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Gedanken zur „Deutschstunde“

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anlässlich des Todes von Siegried Lenz

Der Tod des Schriftstellers Siegfried Lenz hat viele Menschen in Deutschland berührt. Michael Freiberg, der sich im Netzwerk Ethik heute engagiert, schreibt, warum ihn der Roman “Die Deutschstunde” so beeindruckte.
Es gibt ganz wenige Autoren, die mich so berührt haben wie Siegfried Lenz mit seiner „Deutschstunde“. Der meist gelesene Roman dieses Autors beginnt in der Nachkriegszeit mit einem strafgefangenen Jugendlichen namens Siggi, der in eine Einzelzelle gebracht wird. Hier soll er zur Strafe einen Aufsatz über die Freuden der Pflicht schreiben.
Beim Schreiben denkt er an seine Kindheit im hohen Norden Deutschlands während der Nationalsozialistischen Herrschaft. Siggis Vater ist Polizist. In dieser Zeit wird einem Maler ein Malverbot erteilt, ein Schicksal, das ähnlich auch Emil Nolde widerfuhr.
Siggis Vater soll das Malverbot überwachen. Das Buch schildert das nun beginnende Katz-und Maus-Spiel der Überwachung. Der Autor beschreibt ohne schrille Verurteilung das faschistische Denken in seiner alltäglichen Wirksamkeit.
Kritiker fanden das Buch damals zu brav, zu leise, aber gerade diese Herangehensweise machte mich so betroffen. Lenz hat keine Aliens geschickt, um die Deutschen zu beherrschen, alle haben mitgewirkt.

Lenz wollte verstehen, nicht anklagen

Lenz selbst sagte, die „Deutschstunde“ sei „ein Versuch, die Welt zu entblößen, dass niemand sich unschuldig oder unbetroffen fühlen kann.“ Dieses Zitat findet sich in dem wunderbaren Nachruf von Volker Weidermann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7. Oktober 2014: „Aufforderung zur Nachsicht mit der Welt“. Der Journalist bringt zum Ausdruck, dass Lenz jemand war, „der nach richtigen Worten sucht und Gewissheiten, und weiß, dass er sie nicht finden wird.“
Marcel Reich-Ranicki schreibt in seinem Geleitwort zu den Erzählungen: „Während andere sich entrüsteten, betonte er seinen Zweifel. Sie empörten sich, er deutete seine Besorgnis an.“
Lenz wollte die Personen in seinen Geschichten verstehen, nicht anklagen, verteidigen oder verurteilen. Wie es die FAZ ausdrückt: Er „ist ein Moralist, der sich stets hütet, in seinen Geschichten den Zeigefinger zu heben.“
Mit anderen Worten, ein großes Vorbild für das, was wir mit dem “Netzwerk Ethik heute” entwickeln können. Wir suchen nach Werten, nach dem, was uns als Menschen verbindet. Und wir wissen, dass wir uns diesen Werten nur annähern können. Wir sehen die Schwächen von uns selbst und anderen mit Nachsicht und beginnen immer wieder neu.
Michael Freiberg, Netzwerk Ethik heute

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