Der dritte Kongress „Work in Progress“
Kommunikativer, vernetzter und komplexer – so ist für die Hamburger Kreativ Gesellschaft die heutige Arbeitswelt. Durch mehr Freiheiten ergäben sich Chancen und Möglichkeiten.
Diese Veränderungen gaben Anlass, beim dritten Kongress der Reihe „Work in Progress“ die Frage zu stellen: Was ist „Gute Arbeit“? Das Leitthema der Veranstaltung in der Kulturfabrik auf Kampnagel am 13. und 14. März 2014 wurde interdisziplinär und von vielen Erfahrungsebenen her betrachtet. Die Referenten kamen aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Wirtschaft und Politik.
Leben wir wirklich, um zu arbeiten?
Zum Auftakt am 14. März sprach der österreichische Philosophen Rober Pfaller. Wir arbeiten um zu leben, wir leben aber nicht um zu arbeiten – diese Formel frei nach Sokrates beschreibt Pfallers Quintessenz. Pfallers demaskierte einen genussfeindlichen, immer mächtiger werdenden säkularen Protestantismus und die damit einhergehende Vorstellung einer „Reinheitsphantasie“. Wir würden zu Sachbearbeitern unseres eigenen Lebens und könnten nur noch handeln, wenn wir müssten.
Im Mittelpunkt unserer lustfeindlichen Kultur stünden Apparate der Bürokratie, die Zucht und Zwang ausübten. Damit sei unsere Arbeitswelt vielfach davon geprägt, dass gearbeitet wird, um neue Arbeit zu schaffen. Wofür lohnt es sich zu leben, fragt Pfaller.
Diese Frage könnten wir besser beantworten als jeder Philosoph: für mehr Leidenschaft, mehr Lust, mehr Schweinerei. Eine letzte Zigarette unter einem Dach im Sommerregen, ein Kaffee mit Freunden, die exzessive Party, öfter mal „ein Schnitzel essen gehen“, weniger „Gesundheitswahn“.
Doch diese Freiheit, das „Heilige“ im Alltagsleben zu genießen und selbstbestimmter zu leben, fiele uns immer schwerer. Nicht nur aus der Sicht Pfallers gilt es, das gesellschaftliche Modell von Arbeit zu überdenken. Pfallers Vorschlag ist die kulturelle und gesellschaftliche Anerkennung des Müßiggangs. Nur so ließe sich die Arbeit vom hohen Ross der gesellschaftlichen Anerkennung stürzen.
Work-Life-Bullshit“
Einen etwas anderen Blickwinkel auf die Arbeit hatte der zweite Österreicher des Kongresses, Thomas Vašek, Herausgeber des philosophischen Magazins „Hohe Luft“. Als größte Gefahr der modernen Kapitalismuskritik sieht er die Abwendung von der Arbeit. Mehr Freizeit, weniger Arbeit steigere die Gefahr der Ausbeutung, so Vašek.
„Work-Life-Bullshit“ nennt dies der Philosoph und betitelte auch sein neues Buches so, denn Arbeit und Freizeit ließen sich nicht trennen.
Müßiggang ohne vorherige Arbeit? Dieser Dualismus ist für Vašek nicht existent. Arbeit gehöre zum Leben dazu und sei an und für sich eine interessante Lebensform. „Wir leben nicht nur – sondern auch – um zu arbeiten“ entgegnet Vašek Pfallers Theorie. Gute Arbeit sei nicht nur Mittel zum Zweck – sie sei expressiv, lasse uns unsere Fähigkeiten entfalten und sorge für Kontakte und Anerkennung. Und für diese lohne es sich zu kämpfen – ansonsten seien ganze zehn Lebens(arbeits)jahre reine Zeitverschwendung und damit eine Kapitulationserklärung an das gute Leben.
Alle wollen etwas mit Sinn machen“
Am Nachmittag wurde gute Arbeit dann aus Unternehmersicht betrachtet. Daniel Rahaus erläuterte das strukturierte Modell eines Social Busines. Mit Hilfe der vier Stufen des „sozialen Sinnunternehmens“ könnten die vielfältigen Akteure und Ebenen eines Unternehmens sozial organisiert und trotzdem in einer Industriegesellschaft integriert werden.
„Früher wollten alle etwas mit Medien machen, heute wollen alle etwas mit Sinn machen“, beschrieb Rahaus das aktuelle Bedürfnis. Seine wesentlichen Merkmale eines „sozialen Sinnunternehmens“ könnten Unternehmen dabei als Leitlinie für einen Umbruch dienen.
Der Unternehmer Bernd Oestereich stellte in seinem Impulsvortrag „Besser arbeiten ohne Chefs“ den Mythos der Führungskraft als objektive, rationale Entscheidungsinstanz auf den Kopf. Er ermutigte dazu, Führung anders zu organisieren und forderte Unternehmer auf, das Management vom Leadership personell zu trennen und mehr Selbstorganisation zu wagen.
Beide Vorträge zeigten, wie anders Wirtschaft sein kann: sozial, frei von klassischen Hierarchien und Machtansprüchen und trotzdem voller Leadership.
In der Abschlussdiskussion mit den beiden HR-Managern von Tchibo und Google wartete der Moderator mit der Formel auf: „Gute Arbeit = Effektivität + Freude + Sinn – Chefs“. Damit wurde er den Ideen von Rahaus und Oesterreich allerdings nicht gerecht. Und sicher fällt es schwer, den sozialen Sinn in einem Konsumgüterunternehmen und einer globalen Suchmaschine zu erkennen.
Die Ausführungen der beiden Personalmanager zeigten: Gute Arbeit in einem international agierenden überzeugend und mitreißend umzusetzen, ist schwer und braucht mehr als strategische Konzepte.
Es bleibt spannend, wie es Unternehmen in Zukunft mit neuen Ideen schaffen werden, der steigenden Nachfrage der Mitarbeiter nach guter Arbeit gerecht zu werden. Zum Abschluss der Veranstaltung fasste die Hamburger Kreativ Gesellschaft auf der Website des Kongresses die drei Dimensionen „Guter Arbeit“ zusammen: Gute Arbeit ist produktiv, macht Spaß und ist sinnvoll.
Cristina Grovu und Stefan Ringstorff