Frieden finden durch Dialog
Erst wenn wir Zugang zu unseren eigenen Gefühlen haben, können wir uns für andere öffnen. Das Compassionate Listening, das Einfühlsame Zuhören, setzt genau hier an. Es ermöglicht, sich für Verwundungen im eigenen Herzen zu öffnen und im Dialog auf andere zuzugehen. So kann der Funke der Empathie gezündet werden, auch in Konflikten.
Wir kennen es alle, das kränkende Gefühl, nicht gehört zu werden. Anstatt verstanden zu werden, haben wir ein Gegenüber, das analysiert, interpretiert, beurteilt, unterbricht oder uns mit guten Ratschlägen überschüttet. Oft mussten wir bereits als Kind die Erfahrung machen, dass unsere Gefühle und Gedanken kein Gehör fanden.
Dabei tragen wir doch alle die Sehnsucht in uns, gehört und verstanden zu werden. Und wir können uns gegenseitig kein größeres Geschenk machen als einander vorbehaltslos, offen und einfühlsam zuzuhören. Wie das geht? Bereits der Goründer des Benediktinerordens Benedikt von Nursia wusste im 6. Jahrhundert hierfür das Patentrezept: „Schweige und höre. Neige deines Herzens Ohr. Suche den Frieden.”
Auch die Methode des „Compassionate Listening“, zu deutsch: „Einfühlsam Zuhören“ gründet im Herzen. Sie zeigt auf, wie wir uns einen behutsamen Weg zu der ursprünglichen Zartheit und Offenheit und damit zum Mitgefühl des Herzens bahnen können.
Denn seien wir ehrlich: Oft haben wir keinen rechten Zugang zu unseren Gefühlen. Wir verbarrikadieren unser Herz, um uns vor Verletzungen zu schützen. Wir schweigen anstatt uns mitzuteilen, wir grollen anstatt zu weinen, wir zürnen anstatt zu verzeihen. All das trägt zur Verhärtung unseres Herzens bei. Und führt dazu, dass wir schließlich weder den eigenen Schmerz noch den der anderen spüren können.
Heilung durch Dialog
Genau hier setzt das einfühlsame Zuhören an, das in Kursen geübt werden kann. Sich selbst als verletzlich zu erfahren und festzustellen, dass wir damit nicht alleine sind. Dass andere Menschen die Wut, den Schmerz, den Groll und die Scham, die wir in unserem Herzen vorfinden, ebenso kennen. Und dass es leichter wird, wenn wir darüber sprechen, uns einander anvertrauen, uns einfühlsam zuhören. Und sich dabei mit Selbstmitgefühl zur Seite zu stehen.
Dann können wir erkennen: Wenn wir mit dem Teil in uns in Kontakt kommen, der leidet, können wir auch den Schmerz der anderen auf einer tieferen Ebene verstehen. Es ist die Offenheit und Verletzlichkeit der Herzen, die Gemeinsamkeit und Verbundenheit möglich macht.
Dies ist ein Weg, um die Welt durch Dialog zu heilen. Davon ist die international tätige Friedensaktivistin Gene Kudsen Hoffman überzeugt, die die Methode des einfühlsamen Zuhörens entwickelte.
Der Grund für jeden Konflikt, davon ist Hoffman überzeugt, liegt darin, dass alle beteiligten Parteien verwundet sind und gehört werden wollen: „Behind every act of violence, is an unhealed wound.“ (Hinter jedem Akt der Gewalt gibt es eine nicht verheilte Wunde.) Es ist also das gemeinsame Leid, das alle Konfliktpartner eint.
Leiden verbindet uns
Die Amerikanerin Andrea Cohen lehrt die Methode des „Einfühlsamen Zuhörens“ weltweit. Seit vielen Jahren geht sie in die Krisenherde dieser Welt. An Orte, an denen Wut, Verbitterung und Hass regieren. Wo die Bereitschaft, einander zuzuhören, schon lange aufgekündigt wurde. Um das Gemeinsame hinter all dem Trennenden zu fördern.
Die Kommunikationstrainerin bringt Juden und Palästinenser, Chinesen und Tibeter, Russen und Ukrainer zusammen. Um durch einfühlsames Zuhören und Sprechen das erfahrbar zu machen, was sie Menschen über alle Konflikte, divergierenden Meinungen und polarisierenden Urteile hinweg miteinander verbindet: das Leid und die geteilte Menschlichkeit.
So kann es durch Dialog gelingen, den Menschen hinter dem Feind, dem Besatzer und Unterdrücker zu erkennen. So können die verwundeten Herzen hinter der Wut und der Aggression sichtbar werden. Und nur so kann Verständnis wachsen und der Funke der Empathie gezündet werden.
Andrea Cohen ist überzeugt: Jeder von uns kann in seinem Alltag Friedensräume schaffen und zum Friedensstifter werden. Indem wir den Krieg stoppen, der in unserem verwundeten Herzen beginnt. Indem wir zwischenmenschliche Räume frei von Angst und Verurteilung schaffen. Indem wir einander einfühlsam zuhören und das Vertrauen stärken. So können wir konfliktreiche Energien in der eigenen Familie, im sozialen Umfeld, am Arbeitsplatz umwandeln und zum Frieden in der Welt beitragen.
Christa Spannbauer
Die fünf wichtigsten Schritte für eine friedvolle Kommunikation im Alltag:
Übe dich in Mitgefühl: Den anderen und seine Erfahrungen würdigen und uns in der Bereitschaft üben zu vergeben.
Trainiere den fairen Beobachter: Wahrnehmen statt urteilen, Achtsam sein im Umgang mit sich selbst und anderen. Dazu gehört die Bereitschaft, sich selbst besser kennenzulernen, Vorurteile und polarisierendes Denken aufzulösen.
Zeige Respekt für andere und dich selbst: Dies beinhaltet, Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen zu setzen und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen.
Höre mit dem Herzen: Indem wir uns dem anderen empathisch und mit ganzem Interesse zuwenden, auf das Gute in ihm blicken und uns auf die gemeinsame Menschlichkeit richten.
Sprich mit dem Herzen: Die eigenen Verwundungen und Verletzungen offenlegen und zur Wahrheit des Herzens finden.
nach Andrea Cohen (englisch)
Mehr Infos zu Compassionate Listening (englisch)