Philosophische Kolumne
Der frisch gekürten Präsidentschaftsanwärterin Kamala Harris wird gerade von ihren politischen Gegnern ein interessanter Vorwurf gemacht: Sie lache zu viel, zu laut, zu unangemessen, es sei das „Lachen einer Verrückten“, vermutet Donald Trump. Niemand, der irgendwie präsidial verlässlich oder souverän rüberkommen könne, dürfe so laut und so viel lachen.
Harris selbst hat dazu glücklicherweise wenig Selbstkritisches zu sagen. Die Anschuldigungen seien Teil der Show, die man von ihrem politischen Gegner Trump bereits kenne. Ihr sei das Lachen in die Wiege gelegt worden, so die Demokratin in einem Interview: „Ich habe das Lachen meiner Mutter. Ich bin aufgewachsen unter Frauen, die laut aus dem Bauch heraus lachen, während sie dramatische Geschichten erzählen. Ich werde nie eine Frau sein, die hinter vorgehaltener Hand kichert.“ Wie gut und wie beruhigend.
Die Art, wie die Republikaner sich derzeit auf die emotionalen Regungen ihrer politischen Kontrahentin einschießen, lässt allerdings ebenfalls auf emotionale Unruhe schließen. Sie haben offenbar Angst vor einer solch oft direkten und herzerfrischenden und dann auch noch weiblichen Erscheinung, die mit Kompetenz, Wissen und politischer Erfahrung gekoppelt durchaus bedrohlich für jemanden sein kann, der dem wenig entgegen zu setzen hat.
Und dabei spielt auch Donald Trump beständig die emotionale Karte – allerdings peitscht er sein Publikum und seine Wähler mit anderen Gefühlsregungen zu zustimmenden oder empörten Bekundungen auf, die eher auf Häme, Schadenfreude oder Misstrauen setzen. Gelacht wird also auch, aber aus anderen Gründen. Was dieser völlig veränderte Präsidentschaftswahlkampf am Ende mit den Wählerinnen und Wählern macht, wird sich zeigen. In jedem Fall tut die Veränderung dem politischen Klima gut – und dazu trägt das Lachen von Kamala Harris ganz sicher bei.
Lachen als soziale Praxis
Was aber hat es mit dem Lachen eigentlich auf sich? Warum kann es überhaupt zum Anlass für solche politischen Kontroversen werden? Dass Lachen eine wunderbare, das Leben bereichernde menschliche Regung ist, scheint also alles andere als klar. In der Philosophie ist es ebenfalls so eine Sache mit dem Lachen, es gibt durchaus humorvolle Denker wie Michel Montaigne oder den britischen Philosophen David Hume, aber eben auch absolute Gegner einer humorvollen Denkweise, wie Thomas Hobbes oder René Descartes.
Auch bei Platon spielt der Humor eine fragwürdige Rolle, würdigt er doch möglicherweise andere Menschen herab, wenn wir uns über sie lustig machen oder schadenfroh über die Fehltritte anderer lachen. Für solche persönlichen Bösartigkeiten sei das philosophische Denke ein wahrlich zu ernste und wichtige Angelegenheit.
Gibt es also Dinge oder Momente, über die wir nicht lachen dürfen, Situationen, in den das Lachen unangebracht ist? Ganz sicher gibt es die, aber das liegt eher in der Verschränkung von Ereignissen oder Äußerungen, die anders laufen als gedacht – auf moralischer, kultureller oder ganz persönlicher Ebene. Das Lachen bringt diese Unvereinbarkeiten eher zum Ausdruck. Es ist nicht das eigentliche Übel. So sieht es der Aufklärer Immanuel Kant, der dennoch eine zurückhaltende Haltung zum Lachen beibehält.
Für den Königsberger Denker ist das Lachen „ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts“. Es transformiert also eine unerwartete Situation, oder Begegnung in eine körperliche Regung. Jedem Lachen liegt eine Art Überraschung zugrunde, so Kant, eine absurde Richtungsänderung in dem, was zu erwarten war.
Darin muss allerdings keinerlei Bösartigkeit oder auch nur Schadenfreude liegen, die kantische Kritik geht in eine ganz andere Richtung. Das Lachen sei ein rein körperliches Vergnügen, das der philosophischen Arbeit nichts hinzuzufügen hätte. Dennoch, so muss auch Kant eingestehen, stärke es „das Gefühl der Lebenskraft“. Und das ist immerhin etwas.
Der Schweizer Gegenwartsphilosoph Yves Bossart bestärkt die positive Kraft des Lachens allerdings auch auf der geistigen Ebene. Er sieht im Lachen eine Form der „Distanzierung“ zu einer Welt, der wir eben nicht immer durch ernsthafte Erkenntnis begegnen können. Humor und das Lachen selbst bauen Spannungen ab, setzen Dinge und Menschen neu und anders ins Verhältnis und helfen im besten Sinne dabei, sich selbst nicht immer zum Nabel einer erkenntnisfähigen Welt zu erklären.
Bossart sieht darin so etwas wie eine philosophische Vorgehensweise: „Denken und Lachen – beides sind Strategien, mit der Welt zurande zu kommen, sie auf Distanz zu halten.“ In dieser Distanz gelingt auch ein neuer und anderer Blick auf die eigenen Meinungen und Haltungen und zwar in einem durchaus konstruktiven Sinne. Auch die Gründerin des Deutschen Instituts für Humor Eva Ullmann würde dem wohl zustimmen, wenn sie eine Art „sozialen Humor“ betont, der es uns ermöglicht, uns in der eigenen Unvollkommenheit zu verbinden. Wir schaffen Nähe und Verbundenheit, indem wir gemeinsam auch über Schwächen, Irrtümer oder Fehler lachen können – oder einfach die Dinge, die in unseren komplexen Lebensformen eine Form der Komik nicht vermeiden können, ganz egal wie krisenhaft es darin zugeht.
Keine Freundschaft ohne Humor?
Humor und das Lachenkönnen scheinen also elementar zu sein, wenn wir es mit dem Chaos der eigenen Lebendigkeit wahrhaft aufnehmen wollen. Der Schriftsteller Max Frisch geht sogar noch einen Schritt weiter. Er hat in seinem literarischen Fragebogen zur Freundschaft gefragt, ob es möglich sei, ohne eine Affinität im Humor befreundet zu sein.
Diese Verbindung von Freundschaft und Humor für sich auf den Prüfstand zu stellen und darin den Freundschaftsbegriff so weit zu fassen, dass er auch auf ein grundsätzlich freundschaftliches Verhältnis zur Welt da draußen anzuwenden sein kann, bringt uns zurück zu dem, was der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf gerade deutlich macht: Wie sehr das Lachen als soziale Praxis dafür sorgen kann, Menschen zusammenzubringen – indem die Haltung der Lachenden sich selbst mit einbezieht und dadurch so etwas wie „Freundschaft“ im Sinne eines existenziellen Wohlwollens denkbar macht?
Auch wenn daraus wohl keine persönlichen Freundschaften entstehen werden, aber immerhin hat Kamala Harris in kürzester Zeit Rekordsummen an Wahlkampfunterstützung für sich verbuchen können. Sie ist überraschend zu einer Hoffnungsträgerin geworden, die neue Möglichkeiten denkbar werden lässt. Möglichkeiten in einer Gegenwart, die krisenhafter und unsicherer kaum sein könnte –auch das kann im Lachen Ausdruck finden, und uns darin beflügeln, weiter an ernsthaften Antworten zu arbeiten.
Interessant daran ist zu beobachten, wie sehr ebendiese Haltung Menschen verunsichert, die diese Kraft für sich nicht zu nutzen imstande sind, weil sie auf Spaltung, Angst und Machtgewinn allein ausgerichtet sind. Ob sich lachend Wahlen gewinnen lassen, werden wir sehen, aber Menschen lassen sich in jedem Fall auf diese Weise gewinnen und bekanntlich lacht immer der oder die am besten, die zuletzt lacht. Wir hoffen, es ist und bleibt Kamala Harris.
Ina Schmidt, 5. August 2024
Dr. Ina Schmidt ist Buchautorin, Gründerin einer philosophischen Praxis und Referentin. Sie hat Kulturwissenschaften und Philosophie studiert. Ihre Doktorarbeit prägte ihren Wunsch, Philosophie im Alltag zu fördern. Sie hält Vorträge, Hochschulvorlesungen und Gremientätigkeiten. Ihre jüngsten Sachbücher: „Die Kraft der Verantwortung“ in der Edition Körber (2021) und „Wo bitte geht´s zum guten Leben?“ im Carlsen Verlag (2022). Ihr jüngstes Kinderbuch: “Das kleine Ich auf der Suche nach sich selbst” im Carlsen Verlag (2021).