Interview mit Günter Bubbnik
Der Achtsamkeitstrainer und Schauspieler Günter Bubbnik hat viel Erfahrung darin, Achtsamkeit online authentisch zu unterrichten. Wichtig ist für ihn, auch virtuell den Kontakt zu den Menschen herzustellen und präsent zu sein. Er ermutigt Achtsamkeitslehrende, Online-Formate auszuprobieren.
Frage: Herr Bubbnik, wie funktioniert Achtsamkeit in der digitalen Welt?
Günter Bubbnik: Ich würde sagen, das funktioniert sehr gut. Ich sehe es als eine Parallelentwicklung zu der analogen Achtsamkeitswelt. Ich glaube auch nicht, dass das eine das andere verdrängen wird. Wir brauchen heute beides.
Ich habe schon 2016 meinen ersten Onlinekurs gegeben. Das war eine interessante Erfahrung. Denn ich hatte Teilnehmer aus Neuseeland, Wien, Frankfurt und München in einem Kurs. Das hat gut geklappt, bis auf die Zeitverschiebung, weil die Teilnehmerin aus Neuseeland sehr viel früher aufstehen musste als die anderen.
Im deutschen MBSR-MBCT-Verband der Achtsamkeitslehrenden haben Sie kürzlich einen Workshop zum Thema Digital Mindfulness geleitet. Wie war Ihre Erfahrung?
Bubbnik: Dass die ganze Konferenz 2020 erstmals mit über 300 Teilnehmenden online stattgefunden hat, fand ich spannend. In Hinsicht auf die Kontaktbeschränkungen mit Corona auch sehr weitsichtig, da die Planung schon vor einem halben Jahr erfolgt war. Teilnehmer, mit denen ich bisher gesprochen habe, waren begeistert.
Meinen Workshop zum Thema Digital Mindfulness habe ich einen modernen Weg zur Erleuchtung genannt, um ein wenig provokativ zu sein. Es ging darum, wie kann man Achtsamkeit online vermitteln kann, was es für Programme gibt und was man über Datenschutz wissen muss.
Worin sehen Sie in Zeiten von Corona die Vorteile der Online-Kommunikation?
Bubbnik: Zum Beispiel, dass man sich überregional einen Achtsamkeitstrainer suchen kann und die Anfahrt entfällt. Was ich höre von den Leuten: Ach, das ist super, dass ich jetzt nicht im Abendverkehr durch den Stau fahren muss.
Welche konkreten Hindernisse und Nachteile gibt es bei der Vermittlung von Achtsamkeit online aus Ihrer Sicht?
Bubbnik: Der Nachteil ist, dass der persönliche Kontakt fehlt. Den kann man auch nicht ersetzen. Es werden beide Formate parallel existieren. Und man sollte auf jeden Fall eine gute Internetverbindung haben.
Wie lässt sich Achtsamkeit ohne direkten persönlichen Kontakt online optimal vermitteln?
Bubbnik: Hier müssen wir erfinderisch sein. Ich führe zum Beispiel vor einem 8-Wochenkurs online oder per Telefon ein Vorgespräch bzw. ein Willkommensgespräch, so dass man sich gegenseitig kennenlernt und gesprochen hat, bevor man sich im virtuellen Raum trifft.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können bei mir auch schon eine Viertelstunde vor Beginn in den digitalen Raum kommen und sich zwanglos und locker unterhalten, so wie man es normalerweise im Yogastudio macht, während man sich umzieht. So einen Check-In finden alle sehr angenehm, denn sonst läuft es so mechanisch und man kennt sich nicht untereinander.
Smalltalk online
Irgendwann habe ich gemerkt, dass es für mich wichtig ist, die Mikrofone aller anzulassen. Ich habe früher alle Teilnehmenden beim Sprechen stummgeschaltet. Und dann bin ich darauf gekommen, das funktioniert so nicht, weil es nicht lebt. Keiner spricht, und wenn ich einen Witz mache, lacht niemand. Dann ist es viel schwerer, dass die Menschen überhaupt ins Sprechen kommen.
Die Break-out-Sessions, bei denen ich Kleingruppen in kleinere, einzelne virtuelle Räume schicke, wende ich sehr oft an. Hier haben die Teilnehmenden fünf Minuten Zeit, um sich über irgendein Thema zu unterhalten. Sie können über die Übungen von letzter Woche sprechen oder darüber, wie es ihnen gerade geht. Das finde ich wichtig, und die Menschen schätzen diesen Austausch und Smalltalk gerade in Zeiten von Corona sehr.
Sie unterrichten Achtsamkeit auch in Unternehmen. Welche Erfahrungen haben Sie hier mit dem Online-Unterricht gesammelt?
Gerade mit größeren Firmen ist es sehr spannend, weil man online so viele Leute in einem Raum versammeln kann. Bei meinen Präsenzveranstaltungen begrenze ich die Teilnehmerzahl auf 30 Personen, aber bei meinem digitalen Workshop auf der MBSR-Konferenz waren es 80 Leute. Auch das hat gut geklappt.
Als eine der großen Gefahren sehe ich es, dass man online von einem Meeting zum nächsten springt. Heute kann durch Homeoffice noch mehr getaktet werden als früher und ein Termin jagt den nächsten. Online inspiriere ich dazu, Selbstfürsorge zu übernehmen und bewusste Pausen zwischendurch einplanen. Und dann sind die Mitarbeiter sehr dankbar, wenn sie sich mal über ein Thema wie „Was ist Mitgefühl?“ oder „Was ist Achtsamkeit?“ oder sich über solche Dinge einfach austauschen können.
Ablenkungen vermeiden
Vielleicht noch mal zu Ihrer Rolle als Online-Dozent und Moderator. Bei der Online-Kommunikation steht der Moderator mehr im Mittelpunkt als beim Präsenzunterricht. Ist das nicht sehr anstrengend?
Für mich ist es das Wichtigste, authentisch zu bleiben. Das heißt, ich bleibe so, wie ich bin, egal, ob das Meeting jetzt online ist oder in Präsenz. Ja, es stimmt, man muss sehr konzentriert sein. Es fällt sehr auf, wenn man etwas anderes macht oder woanders hinschaut. Aber das hat man im Präsenzkurs auch. Als Lehrer muss man eigentlich immer hundert Prozent bei der Sache sein.
Wichtig ist, alle Störsignale der Teilnehmer zu vermeiden. Daher gilt: Handys aus, keine E-Mails lesen, nichts anderes zu machen währenddessen. Ablenkung geschieht ja sehr einfach. Eine Mail kommt rein, es blinkt, schon klickt man automatisch hin und es öffnet sich irgendetwas. Das ist für mich ein No-Go.
Außerdem versuche ich, mir immer, bevor meine Kurse starten, bewusst Zeit zu nehmen und nichts am Computer zu machen. Ich gehe davor eine Runde spazieren, jogge oder koche, so dass ich mit frischem Geist an diese Online-Situation rangehen kann. Das hilft mir. Sonst, wenn ich gerade aus einer Online-Konferenz komme und dann gleich weiter mache, ist mein Geist nicht so frei.
Unterstützt Sie Ihr Grundberuf als Schauspieler im Kurs als Achtsamkeitstrainer präsent zu bleiben?
Bubbnik: Ja, ich denke, das unterstützt mich in jedem Fall, egal ob im Präsenzkurs oder online. Das ist etwas, was man lernt. In meiner Schauspielausbildung habe ich gelernt, wie man auf der Bühne steht und sich damit wohlfühlt. Wenn ich im Fernsehen irgendwelche Rollen vor Millionenpublikum spiele, irgendwann gewöhnt man sich daran und findet das sehr erfüllend. Auch im Schauspielberuf muss man immer hundert Prozent präsent sein.
Ich war eigentlich eher ein schüchterner Mensch zu Beginn und durch die Schauspielerei hat sich das sehr geändert. Meine Erfahrung ist, man lernt das Unterrichten mit dem Prozess. Wenn man das erste Mal so einen Kurs gibt, dann ist man noch nervös, das ist ganz normal. Und dann macht das ein paar Mal, und dann läuft das auch von selbst, dass man wirklich dazulernt und Selbstvertrauen bekommt. Kolleginnen und Kollegen rate ich daher, nicht gleich Perfektionismus zu erwarten, sondern entspannt zu bleiben. Man wächst mit der Aufgabe.
Was sind Ihre Visionen und Ziele für die Zukunft?
Bubbnik: Ich habe viele Träume und Pläne. Ich habe eine Agentur aufgebaut zur Vermittlung von Achtsamkeitstrainern an Unternehmen. Nicht jeder möchte diese Arbeit übernehmen, dieses Connecten und Netzwerke aufbauen.
Und ich möchte meine schauspielerischen Fähigkeiten auch für die Achtsamkeit einsetzen. Das heißt, sowas wie Videos drehen. Denn ich fühle mich vor der Kamera wohl und würde das auch mit der Achtsamkeit verknüpfen und vielleicht Videokurse gestalten. Das wäre vielleicht ein nächstes Projekt.
Ich mag das Online-Format wirklich sehr gerne. Es hat auch einen Riesenvorteil als Trainer, nämlich dass ich nicht vor Ort sein muss. Ich kann reisen, ich kann zwei Wochen in Barcelona wohnen und von dort meine Kurse geben. Das ist etwas, was ich sehr schätze als Freigeist. Da sehe ich meine Zukunft.
Vielen Dank für das Interview!
Günter Bubbnik studierte Schauspiel in Wien und Lehramt für Mathe und Sport an der TU München. Derzeit arbeitet er als Schauspieler, zertifizierter MBSR-, MBCL- und TAA-Lehrer, Erlebnispädagoge (TUM Expert) und Dozent für Achtsamkeit an der Hochschule München und TU München. Online-Achtsamkeitskurse gibt er seit 2016. Seit 2018 führt er eine Agentur zur Vermittlung von Achtsamkeitstrainer*innen.
Mehr: www. 8samer.de und www.mindful-minds.com