Und wie wir Selbstwirksamkeit zurückgewinnen
Das Handy liegt immer neben uns, 24 Stunden am Tag. Das ständige und gedankenverlorene Scrollen können uns nicht nur nervös machen, sondern auch unsere Autonomie untergraben. Doch wir können etwas tun, sagt Autorin Ines Eckermann, um die Selbstwirksamkeit zurückzugewinnen. Ein paar Tricks helfen dabei.
Text: Ines Eckermann
Wenig lässt den Tag so mies beginnen, wie schlechte Nachrichten. Da die Nachrichten meistens über Krisen, Kriege und Katastrophen berichten, kann ich von früh-morgendlichem Konsum nur abraten.
Doch kürzlich fiel mir auf, dass sich genau diese ungesunde Gewohnheit heimlich in mein Leben geschlichen hat: Noch bevor ich mich morgens aus dem Bett schwinge, habe ich meine Laune längst ruiniert:
mit News und Reportagen aus verschiedenen Ländern, mit einem Blick in die Kommentare der sozialen Medien und einem Schwall von offensichtlich erlogenen KI-Inhalten.
Und während ich das Smartphone entsperre, lege ich – ohne es zu merken – meine Selbstwirksamkeit aus der Hand. In einer ständig vernetzten Welt scheint es, als hätte ich keine Wahl. Mein Bewusstsein wird in die digitale Sphäre gesogen, noch bevor ich den Tag auf meine Weise beginnen kann. Aber habe ich wirklich keine Wahl?
Rastlosigkeit und Nervosität
Doomscrolling, das rastlose Scrollen durch Nachrichtenfeeds, ist längst Teil unseres Alltags. Wir konsumieren Negativschlagzeilen in einer Endlosschleife, als wäre es unsere Pflicht, stets informiert zu sein.
Das Gehirn schenkt schlechten Nachrichten mehr Aufmerksamkeit, weil sie mögliche Gefahren signalisieren. Die Algorithmen der Plattformen verstärken diesen Effekt und ziehen uns immer tiefer in den Alarmismus. So nehmen wir immer mehr Informationen auf und fühlen uns gleichzeitig immer ohnmächtiger.
Es ist, als wären wir in einem fensterlosen Casino gefangen, in dem ständig neue Impulse auf uns einströmen und in dem wir die Zeit vergessen. Wir wischen, scrollen und konsumieren, als hätten wir keine Wahl.
Kontrolle zurückgewinnen
Das Gehirn wird gezielt manipuliert. Konzerne setzen auf „Brain Hacking“ – Mechanismen, die das Dopaminsystem ausnutzen, um uns ständig ans Smartphone zu binden. Infinite Feeds, Push-Benachrichtigungen, personalisierte Inhalte, die unsere Emotionen ansprechen – all das ist kein Zufall, sondern eine gezielte Strategie, um die Aufmerksamkeit zu binden.
Der ewige Fluss neuer Inhalte gibt uns kleine Dopamin-Kicks, die uns kurzfristig befriedigen, aber langfristig auslaugen. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit sinkt: Wenn alles so groß und bedrohlich erscheint, was kann ich dann schon tun?
Menschen verbringen, je nach Alter, bis zu drei Stunden am Tag nur mit ihrem Handy, oft unbewusst; die übriges Bildschirmzeit ist nicht mitgerechnet. Laut einer 2025 erschienenen Studie von DAK und Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg zeigen mehr als 25 Prozent aller 10- bis 17-Jährigen einen riskanten oder krankhaften Medienkonsum.
Die Gefahr, eine Sucht zu entwickeln, ist noch. Zudem werden andere Lebensbereiche vernachlässigt. Die hohe Bildschirmzeit raubt uns die Zeit und Muße, um die Aufmerksamkeit bewusst zu lenken, tiefer nachzudenken und kreativ zu sein.
Reflexe hinterfragen
Der Ausweg könnte darin liegen, die Aufmerksamkeit bewusst zu lenken. Das heißt nicht, sich der Moderne zu verweigern oder in technologischen Asketismus zu verfallen. Es bedeutet, bewusst innezuhalten.
Dazu gehört, Reflexe zu hinterfragen: Jedes Mal, wenn wir das Handy in die Hand nehmen, können wir uns fragen: Warum jetzt? Was möchte ich wirklich tun?
Auch können wir Nachrichten gezielt zu bestimmten Zeiten konsumieren, statt unbewusst in die Abhängigkeit von Eilmeldungen zu geraten.
Und vor allem: sich daran zu erinnern, dass es Alternativen gibt.
Ein Buch in die Hand zu nehmen statt das Smartphone. Einen Spaziergang zu machen ohne Podcast-Begleitung. Die Welt wahrzunehmen, ohne den Filter der Algorithmen.
Technik nutzerfreundlich gestalten
Doch es wäre zu einfach, die Verantwortung allein bei den Nutzerinnen und Nutzern zu suchen. Die digitalen Plattformen sind bewusst so gestaltet, dass sie Menschen festhalten. Deshalb ist es nicht nur eine Frage der individuellen Disziplin, sondern auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Wir müssen darüber sprechen, wie Technik gestaltet sein sollte, um uns zu unterstützen, statt auszubeuten.
Unternehmen müssen in die Verantwortung genommen werden, anstelle von Profitmaximierung die Selbstbestimmung der Nutzenden in den Mittelpunkt zu stellen. Ein ethisches Design digitaler Medien könnte helfen, bewusste Nutzung zu fördern. Doch wir sollten unseren Entscheidungsspielraum nutzen.
Möchte ich mich in den endlosen Strom digitaler Informationen fallen lassen, oder möchte ich wieder Akteur meines eigenen Denkens werden? Vielleicht beginnt es nicht mit einem radikalen Verzicht, sondern mit einem bewussten Schritt zurück – zu mir selbst.
Wege zu mehr digitaler Selbstwirksamkeit
- Bewusster Medienkonsum: Bestimme feste Zeitfenster für den Nachrichtenkonsum und schaffe „News-Free-Zonen“, besonders am Abend.
- Digital Detox und hilfreiche Tools: Nutze Apps wie „Stay Focused“ oder „Freedom“, um Nachrichten- und Social-Media-Plattformen zu bestimmten Zeiten zu blockieren.
- Dopamin-Trigger auf dem Handy abschalten: Bildschirmfarben auf Graustufen umstellen, um den Reiz greller Farben zu minimieren. Push-Nachrichten deaktivieren, bewusst Langeweile zulassen.
- Alternative Aktivitäten: Statt endlos zu scrollen, höre beruhigende Podcasts oder lies Bücher, die Wissen ohne Alarmismus vermitteln.
- Handlungsfähigkeit zurückgewinnen: Anstatt hilflos Nachrichten zu lesen, unternimm konkrete Aktionen wie Spenden, lokalen Aktivismus oder konzentriere dich auf eigene Lebensbereiche, in denen du Veränderungen bewirken kannst.