Interview mit Geschäftsführer Christian Strohmeier
Der private Radiosender egoFM hat als eines der ersten Medienunternehmen eine Gemeinwohlbilanz erstellt. Geschäftsführer Christian Strohmeier spricht im Interview über CO2-Neutralität, Mülltrennung und dass Verantwortung bei jedem Einzelnen beginnt.
Das Gespräch führte Michaela Doepke
Frage: Christian, warum nennst du euren Sender egoFM eigentlich Bio-Radio?
Strohmeier: Bio ist eindeutig und beschreibt aus meiner Sicht, dass wir einen ganzheitlichen Blick auf das Unternehmen geworfen haben, insbesondere unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten bezüglich Mitarbeitern, Lieferanten, Werbekunden und natürlich den Hörerinnen und Hörern.
Wie würdest du einer neuen Hörerin euren Sender in drei Sätzen beschreiben?
Strohmeier: egoFM ist ein intelligentes Radio- bzw. Audioformat mit einem Schwerpunkt auf Musik jenseits des musikalischen Mainstreams. Unsere Hörer sind urban geprägte Menschen, die gerne gute Musik jenseits der Charts hören, ansprechende Moderations-Inhalte, Information und Unterhaltung haben wollen.
Du hast als Geschäftsführer in eurem Radio im letzten Krisenjahr mit viel Eigenengagement die Gemeinwohlökonomie eingeführt. Was war deine Motivation?
Ich wusste, dass diese Idee zu egoFM passen würde. Ich kannte die Menschen, die dort arbeiten und wusste, dass dieses Thema auf fruchtbaren Boden fallen würde. Mir war außerdem wichtig, unsere internen Prozesse auch explizit für Menschen von außen nachvollziehbar zu machen.
Hattest du Vorbilder?
Strohmeier: Nicht im Medienbereich. Ich war vorher 20 Jahre als Geschäftsführer im sozialen Bereich tätig und habe dort in meiner letzten Anstellung auch eine Gemeinwohlbilanz für einen großen gemeinnützigen Träger von Kitas und Heilpädagogischen Tagesstätten erstellt.
Laut Bayerischer Verfassung muss jedes unternehmerische Tun der Mehrung des Gemeinwohls dienen.
Ich hatte also ein gewisses Maß an Erfahrung und mir ist die Idee der Gemeinwohl-bilanzierung für Unternehmen wirklich wichtig, denn laut Bayerischer Verfassung muss jedes unternehmerische Tun der Mehrung des Gemeinwohls dienen.
Die GWÖ zielt darauf ab, Werte statt Profit in den Mittelpunkt zu stellen. Welche Werte sind es, wenn man die Gemeinwohlökonomie einführt?
Die Werte der GWÖ sind u.a. Menschenwürde, Solidarität, Kooperation, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Mitbestimmung und Transparenz. Diese Werte stimmen sehr mit unseren Unternehmenswerten überein: Bei uns steht die Leidenschaft für Musik im Mittelpunkt, aber natürlich auch Vielfalt und Toleranz, Gleichberechtigung sowie Respekt und Kollegialität, Eigenverantwortung und Freiraum für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei uns steht also nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund, sondern ein partnerschaftliches Wirtschaften mit unseren Werbekunden.
Wie habt ihr diese Werte umgesetzt?
Strohmeier: Wir hatten im Herbst 2020 einen moderierten Strategieprozess, um unsere Unternehmensstrategie für die nächsten Jahre festzulegen. Hier wurde neben unserer Vision, unserem Glauben an eine tolerante Welt, in wir der Vielfalt eine Stimme geben, und unserer Mission auch unser Wertespektrum erfasst und gemeinsam mit unseren 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besprochen, überarbeitet und verabschiedet.
Wie war der Prozess, eine Gemeinwohlbilanz konkret durchzuführen?
Strohmeier: Nachdem ich das Thema vorgestellt hatte, haben sich spontan sechs Menschen bereit erklärt mitzumachen. Sie kamen aus allen wichtigen Bereichen wie Programm, OnAir sowie Online Redaktion, Digitale Entwicklung, Marketing und Verwaltung.
Wir haben dann anhand eines „Fragebogens der GWÖ“ die ganze Firma durchgekaut und einen Status Quo-Bericht erstellt. Das ist unsere jetzige Gemeinwohlbilanz und insbesondere der Gemeinwohlbericht, der auch auf unserer Homepage veröffentlicht ist.
Danach haben wir eine To-do-Liste erstellt, was wir verändern wollen, welche Themen wir tatsächlich angehen wollen. Wir haben z. B. die CO2-Neutralität des Unternehmens umgesetzt und arbeiten mit einer Ethikbank zusammen. Außerdem haben wir einen New Work-Prozess angeschoben. Alle MitarbeiterInnen können entscheiden, wo sie wann arbeiten wollen, sodass keine unnötigen Fahrten in ein Büro notwendig sind und eine möglichst große Work-Life-Balance gewährleistet werden kann.
Die Mitarbeiter müssen sich um ihren mitgebrachten Plastik-, Glas- und Wertstoffmüll selbst kümmern.
In der Medienbranche seid ihr demnach Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit und ökologischem Fußabdruck?
Strohmeier: Das stimmt, das macht uns auch Freude, in der Branche anders unterwegs zu sein als der Mainstream. Das machen wir schon bei der Musik und jetzt machen wir es auch bei der Unternehmensführung.
Wie setzt ihr zum Beispiel beim Thema Nachhaltigkeit die Themen Müllvermeidung, Stromeinsparung und Energieeffizienz um?
Strohmeier: Müll ist in München ein schwieriges Thema. Selbst wenn man trennt, dann kann das nicht abgeholt werden, denn es gibt nur Restmüll und Papiertonnen. Also müssen sich jetzt die Mitarbeiter um ihren mitgebrachten Plastik-, Glas- und Wertstoffmüll selbst kümmern und sind für ihren eigenen Müll selbst verantwortlich.
Wir setzen beim Thema Nachhaltigkeit auf folgende Maßnahmen: Wir sparen Strom mit LED, Arbeitsplätze werden entindividualisiert, jeder hat einen Laptop, Rechner laufen nicht dauerhaft, außerdem haben wir stromsparende neue Server besorgt. Unser Sendestudio ist auf dem allerneuesten technischen Stand und verschlingt deutlich weniger Energie und Ressourcen als das früher nötig war.
Welche Hürden und Hindernisse gab es bei der Einführung? Gab es Gegenwind von der Belegschaft?
Strohmeier: Bei Mitarbeitern und dem Hauptgesellschafter habe ich offene Türen eingerannt. Auch unsere Werbekunden fanden die Thematik sehr interessant und wir finden immer neue Unternehmenspartner, die auch in diese Richtung denken.
Der GWÖ-Fragebogen war für uns an vielen Stellen eine Hürde, denn der ist für Produktionsunternehmen entwickelt und wir produzieren ja in erster Linie Information. Manchmal musste man übersetzen, was gemeint ist.
Wir bekennen als Medienunternehmen Farbe.
Ich habe gelesen, ihr wollt euch vom Radio zum „Audioanbieter“ verändern. Wie werden die Hörerinnen und Hörer in eurem Gestaltungsprozess einbezogen?
Strohmeier: Audioanbieter heißt, dass wir nicht nur on Air, sondern auch immer mehr „on Line“ funken via Internetseite, App und Social Media. Es gibt also einen direkten Rückkanal, und wir nehmen die Kommentare unserer Hörer sehr ernst.
Wir sind auch nicht mit erhobenem Zeigefinger unterwegs, sondern machen z.B. mit Blogs auf interessante Themen im Nachhaltigkeitsbereich aufmerksam, auch und gerade gemeinsam mit Werbekunden. Hauptaugenmerk bleibt aber auf unserem Musikangebot, das ist ganz klar.
Was ist deine Zukunftsvision für euren Sender? Beansprucht ihr eine Vorbildfunktion in der Medienbranche?
Strohmeier: Als Medienunternehmen haben wir eine ganz besondere gesellschaftliche Verantwortung, weil wir eine große Reichweite haben und jeden Tag bis zu 230 000 Menschen, am Wochenende sogar bis zu 300 000 Hörern erreichen.
Diese Verantwortung wollen wir wirklich ernst nehmen und das auch für alle Interessierten nachvollziehbar machen. Deswegen haben wir eine Gemeinwohlbilanz, sodass Menschen nachschauen können, was unsere Werte sind und wie wir als Unternehmen arbeiten.
Also ihr seid transparent auch nach außen hin?
Strohmeier: Wir sind an der Stelle total transparent. Gerade in Zeiten von Hate Speech, Fake News und „alternative facts“ ist es wichtig, dass man als Medienunternehmen deutlich Farbe bekennt, deutlich Haltung zeigt und hier einen Weg einschlägt, der einfach anständig ist.
Die Menschen wollen nicht manipuliert werden, sie wollen unterhalten und informiert werden. Das gilt es glaubhaft darzustellen und in der Branche damit eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Christian Strohmeier, Geschäftsführer des Radiosenders egoFM mit Sitz in München. Das innovative Medienunternehmen erreicht deutschlandweit pro Tag bis zu 300.000 Hörer. Mehr zum Gemeinwohlbericht: https://www.egofm.de/blog/arbeit/ego-goes-eco-gemeinwohlbericht
egoFM: https://www.egofm.de/