEANING + More.