“Renditen sozial- und umweltverträglich generieren“
Wer sein Geld „nachhaltig“ oder „ethisch verantwortlich“ investieren möchte, benötigt Orientierung. Netzwerk Ethik heute hat mit dem Finanzexperten Dr. Klaus Gabriel über die Chancen und Risiken gesprochen.
Was war Ihre Motivation, einen ein Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage zu gründen? Worin liegen die Schwerpunkte Ihres Engagements und welche Zielgruppen sprechen Sie damit an? Auch in hohem Maße Privatkunden oder fokussieren Sie sich auf institutionelle Investoren?
Gabriel: Die Gründung unseres Vereins CRIC das Ergebnis eines wissenschaftlichen Projektes. 1997 wurde der Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden veröffentlicht, ein von einer interdisziplinären Forschergruppe entwickelter Katalog zur Beurteilung von Unternehmen in Bezug auf deren Sozial-, Natur- und Kulturverträglichkeit. Unter anderem auf Basis dieses Leitfadens mit seinen rund 850 Einzelkriterien werden heute durch unabhängige Agenturen Nachhaltigkeitsratings von Unternehmen erstellt.
In Folge dieses Projektes hat man überlegt, wie man die Idee einer Geldanlage, die soziale, ökologische und kulturelle Aspekte integriert, weiterentwickeln und in der breiten Öffentlichkeit bekannt machen kann. Hierzu wurde im Jahr 2000 CRIC gegründet.
Die Aktivitäten von CRIC konzentrieren sich auf drei Bereiche: Bildung und Information, Engagement und wissenschaftliche Forschung. Unsere engere Zielgruppe sind sowohl institutionelle und private Investorinnen und Investoren als auch Finanzdienstleister und Asset-Manager. Darüber hinaus bemühen wir uns um einen Dialog mit allen an den Fragen der Ethik und der Nachhaltigkeit bei der Geldanlage interessierten Personen und Institutionen.
Was verstehen Sie unter ethischen Investments? Was ist daran eigentlich “ethisch” und welche Standards gibt es?
Gabriel: Tatsächlich ist es bei ethischen Geldanlagen schwieriger, einheitliche (Mindest-) Standards zu entwickeln, als dies zum Beispiel bei Bio-Lebensmitteln oder im technischen Bereich (TÜV) der Fall ist. Ethik bezieht sich vor allem auf moralische Werturteile, die individuell recht unterschiedlich ausfallen können. Genau genommen geht es bei der Ethik darum, darüber nachzudenken, welches Handeln gut, richtig oder gerecht ist.
Hier gibt es von Mensch zu Mensch mitunter sehr unterschiedliche Vorstellungen. Wesentlich einfacher ist es, sich auf Dinge und Situationen zu einigen, die böse, falsch oder ungerecht sind. Weltweit – quer durch alle Kulturen und Religionen – wird man zum Beispiel zustimmen, dass es nicht gut ist, anderen Menschen Leid zuzufügen.
Moralische Standards gelten auch dann, wenn man dabei auf Renditemöglichkeiten verzichten muss.
Bei der ethischen Geldanlage geht es vor allem darum, dass sich die Investierenden, also jene, die ihr Geld anlegen müssen, darüber bewusst werden, was ihre Verantwortung in Bezug auf die Geldanlage konkret ist, welche moralischen Werthaltungen ihnen wichtig sind und wie sie diese in ihre Geldanlage integrieren wollen.
Hierzu haben wir kürzlich eine Definition verantwortlich Investierender entwickelt, um deutlich zu machen, dass es – bevor man sich über bestimmte Produkte informiert – wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, welche wirtschaftlichen Aktivitäten man mit einer Geldanlage fördern oder vermeiden will.
Für uns bei CRIC ist eine Geldanlage im engeren Sinne dann als „ethisch“ zu bezeichnen, wenn es einen Primat der Ethik gibt, wenn also bestimmte moralische Standards gelten, die auch dann gelten, wenn man dabei auf Renditemöglichkeiten verzichten muss. Hier muss man zwischen den Möglichkeiten unterscheiden, die unterschiedliche Investorentypen haben: Als privater Investor bin ich insbesondere meinem eigenen Gewissen gegenüber verantwortlich und da kann ich zum Beispiel auf Rendite gänzlich verzichten.
Für eine Versorgungskasse hingegen, die Geld anlegt, um die Versorgung von Menschen im Alter zu gewährleisten und ihr Tun gegenüber den Anspruchsberechtigten rechtfertigen muss, stellt die Erwirtschaftung einer Rendite ebenfalls eine Verpflichtung dar. Hier muss jeder Investor genau schauen, wie die jeweilige Verantwortung am besten erfüllt werden kann.
Was sind für Sie die Hauptmotive für ethisches Investment und wie verbreitet sind diese?
Gabriel: Wir unterscheiden im Wesentlichen zwei Motive: das Vermeiden und das Fördern. Beim ersten Motiv geht es vor allem darum, zu vermeiden, in ethisch-moralisch abzulehnende oder nicht nachhaltige Wirtschaftsweisen und -praktiken involviert zu sein. Man will vermeiden, diese Aktivitäten mit seinem Geld zu unterstützen oder gar erst zu ermöglichen. Auch will man vermeiden, dass man von solchen Aktivitäten finanziell profitiert, indem man etwa Zinsen oder Dividenden bezieht.
Beim zweiten Motiv geht es vor allem darum, dass man bestimmte Wirtschaftsweisen und -praktiken ermöglichen bzw. unterstützen möchte – sei es, dass sich die Unternehmen leichter oder günstiger finanzieren können oder dass verantwortlich und nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen andere Vorteile (ein positives Image zum Beispiel) genießen.
Es gibt zwei Motive: vermeiden und fördern
Was die Verbreitung dieser beiden Motive betrifft, ist es schwer, eine Aussage zu treffen. Im Bereich der nachhaltigen Investmentfonds gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass beide Motive berücksichtigt werden. Das „Vermeiden“ erfolgt in erster Linie über so genannte Ausschlusskriterien, das „Fördern“ vor allem über den Best-in-Class-Ansatz und zunehmend über Engagement-Aktivitäten (zum Beispiel Stimmrechtsausübungen oder Dialog mit Unternehmen).
Man darf aber nicht vergessen, dass sich die ethische und nachhaltige Geldanlage nicht nur auf Investmentfonds bezieht, sondern auf alle Anlagemöglichkeiten und -klassen. Hierzu fehlen aber belastbare Zahlen.
Obwohl es für Investoren immer wichtiger wird, bei der Geldanlage ein gutes Gewissen zu haben, führen nachhaltige und ethische Anlagen in Deutschland noch immer ein Nischendasein. Woran liegt das und wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Gabriel: Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl der Investorinnen und Investoren ein nachhaltiges Anlageprodukt gegenüber einem konventionellen Anlageprodukt vorziehen würden, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Gleichzeitig sind in Deutschland lediglich ca. zwei bis drei Prozent aller angelegten Gelder „nachhaltig“ oder „ethisch verantwortlich“ investiert.
Nachdem es mittlerweile gerade im klassischen Anlagebereich viele nachhaltige und ethische Produkte gibt, muss man davon ausgehen, dass es diesbezüglich Beratungsdefizite gibt. Wir sprechen hier vom „Nadelöhr Vertrieb“: Die meisten Banken haben nachhaltige und ethische Produkte im Sortiment, doch die Beraterinnen und Berater sind meist nicht darin ausgebildet, über Fragen der Ethik oder der Nachhaltigkeit kompetent zu beraten.
Wir haben Beratungsdefizite im klassischen Anlagebereich.
Oft sind diese Berater auch mit Kunden konfrontiert, die sich schon intensiv mit Fragen der Ethik oder der Nachhaltigkeit auseinander gesetzt haben und gerade deshalb auch ein nachhaltiges Anlageprodukt wünschen. Für die Berater ist das aber eine ungewohnte und letztlich auch unangenehme Situation, weil der Kunde plötzlich in einem bestimmten Bereich kompetenter ist als der Berater.
Meiner Meinung nach vermeiden Berater deshalb Gespräche, in denen es um Fragen der Ethik und der Nachhaltigkeit geht, weil sie in diesem Bereich unsicher sind. Stattdessen reden sie lieber über finanztechnische Aspekte – darin sind sie kompetent und auch in einer Position, wo sie meist mehr wissen als der Kunde. Diese Asymmetrie ist, denke ich, ein großes Problem.
Wir versuchen deshalb im Rahmen unserer Lehrgänge ganz gezielt, Finanzberaterinnen und -berater anzusprechen, um sie zu Fragen der Ethik und der Nachhaltigkeit kompetent zu machen. In einem Gespräch auf Augenhöhe können dann optimale Lösungen entwickelt werden. Die Finanzwirtschaft hat hier eine große Verantwortung und sollte dazu beitragen, dass die Ethik- und Nachhaltigkeitskompetenz der Berater sukzessive entwickelt wird.
Welche Anlagemöglichkeiten machen ethische Investments aus und wo sehen Sie noch Produktlücken?
Gabriel: In Deutschland sind über 300 nachhaltige Publikumsfonds für den Vertrieb zugelassen. Vor allem in diesem Produktbereich der klassischen Investmentfonds scheint es mir mittlerweile ein breites und auch qualitativ gutes Angebot zu geben. Institutionelle Investoren können darüber hinaus eigene Anlagekriterien formulieren und spezielle Verwaltungsmandate vergeben.
Die meisten privaten Investoren legen ihr Geld aber nicht in Aktien und Anleihen, sondern zum Beispiel in Sparbüchern und Festgeldern an. Auch hier gibt es einige spezialisierte Ethik- und Nachhaltigkeitsbanken – in Deutschland etwa die GLS-Bank, die Steyler Bank oder die Umweltbank, um nur drei Beispiele zu nennen – die für diese Anliegen entsprechende Produkte anbieten.
Wenn man will, kann man also im Bereich der Spar- und Sichteinlagen bzw. der Publikumsfonds durchaus zwischen verschiedenen Angeboten und Schwerpunktsetzungen auswählen. Vor allem für private Investoren gibt es aus meiner Sicht also ausreichend Anlagemöglichkeiten.
Für vermögende Privatkunden oder institutionelle Investoren, die komplexere Anlagebedürfnisse haben, gibt es einige Anlage-Bereiche, die aus ethischer oder nachhaltiger Sicht tatsächlich noch Lücken aufweisen. Zu erwähnen sind hier vor zum Beispiel Anlagen in Emerging Markets oder in Immobilien: Hier gibt es ein sich erst entwickelndes Angebot an ethischen und nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten.
Wer sein Geld nachhaltig investiert, denkt dabei nicht in erster Linie an die Erwirtschaftung von Reichtümern. Trotzdem sollte sich das Investment lohnen. Würden Sie sagen, dass die Performance-Erwartungen ethischer Anlagen mit konventionellen Anlagen vergleichbar sein müssen oder gelten für diese andere Bewertungsgrundlagen?
Gabriel: Einerseits gibt es für den Bereich der Publikumsfonds eine Reihe von Untersuchungen, die belegen, dass die Berücksichtigung von Ethik und Nachhaltigkeit in der Geldanlage nicht automatisch einen Renditeverlust bedeutet. Einige Studien sehen hier sogar Renditevorteile.
In Ihrer Frage schwingt aber noch etwas anderes mit, das ich ebenfalls als sehr wichtig erachte: Soll man als ethisch oder nachhaltig orientierter Investor überhaupt Rendite-Maximierung betreiben? Natürlich geht es auch bei ethischen Geldanlagen um Renditeerwirtschaftung, sonst wäre es ja keine Geldanlage.
Rendite-Optimierung statt Rendite-Maximierung.
Manche Investoren können zwar auf Rendite verzichten und die Zinsen zum Beispiel für ein soziales Projekt spenden. Die meisten Investoren aber müssen eine Rendite erwirtschaften, wenn davon zum Beispiel die Altersversorgung von Menschen abhängt. Und natürlich soll hohes Risiko auch mit höheren Ertragschancen belohnt werden.
Aber grundsätzlich erscheint es mir doch wichtig zu betonen, dass eine ethische Geldanlage darauf abzielt, Renditen sozial- und umweltverträglich zu generieren. Das schließt – genau genommen – eine Renditeerwirtschaftung aus, die darauf basiert, dass Menschen ausgebeutet oder die Umwelt massiv geschädigt wird.
Das heißt: Auch bei ethischen Geldanlagen kann eine Rendite erzielt werden, aber es kommt darauf an, wie diese Rendite erwirtschaftet wird. Darin liegt der Unterschied zu konventionellen Anlagen. Ich spreche an dieser Stelle gerne von Rendite-Optimierung statt Rendite-Maximierung.
Mittlerweile haben nicht nur spezialisierte Ethikbanken, sondern fast alle Finanzdienstleister ein „grünes“ oder ethisches Produkt im Portfolio. Wie können sich Anleger den besten Überblick über die Qualität der Angebote verschaffen? Und wie können sie sichergehen, dass ihre Investitionen tatsächlich dem erwünschten ethischen Zweck dienen?
Gabriel: So erfreulich es ist, dass es immer mehr Angebote für ethische und nachhaltige Geldanlagen gibt: es ergibt sich dadurch auch die Qual der Wahl. Denn tatsächlich unterscheiden sich die existierenden Angebote auch hinsichtlich ihrer Qualität in Bezug auf die Integration von Ethik- und Nachhaltigkeitsaspekten.
Dazu kommt, dass es nicht die Ethik oder das eine Verständnis von Nachhaltigkeit gibt: Man muss ganz genau prüfen, ob bzw. inwiefern sich die eigenen Werthaltungen in einem Produkt wiederfinden. Auch Gütesiegel können dieses Problem nur bedingt lösen.
Eine gute Beratung ist unerlässlich.
Eine Möglichkeit, mit diesen schwierigen Fragen umzugehen ist es, sich gut beraten zu lassen. Neben spezialisierten Vermögensberatern gibt es auch ausgewiesene Ethik- und Nachhaltigkeitsbanken und generell gilt: Je mehr sich eine Bank auf ethische und nachhaltige Geldanlagen spezialisiert hat, desto qualitativ hochwertiger ist auch die Beratung.
Eine andere – oder besser: eine ergänzende – Möglichkeit ist es, sich selbst kundig zu machen, sich einzulesen und die richtigen Fragen zu stellen. Wir haben hierzu vor einigen Jahren einen Leitfaden entwickelt, der erste Ansätze für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Thematik bietet. Derzeit arbeiten wir bei CRIC an einer Art Praxishandbuch des ethischen Investierens, das dann etwas detaillierter auf einige Fragen eingehen wird.
Eines sollte man aber vielleicht nicht unerwähnt lassen: Je höher die ethischen Ansprüche eines Investors sind, desto schwieriger kann es werden, widerspruchsfreie Anlagemöglichkeiten zu finden. Aber das ist ja überall im Leben so und sollte die ethisch motivierten Investorinnen und Investoren nicht entmutigen.
In unserer täglichen Praxis müssen wir oft mit Situationen und Lösungen leben, die vielleicht nicht perfekt sind, die aber trotzdem eine deutliche Verbesserung zum Status quo darstellen und deshalb unbedingt genützt werden sollen. Es geht also darum, nicht deshalb untätig zu bleiben, weil meine ethischen Ansprüche nicht zu hundert Prozent erfüllt sind. Das wäre in gewisser Weise sogar unethisch.
Über 75.000 Menschen haben sich mit Renditeversprechen von bis zu acht Prozent ködern lassen und rund 1,4 Milliarden Euro in den Windparkbetreiber Prokon investiert. Dieser musste im Januar 2014 Insolvenz anmelden. Welche Risiken sehen Sie bei ethischen Investments, vor allem für Anleger, die sich nicht auskennen? Gibt es in der Branche „schwarze Schafe“ und worauf sollten Investoren diesbezüglich achten?
Gabriel: Nur weil jemand einen Windpark betreibt, heißt das noch lange nicht, dass es sich dabei auch um ein ethisch verantwortliches oder im umfassenden Sinne nachhaltiges Projekt handelt. Und nur weil ein Geldanlageprodukt als ethisch oder nachhaltig bezeichnet wird, ist es deshalb nicht weniger riskant. Wenn jemand bereit ist, acht Prozent Zinsen per anno zu zahlen, während der Leitzins gegen Null tendiert, ist das eigentlich schon ein Hinweis darauf, dass hier ein hohes Risiko besteht.
Nur in Sachen investieren, die man auch versteht
Ethische und nachhaltige Geldanlagen unterliegen den gleichen finanziellen Risiken wie konventionelle Geldanlagen und es gelten auch die gleichen Regeln wie bei konventionellen Investments: Man sollte nur in Sachen investieren, die man auch versteht. Am Sichersten fährt man freilich mit Anlagen, d
ie von der Einlagensicherung gedeckt sind. Auch hier gibt es – wie bereits oben erwähnt – die Möglichkeit, Spareinlage- oder Festgeldprodukte bei spezialisierten Ethik- und Nachhaltigkeitsbanken zu nutzen.
Für alles, was darüber hinausgeht, sind eine gute Beratung und ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit unerlässlich. Schwarze Schafe gibt es überall und eine Geldanlage ganz ohne jegliches Risiko gibt es auch nicht, aber mit einem guten Partner und einer guten Portion Hausverstand ist man auch in ethischen Fragen schon mal ganz gut aufgestellt.
Das Gespräch mit Dr. KIaus Gabriel führte Astrid Triebsees.
Das Corporate Responsibility Interface Center (CRIC), ein Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage, ist unter www.cric-online.org erreichbar.