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Kohle: Martialischer Umgang mit der Natur

VanderWolf Images/ shutterstock.com
So könnte es im Hambacher Forst auch bald aussehen. |
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Ein Standpunkt von Birgit Stratmann

Die Dinosaurier der Energiebranche sind wieder auf dem Vormarsch. Der Energiekonzern RWE will gegen den massiven Protest von Umweltschützern den Hambacher Forst für den Braunkohleabbau roden. Doch es regt sich Widerstand. Zu Recht findet Birgit Stratmann.

Der Hambacher Forst ist in die Schlagzeilen geraten – und das obwohl nur noch ein winziger Teil erhalten ist: rund 200 Hektar. Der überwiegende Teil des Waldes ist bereits in der Vergangenheit dem Braunkohletagebau zwischen Aachen und Köln zum Opfer gefallen.

Im Herbst 2018 will der Energiekonzern RWE den Rest auch noch roden, um die Kohle darunter abzubauen. Klagen von Umweltverbänden wurden abgewiesen. RWE ist formal im Recht und wird von der Polizei unterstützt, die mit der Räumung des Gebiets begonnen hat. Und das obwohl die Kohlekommission gerade über das Wie und Wann des Kohleausstiegs verhandelt.

Die Bürgerinnen und Bürger, die gegen RWE aufbegehren, haben Zweifel an der Rechtsprechung. Da sind zum einen die wertvollen Bäume, zum Teil 350 Jahre alt, die viele Arten beherbergen und jetzt weichen sollen. Die Zerstörung ist ein Symbol für den martialischen Umgang mit der Natur. Die Kohle-Industrie ist ein besonders krasses Beispiel dafür.

Zum anderen ist die Kohle mit Abstand der klimaschädlichste Energieträger und auch der antiquierteste. Es war die Kohle, die zu Beginn der Industrialisierung massenhaft Energie lieferte, um den Wohlstand der westlichen Welt zu sichern. Der Abbau der Kohle hinterlässt in der Natur Spuren der Verwüstung.

Wenn die Heimat platt gemacht wird

Wer sich in Braunkohlerevieren umschaut, dem bietet sich ein finsteres Bild: Maschinen von ungeheurer Größe reißen riesige Löcher in den Lebensraum. Dörfer müssen dafür geräumt, Menschen umgesiedelt werden – gegen Entschädigung zwar. Aber es schmerzt, wenn die eigene Heimat buchstäblich platt gemacht wird, auf Nimmerwiedersehen.

Die geschundenen Gebiete können später, wenn unter der Erde nichts mehr zu holen ist, renaturiert werden, mit großem Aufwand und hohen Kosten. Nur die Atmosphäre, das Klima lässt sich nicht wiederherstellen, wenn die Erwärmung ein bestimmtes Maß überschritten hat.

Die Klimakonferenz 2015 in Paris war eine Mahnung an die Welt, das gemeinsame Haus der Erde vor den Treibhausgasen zu schützen. Man war sich einig, dass es kein Zurück mehr ins fossile Zeitalter geben dürfe. Doch die Euphorie hat sich gelegt, die Dinosaurier der Energiebranche sind wieder auf dem Vormarsch.

Das zeigen die Bestrebungen von RWE, weiter an der klimaschädlichen Kohle festzuhalten. Das Ringen um den Hambacher Forst ist zu einem Ringen um die Energiepolitik, aber auch unseren Umgang mit der Natur insgesamt geworden. Es sind gerade junge Menschen, die hier für ihre Zukunft kämpfen. Darüber, welche Formen der Protest annimmt, kann man sich streiten. Und uns alle erfüllt große Trauer, weil ein Journalist, der berichten wollte, im Wald ums Leben gekommen ist.

Was aber alle, die vor Ort sind, umtreibt ist die Frage: Ist es noch möglich, so handeln, dass nachfolgende Generationen ein menschenwürdiges Leben führen können?

So kann es nicht weitergehen

Die Industrie beutet die Natur aus und stellt sie in den Dienst von Profit und Konsum: Die Meere müssen für den Fisch herhalten, Natur wird “versiegelt”, um Straßen zu bauen. Die Wälder dienen als Lieferanten für Papier, Verpackungen und andere Konsumgüter. Sind die Bäume im Weg, etwa wenn man Futtermittel anbauen oder Kohle abbauen will, bleibt immer noch der Kahlschlag.

Die Bürgerinnen und Bürger scheinen langsam zu verstehen, dass es so nicht weitergehen kann. Erst erledigen wir die Natur, dann den Menschen?

Der Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen ist zum Symbol des Widerstands der Anti-Kohlekraft-Bewegung geworden. Nicht erst seit die Aktivisten und Demonstranten vor Ort sind, formiert sich der Protest. Wird er sich ausweiten – ähnlich wie die Anti-Atomkraft-Bewegung?

Es wäre zu hoffen, dass die Zivilgesellschaft Industrie und Politik zum Umlenken zwingt. Die Kommunen halten erhebliche Anteile an RWE, somit trägt die Politik Mitverantwortung für die Fehlentwicklung. Will man wirklich eine Anti-Klima- und Anti-Natur-Politik durchsetzen – gegen den Willen der Menschen?

Birgit Stratmann

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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1 Kommentar
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Alle Kommentare

Liebes Netzwerk und liebe Birgit,
es scheint fast, als ob nur (noch?) die Zivilgesellschaft aufmerksam machen kann und muss, gerade, weil der Politik die Hände immer stärker durch industrielle Vorgaben gebunden sind. Wie traurig ist das? Habe heute als Ex-NRW´lerin einen Beitrag über den friedlichen Hambacher „Waldspaziergang“ gesehen und bin ziemlich traurig…..Wie kann es sein , dass sich die „Industrieraupe“ wider besseren Wissens gegen ihre eigenen Mitbürger durchfrisst und die Natur so massiv zerstört??
Liebe Grüße
Doris Wickbold

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