Mark Schwettmann/ shutterstock.com
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Eine kurze Meditation

Meditation ist das Natürlichste von der Welt. Doch der Sprung vom aktiven Leben in die Stille gelingt oft nicht. Es fehlt der entscheidende Zwischenschritt: die Entspannung bei gleichzeitiger Wachheit. Die folgende Meditation kann helfen, in einen Zustand wachen Seins zu kommen.

 

 

Meditation ist en vogue, seit die Achtsamkeitswelle durch den Westen rollt. „Ich sollte mehr meditieren“, „morgens früher aufstehen“, „mal richtig abschalten“, „vielleicht im Urlaub für ein paar Tage ins Kloster gehen“, denken sich viele.

Doch nicht selten kommt etwas dazwischen. Der Sprung von einem aktiven, stressigen Leben in die Stille gelingt nicht. Es fehlt der entscheidende Zwischenschritt: die Entspannung, also die Kunst, Körper und Geist auszuruhen – und zwar im Wachzustand, ohne einzuschlafen.

Meditation ist das Natürlichste von der Welt, eine Phase wachen Seins, in der man bewusst wahrnimmt, was ist – und zwar frei von Festhalten und von Widerständen. Es ist ein Zustand geschärfter Aufmerksamkeit, in dem man den Geist nicht, wie sonst im Alltag, sich selbst überlässt, sondern ihn im Licht des Gewahrseins betrachtet.

Der Weg dorthin führt über die Entspannung. Eine Möglichkeit, sich zu entspannen, ist, die Aufmerksamkeit auf den Atem zu richten, besonders auf die Pause nach dem Ausatmen. Dazu kann die folgende Übung hilfreich sein.

Meditationsanleitung

Wir suchen uns einen ruhigen Platz, an dem wir für einige Minuten ungestört sein können. Handy und Telefon bringen wir außer Reichweite.

Wir nehmen Platz auf einem Meditationskissen oder Stuhl. Wir richten den Körper auf, der Rücken ist gerade, aber nicht steif. Wir lassen das Bewusstsein in den Körper sinken. Spüren die Stabilität unserer Haltung.

Dann nehmen wir unserem Atem bewusst wahr. Wir atmen ein und aus, ohne den Atem zu kontrollieren, zu steuern, zu beeinflussen. Atmen ist ein Geschenk des Lebens. Wir lassen das Atmen geschehen.

Nun achten wir besonders auf das Ausatmen. Im Alltag sind wir auf das Einatmen fixiert und darauf, so viele Eindrücke und Stimuli wie möglich in uns aufzunehmen. Dem Ausatmen schenken wir kaum Beachtung, es steht für Entspannen, Loslassen, den meditativen Zustand.

Wir nehmen das Ausatmen bewusst wahr. Wir atmen vollständig aus, ohne das Ausatmen künstlich zu verlängern. Meistens vollenden wir einen Atemzug nicht bewusst, sondern lassen uns durch Gedanken wegtragen.

Jetzt versuchen wir, auf die Pause nach dem Ausatmen zu achten – einen Moment der Stille, des bloßen Seins. Es gibt nichts zu tun, nichts zu denken. Wir verlängern das Ausatmen nicht künstlich, sondern nehmen es nur wahr.

Wir genießen diese Atempause, auch wenn sie noch so kurz ist. Dabei sind wir wach und entspannt.

Wir lassen den Körper dann wieder einatmen – nach seinem eigenen Rhythmus, ohne uns einzumischen.

Wenn Gedanken, Gefühle aufkommen, lassen wir sie mit dem Ausatmen los wie Wolken am Himmel.

So üben wir einige Zeit, bis Körper und Geist entspannt und erfrischt sind.

Wer diese Übung regelmäßig macht – und sei es nur für ein paar Minuten täglich – wird leichter einen Zugang zur Meditation finden. Aus dieser Haltung heraus können auch alltägliche Handlungen eine andere Nuance bekommen – weniger impulsiv, dafür gelassener und anderen gegenüber wohlwollender.

Birgit Stratmann

Birgit Stratmann hat das Netzwerk Ethik heute mitgegründet. Sie praktiziert Meditation seit 25 Jahren und hat bei verschiedenen Lehrern gelernt.

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[…] kann natürlich auch eine Sitzmeditation oder einen Bodyscan nutzen, spazieren oder joggen gehen(ohne Musikdauerberieselung), Yoga üben, […]

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