Online Magazin für Ethik und Achtsamkeit

Suche
Close this search box.

Für eine Ethik in der digitalen Gesellschaft

Digitaler Humanismus-10002845-web

Buch von Nida-Rümelin

Dieses Buch will eine Alternative zur Ideologie des Silicon Valley anbieten. Die Autoren untersuchen den Hype um Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz und Robotik. Sie entwickeln die Grundlagen für einen „Digitalen Humanismus“. Relevante politische Fragen bleiben jedoch außen vor.

Julian Nida-Rümelin und Nathalie Weidenfeld haben ein Buch zur Ethik der digitalen Gesellschaft vorgelegt. Die Autoren sind vor allem bemüht, das Thema nicht aufzubauschen, und das gelingt ihnen. Die aufgeregten Diskussionen, die mit der Digitalisierung unseres Lebens einhergehen und Themen wie Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz oder digitale Bildung aufgreifen, erscheinen hier manches Mal wie Ballons, denen die Autoren die Luft ablassen. Ein kühler Kopf in dieser Debatte tut gut.

In Form eines Brückenschlags zwischen Philosophie und Science-Fiction entwickelt dieses Buch die philosophischen Grundlagen eines Digitalen Humanismus. Nida-Rümelin ist Philosoph, Nathalie Weidenfeld Kulturwissenschaftlerin, die sich mit einschlägigen Filmen beschäftig hat wie Matrix, Blade Runner, I Robot, Ex Machina, Robocop.

Der Grundtenor der beiden Autoren ist positiv. Sie glauben, dass digitale Technik insgesamt eine segensreiche Weiterentwicklung unseres Lebens ist, wenn wir die uns bekannten Regeln des europäischen Humanismus beibehalten und in diesem Feld zur Anwendung bringen.

Das Buch liest sich angenehm, seien es die philosophischen Reflexionen von Nida-Rümelin oder die Filmanalysen von Weidenfels. Beide Teile sind eng verzahnt und greifen inhaltlich ineinander, beide setzen sich auf ihre Weise mit den Themen auseinander. Zentrale Fragen werden somit aus verschiedenen Blickwinkeln erörtert:

Was unterscheidet simulierte Gefühle von echten? Können Maschinen ethische Entscheidungen treffen, können KI‘s denken? Sind Cyborgs noch Menschen? Im Kern geht es immer um die Frage, was menschliches Bewusstsein ausmacht, ob es ein irgendwie geartetes Plus gibt, das Menschen von Maschinen kategorial unterscheidet.

Die Autoren ziehen hier klare Linien, auch in den komplexen Tiefen der Fragestellung. Wahrheit und Bedeutung gibt es nur für einen intentionalen Geist, einen Geist also, der mit dem, das ihn beschäftigt, irgendeine Absicht verfolgt. Maschinen können keine Absichten haben, sondern nur Aufträge abarbeiten, insofern gibt es für sie weder Wahrheit noch Bedeutung.

Das Buch konzentriert sich fast durchgängig auf diese Fragen, das ist seine Stärke und Schwäche zugleich. Denn viele Probleme ergeben sich heute im politischen Kontext. Diesen blendet das Buch aber aus, relevante gesellschaftliche ethische Fragen werden nicht beantwortet:

Wie kann die Macht der großen, amerikanischen Internetkonzerne so eingedämmt werden, dass unsere demokratisch gewachsenen Machtstrukturen die Oberhand behalten? Wie können wir uns gegen die strukturelle Gier der Internetfirmen nach unseren Daten, das heißt, an unseren Gedanken, Worten, Gefühlen, Handlungen, so schützen, dass wir nicht zum Spielball ihrer kommerziellen Interessen werden? Wie können wir die Errungenschaften der digitalen Technik nutzen, ohne an der Pest unserer Zeit, der Ablenkung, zu erkranken ? Es ist zu hoffen, dass ein weiteres, ebenso klares und nüchternes Buch zu diesen Themen folgt.

Carsten Petersen

Julian Nida-Rümelin, Nathalie Weidenfeld. Digitaler Humanismus. Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Piper Verlag 2018, 224 Seiten

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare

Aktuelle Termine

Online Abende

rund um spannende ethische Themen
mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen
Ca. 1 Mal pro Monat, kostenlos

Auch interessant

Cover Takt-

Mehr Höflichkeit und Taktgefühl

Wie wir wieder Grenzen achten Höflichkeit, Respekt, Rücksicht – diese Eigenschaften gelten heute vielen als antiquiert. Der Philosoph Martin Scherer wünscht sich mehr Takt im Umgang miteinander. Damit will er der Egomanie etwas entgegensetzen und wirbt für ein wenig mehr Distanz zum anderen, um Grenzen zu achten und ihn nicht zu verletzen.
Cover Suzman, Sie nannten es Arbeit

Woher kommt unsere Arbeitswut?

Eine anthropologische Perspektive Der Anthropologe James Suzman untersucht in seinem Buch die Geschichte der Arbeit – von den Anfängen bis heute. Mit erstaunlichen Einsichten: Erst seit rund 10.000 Jahren steht Arbeit im Zentrum menschlichen Lebens. Im größten Teil der Menschheitsgeschichte reichten ein paar Wochenstunden, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Newsletter abonnieren

Sie erhalten Anregungen für die innere Entwicklung und gesellschaftliches Engagement. Wir informieren Sie auch über Veranstaltungen des Netzwerkes Ethik heute. Ca. 1 bis 2 Mal pro Monat.

Neueste Artikel

Getty Images/ Unsplash

Tabuthema Macht

Warum wir unsere Macht bewusst anerkennen sollten Das Thema Macht ist negativ besetzt. Dabei ist Macht zuallererst Gestaltungskraft. Eva Stützel, die gemeinschaftliche Initiativen begleitet, ruft zu mehr Bewusstheit im Umgang mit Macht auf, auch um Machtmissbrauch zu verhindern. Denn es gibt nicht nur Macht über andere und Dominanz bishin zu Gewalt, sondern auch Macht in Verbundenheit mit anderen.
Foto: Didacta

Protest: AfD auf der Bildungsmesse Didacta

Ein Standpunkt von Dr. Nina Bürklin Die Didacta, die größte Bildungsmesse in Europa, widmet sich dieses Jahr der „Demokratiebildung“. Hauptaussteller ist die AfD. Eine Fehlentscheidung, schreibt Nina Bürklin vom AVE Institut. Sie fordert, Haltung zu zeigen für die Demokratie. Die Veranstalter sollten Verantwortung übernehmen, statt den Gegnern der Demokratie die große Bühne zu geben.
Mediaartist Schloenvogt/ iStock

Wählen in der Demokratie: Meine Stimme abgeben?

Philosophische Kolumne Von der Politik erwarten wir in der Demokratie, das Wohl des Ganzen im Blick zu haben. Ob das nicht auch für Wählerinnen und Wähler gilt, fragt der Philosoph Ludger Pfeil. Er regt anlässlich der Bundestagswahl 2025 zum Nachdenken darüber an, welche Verantwortung mit dem Wählen verbunden ist und wie wir unsere Stimme einbringen, nicht nur am Wahltag.
Foto: Deutscher Bundestages/ Thomas Koehler-Photothek

Demokratie mit dem Holzhammer

Ein Standpunkt von Birgit Stratmann Handeln, um Macht zu demonstrieren – Trump zeigt, wie ein neuer Politikstil geht. Und auch Friedrich Merz hält, zumindest beim Thema Migration, nichts von Kompromissen. Es müsse etwas geschehen, es herrsche eine Notlage – unter diesem Vorwand hebelt man die Suche nach Kompromissen in der politischen Mitte aus. Doch das schadet der Demokratie, spielt Rechtspopulisten in die Hände und löst kein einziges Problem.

Kategorien