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Wie begegnen wir Menschen mit radikalen Positionen?

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Demonstration der Partei “Die Rechte” 2015 in München. |
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Ethische Alltagsfragen

In unserer neuen Rubrik “Ethische Alltagsfragen” beantwortet der Philosoph Jay Garfield heute die Frage: Wie begegne ich einem Menschen, der zum Beispiel ausländerfeindliche oder sexistische Positionen vertritt?

 

Frage: Wie begegne ich einem Menschen, der radikale Positionen vertritt, z.B. ausländerfeindliche oder sexistische?

Antwort Jay Garfield: Wir sind nicht verpflichtet, alles zu kommentieren, mit dem wir nicht einverstanden sind. Wenn mein Onkel behauptet, die Erde wäre flach oder mein Freund meint, in Berlin würde es im Juli Schnee geben, rolle ich die Augen und sage nichts.

Anders ist es, wenn eine Person im Gespräch mit uns etwas moralisch Verwerfliches sagt – ob es bedrohlich, rassistisch, sexistisch oder irgendetwas anderes ist, das verletzend oder verunglimpfend ist. Dann haben wir die Pflicht, Position zu beziehen, auch wenn es unbequem ist und selbst wenn andere denken, dass es unhöflich sei.

Dafür gibt es mehrere Gründe, der wichtigste ist: Unser Schweigen könnte dem anderen signalisieren, dass wir zustimmen oder das Gesagte zumindest akzeptieren. Und dies schadet unserer eigenen moralischen Integrität.

Zweitens sind wir es demjenigen schuldig, der gesprochen hat, zu zeigen, dass seine Meinung und sein Verhalten nicht toleriert werden können. Dies kann den Weg freimachen für moralische Reflexion und vielleicht auch eine Veränderung.

Eine angemessene Antwort finden

Eine angemessene Antwort zu geben, ist jedoch nicht einfach. Wie wir antworten, hängt von den Umständen ab – von der Situation, dem Temperament der anderen Person, dem kulturellen Kontext und auch von unserer Beziehung zu dem anderen. Kurz gesagt, es kommt auf unsere soziale Kompetenz und unser Taktgefühl an.

Trotzdem gibt es einige Prinzipien, die uns leiten können. Wir sollten zuerst im Hinterkopf haben, dass der Zweck einer Antwort nicht darin besteht, eine Debatte zu gewinnen. Wir wollen auch nicht die Person bloßstellen, gegen deren Meinung wir protestieren. Vielmehr geht es darum, unseren Widerspruch deutlich zu machen und dem anderen zu helfen, seine Position zu überdenken. Daher ist es wichtig, dass wir nicht im Zorn oder konfrontativ antworten. Dies würde den Konflikt verschärfen und die Fronten verhärten.

Wir sollten uns die Gründe bewusst machen, die die Person dazu veranlasst haben könnten, eine solche Position zu verteten, und uns dann überlegen, wie man sie widerlegen kann. Wir sollten der Person auch zeigen, wie verletztend ihre Äußerung ist und an ihre bessere Natur appellieren. Eine behutsame Richtigstellung ist immer besser als eine lautstarke Auseinandersetzung. Dann würden wir uns zwar nach dem Kampf im Recht fühlen, aber nichts erreichen.

Wenn man angesichts von Unterdrückung schweigt, macht man sich zum Komplizen. Aber eine falsche Intervention kann auch gefährlich sein.

Alle Beiträge von Jay Garfield in der Rubrik “Ethische Alltagsfragen” im Überblick

Was denken Sie? Über die Kommentarfunktion können Sie über die Antwort diskutieren.

Haben auch Sie eine Frage? Mailen Sie an: info@ethik-heute.org Wir legen Jay Garfield Fragen unserer Leserinnen und Leser vor.

 

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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