Ein Familienunternehmen zeigt, wie es geht
Während die Textilbranche mit Skandalen Schlagzeilen macht, setzt das Familienunternehmen Vaude konsequent auf Nachhaltigkeit: Klimaneutralität, Verzicht auf schädliche Chemikalien, die gesamt Lieferkette steht im Fokus. Geschäftsführerin Antje von Dewitz brennt dafür, Unternehmensziele und ökolgische Ziele zusammenzubringen.
In Tettnang in der Nähe des Bodensees, weitab der großen Städte, wo alles noch ruhig und beschaulich erscheint, ist das Unternehmen Vaude angesiedelt. Sehr passend für einen Betrieb, der in Europa führend in der Herstellung nachhaltig produzierter Outdoor-Ausrüstung ist.
Geschäftsführerin Antje von Dewitz, 41, verkörpert die Marke, die für Naturverbundenheit steht, auf ungewöhnliche Weise. Sie wirkt bodenständig, kommt mit dem Fahrrad zur Arbeit und ist gleichzeitig visionär, gesellschaftlich engagiert und aufgeschlossen für Neues.
Das Besondere bei Vaude: Das Unternehmen ist konsequent auf den Gleichklang ökonomischer, sozialer und ökologische Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen ausgerichtet.
Woran liegt dieses konsequente Eintreten für die Nachhaltigkeit? In der Textilbranche, die durch skandalöse Arbeitsbedingungen, intransparente Lieferketten und giftige Inhaltsstoffe von sich reden macht, regiert bei Vaude ein anderes Verständnis. Nachhaltigkeitsziele sind Unternehmensziele. Bei Vaude soll jeder um Nachhaltigkeit wissen und sich dafür einsetzen.
Besonders bemerkenswert: Bonuszahlungen der Mitarbeiter sind teilweise vom Erreichen der Nachhaltigkeitsziele abhängig. Es ist die Maxime „Werteorientierung statt Gewinnmaximierung“, die das Nachhaltigkeitsverständnis leitet.
Und doch ist das Ganze nicht ohne die Person Antje von Dewitz denkbar. „Um diesen Gleichklang der Nachhaltigekeit zu erfüllen, muss ich mich jeden Tag mit moralischen Dilemmata auseinandersetzen. Dieser Prozess ist ungeheuer komplex. Doch ich denke in Lösungen“, berichtet sie im Gespräch mit Ethik heute.
Der Schlüssel zum gelebten Selbstverständnis liegt auch in der Geschichte der Unternehmens, das sich zu 100 Prozent im Familienbesitz befindet. Antje von Dewitz ist die Nachfolgerin ihres Vaters Albrecht, von dem sie die 2009 die Geschäftsführung übernahm. Sie führt den Weg ihres Vaters, der das Unternehmen 1974 gründete und 1980 die erste Produktionsstätte in Tettnang am Bodensee aufbaute, fort.
„Wir pflegen ein positives Menschenbild“
Im Mittelpunkt der Philosophie der von Dewitzs steht das Thema Verantwortung – für die Region, in der sie arbeiten, für die Mitarbeiter, für die Umwelt.
„Wir pflegen ein positives Menschenbild bei Vaude. Ich habe Vertrauen in die Kolleginnen und Kollegen und gehe davon aus, dass die Menschen einen guten Job machen wollen. Dafür stelle ich die Rahmenbedingungen zur Verfügung“, sagt von Dewitz im Gespräch mit Ethik heute.
Und die Rahmenbedingungen sind ungewöhnlich: Die Mitarbeiter können von zu Hause aus arbeiten. Die Vertrauensarbeitszeit wurde eingeführt. Führungsaufgaben können auch in Teilzeit erledigt werden. Es gibt eine gut organisierte Kinderbetreuung auf dem Firmengelände.
Über 50 Prozent der Mitarbeiter arbeiten in Teilzeit, fast 40 Prozent der Führungskräfte sind weiblich – bei Vaude zeigen sich die Vorzüge einer modern organisierten Arbeitskultur in einem Unternehmen mit 500 Mitarbeitern.
Seit 2008 fasst Vaude sein soziales und ökologisches Engagement in einem Nachhaltigkeitsbericht zusammen. 2014 hat Vaude sich mit diesem Bericht erstmals dem im Mai 2013 eingeführten Standard G4 der Global Reporting Initiative (GRI) unterworfen.
Hier sind die Anforderungen strenger geworden. Es gibt keine keine starke Abstufung von Erfüllungsniveaus (C – A+) mehr, sondern nur noch „in Einklang mit GRI“ – entweder generell oder umfangreich. Das soll Greenwashing verhindern und Glaubwürdigkeit erhöhen. Kein anderer Outdoor-Ausrüster hat sich bisher diesem Standard unterworfen.
Vielleicht auch deshalb, weil der Outdoorbereich in Sachen Nachhaltigkeit kein einfacher Markt ist, denn die Verwendung umweltfreundlicher Materialien ist aufgrund der hohen Anforderungen an die Bekleidung schwierig und teuer.
Den ökologischen Fußabdruck des Unternehmens verringern
Bei Vaude wurden Lösungen erarbeitet, diesen Ansprüchen auf umweltfreundliche Art und Weise zu begegnen. So hat sich die Firma verpflichtet, bis 2020 komplett auf die besonders schädliche Chemikalie PFC (Polyfluorcarbon) zu verzichten und umweltschonende Alternativen einzusetzen, um die Produkte wasserabweisend zu machen.
Umweltverbände wie der WWF ziehen den Hut: „Was uns aber bei Vaude gefällt, ist, dass von der Firmenleitung bis zur Mitarbeiterebene alle das Thema Nachhaltigkeit sehr offen angehen und offen für Verbesserungen sind“, so Bernhard Bauske, beim WWF Deutschland zuständig für Zusammenarbeit mit Unternehmen in einem Artikel der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Auch im idyllischen Tettnang merkt man dies. So ist der Standort einschließlich der Produktion vor Ort klimaneutral. Dabei ist Vaude drei Schritte gegangen: Alle Verbräuche wurden gemessen. Nächster Schritt war die Reduzierung der Verbräuche und damit auch der Emissionen.
Seit 2011 wurden dabei 20 Prozent eingespart. Alle nicht vermeidbaren Emissionen kompensiert Vaude seit 2012 durch eine Ausgleichszahlung an ein Klimaschutzprojekt der non-profit-Organisation myclimate
Seit Jahren wird der ökologische Fußabdruck der Unternehmensprodukte minimiert. Im Textilsegment gibt es dafür keinen einheitlichen Maßstab bzw. ein Zertifikat.
Vaude hat daher das Green Shape-Bewertungsssystem eingeführt, wonach 90 Prozent der eingesetzten Materialien umweltfreundlich sein müssen. Das sind beispielsweise Bio-Baumwolle oder Recycling-Stoffe. Zur Zeit sind 87 Prozent der Produkte aus der aktuellen Kollektion zertifiziert nach Green Shape.
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Durch und durch konsequent
Im sozialen Bereich ist Vaude Mitglied der Fair Wear Foundation, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion einsetzt. Es gibt einen strengen Code of Labour Practice.
Nach Informationen der Umweltbeauftragten Hilke Patzwall auf dem Portal umwelthaupstadt.de werden die Firmen, mit denen Vaude zusammenarbeitet, regelmäßig inspiziert und die Arbeiterinnen und Arbeiter befragt.
Es gibt eine Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Unternehmensverbänden und Menschenrechtsgruppen. „Das Ziel ist es, die Bedingungen langfristig zu verbessern, statt kurzfristig den Produzenten zu wechseln, wenn etwas nicht so gut klappt,“ so Patzwall.
Ehrgeiz gehört eben mit dazu, wenn man der Beste sein will. Bei den von Dewitzs scheint er ausgeprägt zu sein. „Geht nicht, gab es bei uns nicht. Das habe ich zu Hause gelernt. Diese Maxime setze ich bei der Erreichung von ökologischen und sozialen Zielen im Unternehmen konsequent ein“, so Antje von Dewitz.
Durch und durch konsequent, dadurch besticht von Dewitz auch im Gespräch. Ihr Engagement für die Nachhaltigekit erscheint lückenlos und überzeugend. Ihr Vortrag ist dabei ungemein unprätentiös. Sie schmückt sich nicht mit dem Erreichtem, sondern stellt sich weiter anspruchsvollen Aufgaben.
Amazon: Eine Kröte muss man schlucken
Die nächsten Ziele stehen an. Die größte Weiterentwicklung für die Lieferkette ist der Aufbau eines Umweltmanagementsystems mit Schwerpunkt auf Abwassermanagement. Ziel ist die Erhöhung der Transparenz in der Lieferkette und die Aufrechterhaltung der Auditquote mit der Fair Wear Foundation. In von Dewitzs derzeitigem Lieblingsprojekt werden alle Lieferanten in der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich Umweltmanagement geschult.
All diese Aktivitäten gehen einher mit ökonomischem Erfolg. In einer Branche, in der die fetten Jahre vorbei sind, erwirtschaftet Vaude kontinuierlich Gewinne – ohne Einbrüche. Muss es auch, denn das Unternehmen ist von Banken finanziert und hat keine großen Geldgeber im Hintergrund wie etwa der Konkurrent Jack Wolfskin.
Und somit ist auch die ökonomische Nachhaltigkeit erreicht. Der Verbraucher honoriert dieses Bemühen. Die glaubwürdige Marke Vaude wird auch gekauft, wenn sie ein wenig teurer ist.
Es gab auch Kritik am Unternehmen. Daran, dass Vaude seine Produkte über Amazon, den wegen seiner Arbeitsbedingungen in die Kritik geratenen Online-Händler, vertreibt.
Doch von Dewitz kann und will sich nicht gegen gewisse Marktentwicklungen stellen, ist aber immer wieder im Austausch mit Amazon über dieses kritische Thema. Die Zunahme des Online-Handels ist jedoch Fakt und Vaude muss dabei sein, um zu überleben. Der stationäre Handel bröckelt und von Dewitz kann diese gesellschaftlichen Entwicklungen mit Vaude nicht aufhalten.
Dagegen habe Sie sich über den Beschluss beim Weltklimagipfel in Paris ganz besonders gefreut, so Antje von Dewitz. Sie brauche für ihr ambitioniertes Unternehmen fördernde politische Rahmenbedingungen, verlässliche Gesetze und ein gesellschaftliches Umfeld, in dem ökologische und soziale Ziele formuliert und von den Verbrauchern auch gefordert werden: „Für wirklich grundlegende Veränderungen müssen alle an einem Strang ziehen.“
Stefan Ringstorff
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