Online Magazin für Ethik und Achtsamkeit

Suche
Close this search box.

Jetzt platzt mir der Kragen!

kit8.net/ shutterstock.com
kit8.net/ shutterstock.com

Achtsamkeit im Alltag: Stopp vor impulsiven Reaktionen

Manchmal fühlen wir uns unseren impulsiven Reaktionen wie Wut und Zorn regelrecht ausgeliefert. Wie wir mit einer kleinen Achtsamkeitspause einem Wutausbruch künftig vorbeugen können, den wir später vielleicht bitter bereuen, empfiehlt die Achtsamkeitstrainerin Michaela Doepke.

Vielleicht erinnern Sie sich an eine stressige Situation in Ihrem Leben, in der Sie jemand provoziert hat. Vielleicht haben Sie ganz impulsiv reagiert, ihr Gegenüber wild und laut als Egoisten beschimpft, und noch heute tut es Ihnen leid. Sie haben geschrien, getobt, aber wollten das eigentlich gar nicht. Sie haben sich nicht mehr unter Kontrolle, nicht mehr im Griff. Es ist mit Ihnen durchgegangen. Kennen Sie das?

Aber die hässlichen Worte sind nun mal gefallen und Sie können das Gesagte nicht ungeschehen machen, auch wenn Sie es im Nachhinein noch so sehr wünschen. Ihr Partner, Ihre Partnerin, Freund oder Freundin, Arbeitskollege ist seither beleidigt. Verletzungen wie diese passieren so schnell.

Aber vielleicht reagiert Ihr Gegenüber auch ganz anders, nimmt die Beschimpfungen nicht persönlich und denkt sich verständnisvoll, dass wir vielleicht mit dem linken Fuß aufgestanden sind oder irgendeinen Ärger an der Backe haben. Vielleicht lächelt er uns milde zu und diese Reaktion macht uns sogar noch wütender.

Wer sich ärgert, leidet selbst am meisten

Fakt ist: Wer sich ärgert, leidet selbst am meisten. Ein Mensch, der sich ärgert, ist mit jemandem zu vergleichen, der glühende Kohlen mit nackter Hand anfasst. Wer ist es dann, der leidet? Wer hat das Problem? Auch aus psychologischer Sicht wissen wir, dass Menschen, die sich permanent aufregen und ärgern, häufig gesundheitliche Probleme wie Herzrasen, hohen Blutdruck bekommen.

Hinzu kommt, dass bei Wut unsere Wahrnehmung getrübt ist und wir die Realität völlig verzerrt sehen. Also eine Menge Nachteile. Was können wir also tun, um zumindest künftig so einer impulsiven, für uns und andere schädlichen Reaktion vorzubeugen?

Vorsicht Wut! Stopp-Meditation

An dieser Stelle möchte ich Sie zu einer kleinen Reflexion einladen, die es Ihnen ermöglichen soll, künftig bewusster und achtsamer auf einen Stressreiz zu antworten und nicht impulsiv im Streit zu reagieren:

Stellen Sie sich in der Erinnerung bildlich eine Situation aus der Vergangenheit vor, in der Sie impulsiv oder wütend reagiert haben, eine Situation, die Ihnen heute leidtut, weil Sie jemanden verletzt haben.

Was hat Ihr Gegenüber genau gesagt, getan, was Sie so auf die Palme gebracht hat? Und jetzt gehen Sie noch mal zu der Situation zurück, bevor Sie reagiert haben. Sehen Sie die Szene noch mal bildlich genau vor. Halten Sie in der Vorstellung kurz inne und machen eine kleine Achtsamkeitspause. Atmen Sie erst einmal tief durch.

Treten Sie innerlich einen Schritt zurück und beobachten Sie aus einem gewissen Abstand zur Situation: Was ist wirklich vorgefallen? Was haben Sie genau gefühlt und gedacht, bevor Sie reagiert haben, wie hat sich Ihr Körper angefühlt? Benennen Sie das Gefühl und die Körperreaktion. Wo waren die Muskeln angespannt, hat Ihr Herz gerast? Wie ging es Ihnen? Was für ein Bedürfnis tauchte in diesem Moment auf?

Dann wenden Sie sich in der Vorstellung aus einem gewissen Abstand Ihrem Gegenüber zu. Schauen Sie ihm oder ihr noch einmal ins Gesicht: Wie ist die Mimik? Ist das, was sie oder er gesagt hat, wirklich so provozierend, wirklich eine ernsthafte Bedrohung für Sie? Schauen Sie Ihr Gegenüber bewusst an und fühlen Sie sich ein: Welches Bedürfnis könnte Ihre Kommunikationspartnerin gehabt haben? Vielleicht müssen Sie das Gesagte gar nicht persönlich nehmen, vielleicht hat es gar nichts mit Ihnen zu tun, sondern mit der Lebenssituation Ihres Gegenübers. Wie viel Macht wollen Sie ihrem Gegenüber über sich geben? Wollen Sie fremdbestimmt oder selbstbestimmt reagieren?

Bevor Sie das nächste Mal in einer kritischen Kommunikationssituation impulsiv reagieren, legen Sie besser einen Stopp ein, machen eine Pause. Atmen Sie einmal tief durch und seien Sie sich bewusst, dass es einen Raum gibt zwischen Reiz und Reaktion. Sie haben die Freiheit der Wahl, wie Sie reagieren möchten.

Es gibt immer Wege und Alternativen. Seien Sie sich bewusst, dass Sie nicht sofort reagieren müssen, egal wie sehr das Gegenüber Sie provoziert oder Sie sich provoziert fühlen. Überlegen Sie kurz: Was wäre in dieser Konfliktsituation langfristig die bessere und weisere Entscheidung? Und dann antworten Sie gelassen. Viel Glück beim nächsten Mal!

Michaela Doepke, Achtsamkeitstrainerin in Unternehmen, MBSR-Lehrerin, Dozentin in der MBSR-Trainerausbildung, Meditationslehrerin, Buchautorin, Journalistin, www.michaela-doepke.de

 

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare

Aktuelle Termine

Online Abende

rund um spannende ethische Themen
mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen
Ca. 1 Mal pro Monat, kostenlos

Auch interessant

Carlsen Verlag

Die Gefühle kennenlernen

Ein interaktives Buch für Kinder Der bekannte Schulbuchverlag Carlsen hat 2024 den ersten Band seiner neuen Reihe „Wir leben“ veröffentlicht. Das Buch widmet sich den Gefühlen in Form von Bildern, Geschichten, Fragen und Mitmach-Tipps. Den Band hat sich für uns ein Achtjähriger angeschaut, dessen Eindrücke im Text wiedergeben werden.
hikerwise/ Unsplash

Achtsamkeit in der Natur

Anregungen von Michael Huppertz In der Natur fällt es besonders leicht, achtsam zu sein und in den gegenwärtigen Moment zu kommen. Michael Huppertz schildert seine Erfahrungen und regt zu einigen Übungen an, etwa das nähere Erkunden eines kleinen Areals auf einer Wiese oder die Besinnung auf persönliche Themen, zu denen die Natur anregen kann.

Newsletter abonnieren

Sie erhalten Anregungen für die innere Entwicklung und gesellschaftliches Engagement. Wir informieren Sie auch über Veranstaltungen des Netzwerkes Ethik heute. Ca. 1 bis 2 Mal pro Monat.

Neueste Artikel

Brandenburg Projekt von Mehr Demokratie e.V. I Foto: Adam Sevens

Miteinander sprechen, wo es unmöglich scheint

Ein Brandenburg-Projekt Wie kann man Menschen mit unterschiedlichen politischen Einstellungen ins Gespräch bringen? Das Projekt „Weil wir hier leben – Gespräche von Mensch zu Mensch“ von Mehr Demokratie e. V. organisiert Dialoge. Hier sprechen zum Beispiel Menschen, die sich sonst nur über soziale Medien gestritten haben.
Foto: Biegert

Die Verwandtschaft mit der Mitwelt wiederbeleben

Der Fluss Loisach soll Rechte bekommen Ein Konzern kann vor Gericht ziehen, ein Berg oder Fluss nicht. Dokumentarfilmer Claus Biegert engagiert sich für die Rechte der Natur, speziell für den oberbayerischen Fluss Loisach. Im Interview erklärt er, warum der Fluss Rechtsperson werden soll, was sich dadurch ändert und warum die Erde eine Stimme braucht.
KI-Bild von Teresa von Avila, in die heutige Zeit gesetzt, Foto: Midjourney

Mystik trifft Zukunft

Wie Teresa von Ávila Meditation und Handeln verbindet Teresa von Ávila ist als christliche Mystikerin in die Geschichte eingegangen. Mit ihrer handlungsorientierten Achtsamkeit könnte sie einen Schlüssel für die Lösung unserer Probleme in der Hand halten. Sie sah die Meditation und Stille als Quelle für das Handeln an und begründete eine Spiritualität, die ein Handeln aus Liebe ins Zentrum rückt.
Foto: privat

Hirn und Herz verbinden

Audio-Interview mit dem Herzchirurgen Dr. Friedl Das Herz hat die Qualitäten des Fühlens, der Fürsorge und Liebe. Es arbeitet ununterbrochen, damit wir leben können. Herzchirurg Dr. Reinhard Friedl  empfiehlt im Interview, dem Herzen Pausen zu gönnen, auf die innere Stimme zu hören und öfter dem Herzen zu folgen.
kit8.net/ shutterstock.com

Kategorien