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Ethik gehört in die Krankenpflege

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Stationsleiter Andreas Willenborg über ethische Kompetenz in der Pflege

Immer mehr technische Möglichkeiten, wenig Zeit und finanzieller Druck sind in Krankenhäusern weit verbreitet. Andreas Willenborg, Stationsleiter einer Intensivstation, setzt sich dafür ein, dass ethische Belange stärker berücksichtigt werden, um dem Wohl der Patienten zu dienen.
Seit mehreren Jahren bin ich Mitglied der Akademie für Ethik in der Medizin. Als Stationsleitung der Intensivstation eines Krankenhauses sehe ich die Notwendigkeit, das Thema Ethik im Krankenhausalltag stärker zu berücksichtigen. Hier insbesondere die ethische Betrachtung des einzelnen Falles auf der Station. Deshalb habe ich vor einigen Jahren auch den Fernlehrgang zum Berater für Ethik im Gesundheitswesen absolviert und am Curriculum der Ethikberatung im Krankenhaus des ZfG Hannover teilgenommen.
Mir ist es wichtig, neben dem nach wie vor unentbehrlichem „Bauchgefühl“ und einer Intuition für problematische Situationen auch mit einem gewissen ethisch-theoretischem Hintergrund die Patientensituation zu betrachten, zu analysieren und später auch argumentierend bewerten zu können. Gerade in der Krankenpflege ist eine gute Argumentation in schwierigen Situationen erforderlich, um überzeugend und selbstbewusst am Gespräch mit und um den Patienten mitwirken zu können.
Dabei ist eines meiner Ziele auch die verstärkte Wahrnehmung und der respektvollere Umgang mit der Berufsgruppe der Pflegenden, insbesondere im Hinblick auf ethische Fragestellungen, z.B. bei Änderung des Therapiezieles, Umgang mit Patientenverfügungen, Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillen. Besonders die Mitarbeiter der Pflege sind es, die aufgrund der intensiven Betreuung von Patienten und ihrer Qualifikation einen umfassenden Blick haben. Sie kennen auch die Persönlichkeit des Patienten, seine Angehörigen und sein Umfeld.

Pflegekräfte als Sprachrohr der Angehörigen

Gerade in Grenzsituationen zwischen Leben und Sterben, ausufernder Therapie oder der Frage nach noch möglichen und sinnvollen Maßnahmen müssen wir Pflegenden mehr Mitsprache einfordern. Die Akzeptanz und Einforderung der pflegerischen Sichtweise ist auch ein Beitrag zur gegenseitigen Wertschätzung innerhalb des Behandlungsteams.
Die Position der Pflegenden als Fürsprecher der Patienten halte ich ebenfalls für elementar. Gerade auf einer Intensivstation, wo sich viele Patienten nicht mehr äußern können und die Angehörigen häufig ohnmächtig daneben stehen, sind die Pflegenden gefordert, sich professionell für die Belange im Sinne des Patienten einzusetzen.
In meiner Position als Stationsleiter möchte ich gerade in Bezug auf die ethische Reflexion des eigenen Handelns eine Vorreiter- und Vorbildfunktion einnehmen und die Mitarbeiter zur verstärkten Einflussnahme auffordern, an der medizinisch-pflegerischen Versorgung und Behandlung des Patienten und der notwendigen Entscheidungsfindung für Therapien mitzuwirken.
Dennoch wird die Situation im Krankenhaus auf den Stationen immer schwieriger. Mehr medizinische Möglichkeiten und der finanzielle Druck lassen auch immer mehr fragwürdige und komplexe Entscheidungen zu. Allerdings rückt aufgrund der hohen Leistungsdichte die Zeit für geplante Gespräche mit/ über den Patienten verstärkt in den Hintergrund.
Sehr häufig fehlt die Zeit für gemeinsame Visiten, Angehörigen-Gespräche und ethische Fallbesprechungen. Doch gerade daraus entstehen viele Probleme. Wenn gemeinsame Besprechungen zwischen Ärzten und Pflegenden (und Patient/ Angehörigen) fehlen, sind Entscheidungen und Maßnahmen häufig nicht nachvollziehbar und gemeinsam vertretbar.
Erst durch strukturierte Gespräche mit allen Beteiligten können gemeinsame Ziele verfolgt und umgesetzt werden. Die Beteiligung der pflegenden Mitarbeiter an diesen wichtigen Gesprächen führt zu einer deutlich besseren Arbeitszufriedenheit, stärkt das „Teamempfinden“ und insbesondere die Mitverantwortung für die Versorgung und Behandlung des Patienten, ohne dem verantwortlichen Arzt die Verantwortung zu nehmen.
So können lebenswichtige Entscheidungen auf eine breitere Basis gestellt werden, was zu einer Entlastung des Hauptverantwortlichen führen kann. Schwierige Entscheidungen lassen sich besser nachvollziehen und durch das gesamte Behandlungsteam mittragen.
Durch den regelmäßigen Bezug der Mitgliederzeitschrift „Ethik in der Medizin“ kann ich mich über aktuelle ethische Probleme und Themen informieren. Die dargestellten Fälle und Kommentare helfen auch im eigenen Umgang mit der Betrachtung und Bewertung ähnlicher — aber auch völlig anders gelagerter —Situationen.
Neben der eigentlichen Tätigkeit im Krankenhaus führe ich im Rahmen von Veranstaltungen medizinische Laien wie z.B. Familienangehörige oder verschiedene Gruppen (z.B. Selbsthilfegruppen) an ethische Themen heran. Insbesondere in Bezug auf Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ist eine gute Information der Öffentlichkeit unerlässlich.
Betrachten wir die Entwicklungen im Gesundheitswesen und die demographischen Entwicklung wünsche ich mir, dass die ethische Betrachtungsweise des Einzelnen wie auch der Gesellschaft immer wieder in das Gedächtnis der verschiedenen Berufsgruppen vorrückt und zur Normalität wird. Dazu zähle ich alle im Gesundheitswesen Tätigen und die Verantwortlichen in der Politik.
Mit freundlicher Genehmigung der Akademie für Ethik in der Medizin
willenborg-6648 CDAndreas Willenborg arbeitet am Klinikum Oldenburg als leitende Pflegefachkraft auf der Inneren Intensivstation. Er ist stellvertretender Vorsitzender im Ethikkomitee und hat das Zertifikat zum “Trainer für Ethikberatung im Gesundheitswesen (AEM)” erworben.

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