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Und täglich grüßt das Trumpeltier

Foto: Jo Magrean
Foto: Jo Magrean

Philosophische Kolumne

Meistens steht mein Handy auf „tonlos“. Zum Glück! Vergesse ich es, so kann ich neuerdings absolut sicher sein, dass die erste Nachricht jedes noch so jungen Morgens mir den Anblick Donald Trumps in mein schonend abgedunkeltes Schlafgemach hinüberträgt.

Bevor ich noch am ersten Kaffee genippt und das Kissen geschüttelt habe, erscheint auf dem Handydisplay  ein skurriles Frühstücksgedeck aus Banane, Fleischwurst- und Salamischeiben, kunstvoll arrangiert zu einem Porträt des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Unverkennbar, verblüffend eindeutig: die Banane gekonnt zur gelben Haartolle und Nackenfransen drapiert, rote Salami zum Schlips geformt, das Antlitz aus Fleischwurst!

Mit dem nächsten Pling folgt das Konterfei einer Katze mit Trump-Toupet – dazu der Text: „Wer kennt den Halter?“ Oder eine Fotomontage aus zwei Hälften: hier der mächtigste Mann der Welt mit zornverzerrtem Trichtermund, dort ein wohlbeleibtes altes Hausschwein mit vergleichbaren Zügen.

Auch die alt bekannte Schwarzkopfwerbung zeigt man nun mit der Seitenansicht Trumps, wobei aus „Schwarzkopf“ „Schwachkopf“ wurde. So geht das unablässig Tag für Tag, Pling um Pling, und ich weiß schon lange nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll, wohl eher weinen. Eine Invasion der Invektiven, eine Symphonie aus Bosheit und Verhöhnung. Thank you, Mr. President, for all the things you’ve done, the battles that you’ve won!! – Was die Stimulation der menschlichen Gehässigkeit angeht, ist Ihre Amtzeit schon jetzt ein voller Erfolg!!

Zahllose „Scherze“ dieser Art durchsimsen ungefragt die dicken Bruchsteinwände meines Hauses. Sie usurpieren mein Hirn und demonstrieren unmissverständlich das Revival eines Typus, dessen Blütezeit ich längst schon vergangen glaubte oder wenigstens doch hoffte. Wie frau sich doch irren kann!

Besonders die vielen Filmchen zeigen es: Stakkatoartig rausposaunte Härtehymnen, markige Sprechblasen, flankiert von energisch auf die Lüfte einschlagenden Zeigefingern oder Fäusten: „America first!“ – Insignien einer manisch-männlichen Selbstüberschätzung, die neuerdings wieder Schule macht. Offenbar hat das unausrottbare Erlösungs- und Unterwerfungsbedürfnis der einen seinen neuen Messias gefunden, einen, der dazu antritt, den Laden mit brutaler Ignoranz von Grund auf umzukrempeln.

Für die anderen scheint ein neuer Satan erstanden, an dem man sich mit gnadenloser Häme abreagieren darf, ja nahezu zwanghaft muss. Eines der galligen Whatsapp-Bilder, die mein Heim durchfluten, zeigt den Präsidenten einsam, nackt und bloß – vor das Richterpult des Teufels tretend, zahllose Totenköpfe zu Füßen – „Or, as we call it, Alternative Heaven“ liest man dazu.

Klar scheint mir eines: Sachliche Gegenargumente, jedweder Protest oder Widerstand, nicht minder aber Spott und Hohn aus übervollen Kübeln spornen diesen apolitischen Haudegen nur noch mehr an und lassen ihn zur Höchstform auflaufen. Und es scheint zu funktionieren: Mittlerweile schätzen sich ganze Heerscharen amerikanischer Bürger vor laufenden Kameras glücklich, „die Politiker“ abserviert zu haben, und bejubeln stattdessen ihren toughen Macher an der Spitze des Gemeinwesens, einen, der hemdsärmelig zupackt, um das Establishment das Fürchten zu lehren.

Auf diese Weise wird nun allerorten das Politische demontiert und korrumpiert, dessen Wesen doch gerade darin liegt, sich stets mit Gegenkräften arrangieren und abstimmen zu wollen, d. h. im unablässig zähen Ringen einen Weg des Möglichen zu suchen und dabei vor allem die Gewaltenteilung als wichtigste Errungenschaft der Neuzeit zu würdigen.

Für die Vorreiterriege einer neuen Rechten scheinen diese Grundelemente demokratischer Kultur offenbar nur noch lästige Hindernisse abzugeben, elende Bremsklötze, die es zu umgehen und allmählich auszuräumen gilt. Wenn irgend möglich desavouiert oder entlässt man alle Störfaktoren – und seien sie auch oberste Richter. Ohne jeden Hauch von Skrupel werden postfaktische Kampagnen zur heimtückischen Diffamierung des Gegners gefahren.

Soeben flattert ein weiteres deprimierendes Motiv der neuen Bildchenunkultur über meinen Laptop: Grob und herrisch greift ein stattlicher Trump der stolz erhobenen Freiheitsstatue in den Schritt. Hier nun tut sich ein altbekannter Zusammenhang auf, der, so schwant mir,  erneut zum Signum unserer Zeit zu werden droht – trotz aller Kämpfe und Anstrengungen um Gleichwertigkeit und Gleichstellung der Geschlechter:

Wo politische Hauruckmethoden propagiert werden und überspannte Machoparolen in Umlauf kommen, lassen Frauenverachtung und Zurichtung des Weiblichen zumeist nicht lange auf sich warten. Ein tristes Erbe schleppt sich unablässig fort. Nicht zuletzt darauf müssen wir das Augenmerk mit Nachdruck richten, wollen wir nicht unsanft in einer neuen Ära einseitig maskuliner Wertmaßstäbe bruchlanden.

Ich denke da an ein gesellschaftliches Klima, in dem problematische Härteideale wie krude Rücksichtslosigkeit, brachialer Schneid und illusionäre Unabhängigkeit alles vermeintlich Schwache überbieten. Für marklos und verweichlicht hielte man es dann, die eigene existenzielle Verwundbarkeit und damit Angewiesenheit auf andere einzuräumen. Dementsprechend sänke die Bereitschaft zu Dialog, Verhandlung, Kompromiss und Konzessionen. In diesem Sinne männlich zu agieren, ist längst kein Privileg des Mannes mehr, denn auch Frauen bedienen die genannten Muster heute zu Genüge.

Meine kühne These lautet: Der Umgang mit der Geschlechterfrage, das kritische Nachdenken über die tradierten Kategorien des „Männlichen“ und „Weiblichen“ sowie über alle damit verknüpften Wertehierarchien, waren niemals Nebenthemen, sondern quasi stets so etwas wie die Prüfsteine unseres humanen Niveaus.

Genau diesen Hinweis gibt uns das Bild der von Trump traktierten Freiheitsstatue: Wer das Weibliche missachtet, verrät die Freiheit selbst, deren allegorische Gestalt – so verstanden – nicht von ungefähr durchgängig feminin ist.

Heidemarie Bennent-Vahle, 26. Februar 2017

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