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Die Führungskraft als Coach

OPOLJA/ shutterstock.com
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Gastbeitrag des Unternehmers Ernst Holzmann

Ernst Holzmann war neben seinem Beruf viele Jahre Fußballtrainer. Das erworbene Wissen „auf dem Platz“ hat ihm geholfen, insbesondere in der Arbeit mit Teams. Hier setzt er auf Koordination und Kooperation statt Kontrolle und Überwachung. Nur wer wertschätzend führt, kann Spitzenkräfte auf Dauer halten.

 

 

Am meisten für meine späteren Aufgaben als Führungskraft in Unternehmen habe ich in meiner ersten Station als Fußballtrainer auf dem „Platz“ gelernt. Blutjung, hoch motiviert und mit der DFB-Lizenz in der Tasche, übernahm ich die Mannschaft, bei der ich vorher noch Spieler war. Stellte die Mannschaft streng nach Trainingsbeteiligung und körperlicher Fitness (Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer) auf, so wie es in allen Lehrbüchern steht. Und stieg am Ende der Saison sang- und klanglos ab.

Denn die erfahrenen, älteren Spieler konnten aus beruflichen Gründen nicht mehr so oft trainieren und waren nicht mehr auf dem Zenit ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit. Deshalb machte ich den großen Fehler, sie nicht aufzustellen. Dafür ließ ich ausschließlich junge, talentierte Spieler auflaufen. Diese konnten zwar schnell und ausdauernd rennen, waren aber schwierigen Situationen nicht gewachsen. Oft verloren sie immer dann, wenn das Spiel auf der Kippe stand, die Nerven und gaben in den letzten Minuten den sicheren Sieg aus der Hand.

Nach dieser Chaos-Saison besorgte ich mir alle Bücher, die irgendetwas mit „Führung“ zu tun hatten und holte mir den Rat von erfahrenen Trainern ein, die alles schon einmal erlebt hatten. So fing ich an zu verstehen, wie man aus talentierten, motivierten aber unerfahrenen „Rohdiamanten“ mit viel Geduld und Sachverstand ein erfolgreiches Team formen kann. Aber auch, warum alte „Hasen“ für den Erfolg unverzichtbar sind. Und wie diese Leistungsträger geführt und wo sie eingesetzt werden müssen, damit das Team ihr wertvolles Wissen und ihre Erfahrung nicht verliert.

Die Lehren, die ich aus der Trainer-Arbeit zog, gelten allgemein im beruflichen Umfeld, und ich möchte sie an dieser Stelle weitergeben.

Spielraum für Potentiale

„Geben Sie Ihren Mitarbeitern genau die Arbeit, bei der sie ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen können. Lassen Sie ihnen dabei alle notwendigen Informationen zukommen und erläutern ihnen klipp und klar, was es zu erreichen gibt. Und dann – lassen Sie sie in Ruhe!“

Diese Empfehlung von Robert Waterman, einem amerikanischen Unternehmensberater, ist sehr hilfreich. Die klare Zuordnung von Aufgaben und Verantwortungen auf Basis der Stärken der einzelnen Mitarbeiter gibt speziell jungen Talenten Sicherheit und den benötigten Spielraum zum Entfalten ihres Potentials.

Vom „Einfachen zum Schwierigen“ heißt hier die Devise. Man sollte den Leistungsstand der Teammitglieder überprüfen und bei Bedarf (z.B. bei neuen, anspruchsvollen Herausforderungen) entsprechende Hilfestellungen und/oder Trainings anbieten. Und dann: Üben lassen und testen, ob sie den zugeteilten Aufgaben und Erwartungen gewachsen sind.

Die Führungskraft ist bei dieser Zusammenarbeit mehr als Coach und weniger als Vorgesetzter alter Prägung gefragt. Dabei sind das Schaffen von optimalen Arbeits-/Umgebungsbedingen, das Bereitstellen von benötigten Ressourcen und das Definieren von Schnittstellen zwischen einzelnen Mitarbeitern und Teams viel entscheidender, als das Erteilen von Anweisungen und deren Überwachung. Anders ausgedrückt: Lieber mehr koordinieren, kooperieren und kommunizieren. Und weniger kommandieren, kontrollieren und korrigieren.

„Neue Besen kehren gut. Aber die alten kennen die Ecken“.

Dies wusste schon der deutsche Unternehmer Klaus Steilmann. Damit die Arbeit Spaß macht und Erfolge bringt, ist auch die entsprechende Mischung entscheidend. Routiniers, die „im Schlaf“ ihr Handwerk verstehen und auch in kritischen Situationen kühlen Kopf bewahren, bilden das Rückgrat jedes erfolgreichen Teams. Auch weil diese Älteren selber schon viele kritische Situationen gemeistert und die Auswirkungen eigener Fehler am eigenen Leib gespürt haben.

Jeder schlaue Trainer weiß ja, dass ein „Mittelstürmer“ nicht bis zum Ende seiner Karriere einem jüngeren Gegenspieler weglaufen kann. Aber dieser Mittelstürmer kennt nicht nur die Abkürzungen zu einem Ziel, sondern kann oft auf einer anderen Position sein wertvolles Wissen und seine Erfahrungen für das Team und seine jüngeren Mitspieler einbringen.

„Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man jeden Tag daran zieht”

Ohne experimentierfreudige „Youngsters“, die neue und innovative Methoden einbringen, verharrt ein Team oft im Gewohnten und versandet im Mittelmaß. Für die Unternehmen bedeutet dies ganz besonders, dass neben dem Halten von Leistungsträgern die Suche nach Talenten immer wichtiger wird. Und dies ist angesichts des demographischen Wandels gar nicht so einfach.

Wenn man die Talente gefunden hat, gilt es, diese zu halten. Hier spielen eine empathische und wertschätzende Führung genauso eine Rolle, wie das Gewähren von Freiräumen und Geduld im Umgang mit ihnen. Kluge Führungskräfte kennen das Chinesischen Sprichwort, „dass das Gras nicht schneller wächst, auch, wenn man jeden Tag daran zieht“. Und sie wissen, dass junge Menschen zwar gefordert werden wollen, aber dass man sie bei Bedarf auch schützen und stützen muss, gerade nach Misserfolgen.

Das erreichte Ergebnis sollte sorgsam analysiert und Fehler sachlich und vertraulich angesprochen werden. Das Aufzeigen von Wegen zu Verbesserungen gehört dabei genauso dazu, wie das Einräumen von Chancen zur erneuten Bewährung, zum Hinzulernen und zum Sammeln von neuen Erfahrungen. So, wie es auch Hans Merkle (legendärer Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH) einmal treffend ausgedrückt hat, „dass man Führungskräfte eben nicht innerhalb von neun Monaten bekommt“.

Einen anderen Weg als den beschriebenen gibt es nicht, gerade wenn es darum geht, hoch talentierte und ausgebildete Nachwuchskräfte im eigenen Team zu halten und nicht an den Wettbewerb zu verlieren. Langfristig werden sich diese Geduld und das eingesetzte Vertrauen aber im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen. Durch größeres Verantwortungsbewusstsein, größeren Einsatz und schlußendlich durch den sich einsetzenden Erfolg für alle Beteiligten.

Die gesunde Mischung scheint tatsächlich das Geheimnis für den Erfolg eines Unternehmens zu sein. Mit erfahrenen Älteren, jungen Wilden, Experten und Querdenkern, introvertierten und emotionalen Typen. Aber am Schluß entscheidet dann nach meinen Erfahrungen oft nicht die Aufstellung, sondern mehr die Einstellung. Oder wie es Fußball-Legende Pele sagen würde: „Erfolg ist kein Zufall. Er kommt zu uns durch harte Arbeit, Ausdauer, Lernen, Aufopferung und vor allem Liebe zu dem, was wir tun, oder lernen!“

Die nächste Saison sind wir mit unserer Mannschaft übrigens mit großem Vorsprung aufgestiegen und dann sofort wieder Meister geworden. Schaden scheint doch „klug“ zu machen. Vorausgesetzt, man sucht den Fehler nicht bei anderen.

Ernst HolzmannErnst Holzmann ist freiberuflicher Dozent und Referent bei Unternehmensveranstaltungen. Dabei verbindet er seine 30-jährige Führungserfahrung in der Wirtschaft mit denen aus seiner zweiten Leidenschaft, dem Fußball. www.ernstholzmann.com

Er betreibt auch einen Blog

 

 

 

 

 

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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Sehr geehrter Herr Holzmann,

vielen Dank für ihren Beitrag. Ich bin ganz ihrer Meinung.
Jeder Mensch/Mitarbeiter will wachsen und lernen, wenn die wertschätzenden Strukturen stimmen, kann die Liebe zu dem was wir tun – weiterhin gedeihen und Arbeit ist dann nicht notwendiger “Broterwerb”, sondern eine sinnstiftende Tätigkeit sich – aktiv – in unsere Gesellschaft einzubringen.

Mit den besten Grüßen
Ute Herrmann

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