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Datenschutz Made in Germany

C. Spitz
C. Spitz

Ein Start-up will Whatsapp Konkurrenz machen

Ein Start-up in Hamburg arbeitet an der App Bundle, die Whatsapp Konkurrenz machen will: Digital vernetzt sein und gleichzeitig die Privatsphäre sichern. Der Erfolg wird auch davon abhängen, ob User erkennen, dass es im Netz nichts umsonst gibt und hohe Standards im Datenschutz etwas kosten.

 

Ein Start-up wie aus dem Bilderbuch: Julius Halm, 27, und Thede Smidt, 28, haben mich in ihre „Start-up-WG“, wie sie ihr Projekt nennen, eingeladen. Das bedeutet: leben und arbeiten auf engstem Raum. Das Kernteam aus vier Leuten bewohnt eine Vierzimmerwohnung in einem grünen Hamburger Stadtteil.

Jeder hat ein Zimmer, spartanisch eingerichtet mit Schreibtisch und Bett. Im „Wohnzimmer“, dem Meetingraum, gibt es nicht nur einen großen Tisch, Sideboard und Flipchart, sondern ein weiteres Bett – für den Social Media-Manager, der sich alle zwei Wochen für ein paar Tage einklinkt.

Das Team arbeitet an der App Bundle, die nichts Geringeres im Sinn hat, als Whatsapp Konkurrenz zu machen: eine einfach zu bedienende Kommunikations-Plattform, die Chat, Sprachnachrichten, Terminkalender, Aufgabenlisten, Archive für Fotos und Texte miteinander verbindet und höchste Datenschutzstandards beachtet: „Datenschutz Made in Germany“, wie sie es nennen.

Die Idee dafür, berichtet Smidt, entstand im Familienkreis. Damit alle, die in der Weltgeschichte verstreut sind, in Kontakt bleiben und Familienzeit planen können, wollte man ein „digitales Wohnzimmer“ schaffen. Das Ganze sollte so einfach zu bedienen sein, dass auch Mutter und Vater, die noch nie etwas von Dropbox und Instagram gehört haben, Spaß dabei hätten.

„Man hat ein mulmiges Gefühl mit Facebook und Co.“, sagt Halm nachdenklich. „Hier werden massenhaft Daten analysiert und User-Profile erstellt, um personalisierte Werbung zu verschicken. Die Kunden sind die Firmen und nicht die User von Facebook – das sollte sich jeder klar machen.“ Bei Bundle geht es darum, die Technologie selbstbestimmt zu nutzen, die eigene Privatsphäre zu schützen und trotzdem alle Vorteile der digitalen Vernetzung zu genießen.

Denn, so ist Smidt überzeugt, „wir können beides haben: vernetzt sein, ohne persönliche Daten in fremde Hände zu geben“. Das zu schaffen, dafür haben Smidt und Halm gemeinsam mit ihrem Kollegen Bertram Neite, ihr Start-up gegründet. Bei ihnen dreht sich alles um die Bedürfnisse des Users, dieser ist ihr eigentlicher Kunde.

„Wir hatten schlaflose Nächte“

Wie nun kann die Idee in die Welt gebracht werden? Halm hat seinen Bachelor als Wirtschaftsingenieur gemacht, Smidt einen Abschluss im International Business and Management. Sie sind seit der Schulzeit eng befreundet. Etwas gemeinsam zu unternehmen hat sie gereizt.

Da sie weder über ausreichendes Kapital noch über IT-Erfahrung verfügten, suchten sie sich Mitstreiter: einige Programmierer und IT-Spezialisten sowie drei gestandene Manager, die sich mit ihnen zusammen als Gesellschafter mit Kapital und Know-how beteiligten.

Mit 100.000 Euro Startkapital, das alle fünf einbrachten, ist die App-Entwicklung gestartet. Doch das reichte bei Weitem nicht. Die Kosten, gerade für die IT-Entwicklung, stiegen immer weiter. Fünf Entwickler haben Vollzeit gearbeitet. Insgesamt kamen 2.000 Personen-Arbeitstage zusammen. In den ersten zweieinhalb Jahren musste das junge Unternehmen 680.000 Euro investieren.

Julius Halm ist Mitgründer von Bundle, Foto: Spitz

„Wir hatten schlaflose Nächte“, bekennt Julius Halm. Denn IT-Entwicklung ist eine kostspielige Angelegenheit. Die Kostenexplosion hat das junge Team enorm unter Druck gesetzt, aber auch die Klarheit und Entschlossenheit gestärkt: „Man darf sich nicht lähmen lassen“, so Halm, „und braucht ein gesundes Selbstbewusstsein. Man muss sich trauen, Entscheidungen zu treffen, aber auch zu revidieren, wenn es nicht funktioniert.“

Agiles Management und gemeinsames Entscheiden

„Agiles Management“, so nennt man ihren Ansatz im Fachjargon. Während nach der alten Unternehmensschule langfristige Pläne gemacht und verfolgt werden, arbeitet man beim agilen Organisationsmodell flexibel und initiativ. Bundle plant nur drei Wochen im Voraus, danach wird geschaut und entschieden, welche Schritte sinnvoll sind. Der Vorteil ist, dass man schneller reagieren kann, der Nachteil, dass man manchmal Wichtiges übersieht und permanent nachjustieren muss.

Das agile Management funktioniert nur mit einer offenen Diskussionskultur. „Egospiele kann man bei dieser Arbeitsweise nicht gebrauchen“, weiß Smidt. „Bei uns zählen Fakten und Argumente, nicht Macht, Rechthaberei und Befindlichkeiten.“

Die Diskussionen um den besten Weg sind zwar manchmal hitzig, aber die Teammitglieder bleiben im Dialog. Da es keine Hierarchie gibt, werden Entscheidungen gemeinsam gefällt – je nachdem, wer die besten Argumente hat. Jeder nimmt sich zurück, gleichzeitig kann jeder mit einer guten Idee die Arbeit vorantreiben.

So steht Bundle auch für eine neue Art, ein kleines Unternehmen zu organisieren: auf der Basis von Vertrauen, Offenheit und Gleichberechtigung. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass alle gleich viele Geschäftsanteile haben und gleich viel verdienen. Damit ist auch die Verantwortung auf alle Schultern verteilt.

Gut scheitern ist ein Schlüssel zum Erfolg

Doch ein Unternehmen zu gründen ist kein Zuckerschlecken. In zweieinhalb Jahren hat Bundle noch kein Geld verdient, nur ausgegeben und investiert. Das wird, so schätzt Smidt, auch noch ein paar Jahre so weitergehen, bevor sich für die Gesellschafter das Investment rentiert. Denn in der digitalen Welt ein Unternehmen gewinnbringend aufzubauen benötigt viel Zeit und Mühe. Das eigentliche Ziel, schon 2016 mit der App an den Start zu gehen, haben sie um ein sattes Jahr verfehlt. Das ursprüngliche Konzept war zu groß angelegt und musste komplett überarbeitet werden.

Ein Schlüssel zum Erfolg, da sind sich Halm und Smidt einig, ist es, gut zu scheitern. Man dürfe nicht stur an Plänen und Konzepten festhalten und sich nicht von Selbstgefälligkeit und falscher Hoffnung leiten lassen. Man brauche den Mut, Dinge zu verwerfen und noch mal ganz anders zu machen.

Thede Smidt hat Bundle mitgegründet. Foto: Spitz

Ein weiterer Erfolgsgarant ist der offene Umgang mit Fehlern. „Wir haben unglaublich viel falsch gemacht“, bekennt Smidt freimütig. „Doch Fehler zu machen ist nicht das Problem. Fehler nicht einzugestehen, das kann einem das Genick brechen, weil man dann ja nichts ändert.“ Fehler und Zweifel werden im Kreis der Gesellschafter oder des Kernteams offen angesprochen. Dies ist auch deshalb möglich, weil das Vertrauen ineinander mit der Zeit gewachsen ist.

So ist das Unternehmen Bundle für die beiden Gründer auch eine Schule für ihre Persönlichkeitsentwicklung. „Wir haben uns beide auch persönlich weiterentwickelt – einfach durch die vielen Herausforderungen und den reflektierten Umgang damit“, so Halm.

Aus diesem Grund kann es auch kein Scheitern geben – da sind sich beide einig. „Egal, welchen Weg unsere Selbstständigkeit nimmt“, so sieht es Halm, „haben wir die beste und lehrreichste Zeit unseres Lebens. Wir lernen hier so viel, das ist mit Geld nicht aufzuwiegen.“

Aktivitäten im Web sind nicht umsonst zu haben

Aber natürlich soll sich die Firma irgendwann rentieren. Daher denkt Smidt überhaupt nicht ans Scheitern. Er hat keinen Plan B, sondern arbeitet hart für den Erfolg, meistens 12 Stunden täglich. „Ich grüble nicht, sondern setze mich mit dem auseinander, was jetzt geschieht. Mit Unsicherheit und Ungewissheit kann ich gut leben.“

Und letztlich geht es beiden ja auch um eine gute Sache. Ihr Anliegen ist es, den Datenschutz in Deutschland zu stärken. Die zentrale Frage ist für sie: Nach welchem Werten wollen wir die digitale Welt gestalten? Der Datenschutz, so ihre Vision, sollte ein Standard in Unternehmen werden wie Buchhaltung und Steuererklärung.

Was den einzelnen User angeht, so hoffen sie, dass sich ein mündiger Umgang mit der digitalen Technologie entwickelt. Jeder sollte sich kundig machen und selbst entscheiden, welche Daten er preisgeben und verkaufen will und wo er eine Grenze setzt.

Tatsache ist: Aktivitäten im Worldwide Web sind nicht umsonst zu haben, irgendjemand muss dafür zahlen – ob für Google-Suche, Social Media-Plattformen, Inhalte oder Clouds. „Wenn wir nicht mit Geld zahlen, müssen wir mit unseren persönlichen Daten zahlen“, gibt Halm zu bedenken. „Wir sollten die Mentalität, alles umsonst haben zu wollen, überdenken.“

Das ist auch die Idee von bundle. Die Grundfunktionen der App sind kostenlos. Wer bundle umfangreicher nutzen will, zahlt nur für den verbrauchten Cloud-Speicherplatz. Im Gegenzug bietet die App einen strengen Datenschutz. Persönliche Daten werden nicht verkauft und nicht für Werbezwecke genutzt. Alles ist auf Hochsicherheitsservern in Deutschland gespeichert.

Dass Whatsapp angekündigt hat, in seinem Messenger-Dienst ab 2019 Werbung zu schalten, lässt Halm und Smidt schmunzeln. Wer will schon mit Werbung belästigt werden, wenn er mit Freunden kommuniziert? Mit bundle sind sie ihrer Zeit voraus. Der Durchbruch könnte kommen, je mehr User genervt sind von Datenklau und Werbung und je schneller sich alle daran gewöhnen, für digitale Dienstleistungen zu zahlen.

Birgit Stratmann

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