Interview mit Prof. Stefan Elbel
Die Klimakrise bringt mehr Hitzwellen. Viele wünschen sich eine Klimaanlage. Doch ältere Anlagen enthalten schädliche Kältemittel, die das Klima weiter aufheizen. Gleichzeitig müssen wir unsere Gesundheit schützen. Prof. Elbel rät zum Umstieg auf natürlich Kältemittel, um nachhaltig zu werden.
Das Gespräch führte Maria Köpf
Viele Klimaanlagen enhalten Kühmittel, die selbst Treibhausgase sind. Bringen uns solche Anlagen vom Ziel der Bundesregierung weg, bis 2045 klimaneutral zu werden?
Elbel: Eine Klimaanlage ist ökologisch gesehen zweischneidig. Einerseits könnte durch ein umsichtigeres Nutzungsverhalten viel Energie eingespart werden. Zum anderen kommen häufig noch treibhausfördernde Kältemittel zum Einsatz, für die es bessere Alternativen gibt.
Die Umstellung auf die umweltfreundliche F-Gas-Verordnung der EU ist relativ langsam, da sich die Gesetze auf neue Anlagen beziehen und alte Geräte oft noch jahrelang betrieben werden können. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass ältere Klimaanlagen nicht nur für das Klima bedenkliche Gase freisetzen, sondern auch weniger energieeffizient sind.
Worin sehen Sie die technischen Herausforderungen für Deutschland?
Elbel: In Deutschlands Städten führen insbesondere geteerte Straßen, Betonbau, Versiegelung in Ballungsgebieten und mehrstöckige Häuser zu drückender Hitze – trotz der eigentlich gemäßigten Klimazone. Durch zunehmende Hitzetage wird die Nachfrage nach Klimaanlagen steigen – und damit die Menge an Treibhausgasen, Stromverbrauch und Abwärme.
Auch kühlt es nachts in städtischen Gebieten weniger ab, weil sich die Hitze staut. Dennoch lassen sich in Deutschland in den allermeisten Nächten mit einfachen Ventilatoren gute Ergebnisse erzielen. Ventilatoren sorgen bei geöffneten Fenstern nachts für Durchzug. Ist die Luftfeuchtigkeit nicht zu hoch, kommt es Menschen durch den kühlenden Effekt des Schwitzens recht schnell kühler vor.
Schwieriger ist es, bei direkter Sonneneinstrahlung und hohen Außentemperaturen, also tagsüber, ein gemäßigtes Klima in Innenräumen zu schaffen. Für Ältere, Kranke und Menschen im Homeoffice sind klimatisierte Wohnungen dann essentiell.
Wir sollten während der heißesten Stunden weniger tun.
Welche Art von Klimaanlagen sind zu bevorzugen?
Elbel: Als Gesellschaft stehen wir bald vor der Frage, was wir bevorzugen: außen unansehnlich, laut und energieaufwändig oder innen zu heiß und unerträglich? Viele der in Deutschland immer beliebter werdenden mobilen Klimageräte werden zu 100 Prozent mit Frischluft betrieben. Das ist energetisch gesehen bedenklich.
In Ländern wie Japan, Südkorea und China kommen dagegen oft energieeffizientere Mini-Split-Geräte zum Einsatz. Hier sind die Außeneinheiten durch Verrohrung mit Kühleinheiten in den Innenräumen verbunden.
Doch den breiten Einsatz dieser Geräte in Deutschlands Miets- oder Eigentumswohnungen kann ich mir nicht vorstellen. Wegen erheblicher Baumaßnahmen, umständlicher Genehmigungen und dem Geräuschpegel der Anlagen. In den USA beispielsweise würde niemand auf die Idee kommen, eine solche Anlage als zu laut oder unansehnlich einzustufen. Sie schützt die Gesundheit und hebt die Lebensqualität.
Werden Klimaanlagen auf anderen Kontinenten weniger kritisiert?
Elbel: In den USA und in Asien herrschen heißere Sommer und weit mehr Luftfeuchtigkeit vor. Dort funktioniert die Verdunstungskühlung durch Schwitzen nicht so gut. Hierzulande aber würde helfen, das Verhalten an heißen Tagen den äußeren Gegebenheiten anzupassen.
Wir sollten uns daran gewöhnen, weniger während der heißesten Stunden des Tages zu tun. Auch wegen der höheren Strompreise hierzulande. In Südamerika wird beispielsweise nur ein Zimmer und nur nachts gekühlt, in dem dann die gesamte Familie schläft. Das geschieht aus Kostengründen.
Wir müssen zurück zu natürlichen, klimaschonenden Kältmitteln.
Welches Szenario könnten Sie sich für umweltfreundliche Anlagen in Deutschland vorstellen?
Elbel: Ich halte es für möglich, die immer beliebter werdenden Wärmepumpen auch bald flächendeckend als umschaltbare Klimaanlagen anzubieten. Zumal es bald Lösungen gegen die Bildung von Wassertropfen durch das Kondensat geben könnte. Das ist wichtig beim Einsatz von Wärmeübertragern, die für das Heizen konzipiert sind.
Unterm Strich könnten wir mit solchen umweltfreundlichen Wärmepumpen im Winter Energie einsparen, diese jedoch im Sommer durch leicht zugängliche Klimatisierung wieder ausgeben. Auch hier hängt wie gesagt vieles vom Nutzungsverhalten ab.
Und wenn es nicht zu diesen umweltfreundlichen Klimaanlagen mittels Wärmepumpe kommt?
Elbel: In Gebäuden werden oft noch Klimaanlagen mit teilfluorierte Kohlenwasserstoffen (HFKW) wie R410A eingesetzt. Doch neuere Kältemittel wie R410A besitzen im Vergleich zu CO2 ein um 2088-fach stärkeres Treibhauspotenzial.
Der Weg führt deshalb zurück zu den natürlichen Kältemitteln. Ideal sind Klimaanlagen mit natürlichen Mitteln wie Ammoniak, Kohlendioxid, Propan oder Isobutan.
Klimatisieren ohne die schädlich HFCKW ist möglich.
Würden Sie abwarten, bis sich der Markt aufgrund der Klimaziele des Bundes selbst reguliert?
Elbel: Um Hitzewellen klimaschonend zu überstehen, müssten wir verstärkt auf natürliche Kältemittel setzten. Doch dazu müsste die Industrieinfrastruktur verbessert und industrielle Forschung ausgebaut werden.
Staatliche Belohnungsanreize wie „Incentives“ könnten zum Bau klimaschonender Geräte führen. Grundsätzlich ist Klimatisieren ohne treibhausförderliche HFKW längst möglich. Seit 2019 gibt es zumindest für Einfamilienhäuser neueren Datums propanbetriebene Monoblock-Wärmepumpen. Diese können sowohl als nachhaltige Klimaanlagen als auch als förderfähige Umweltheizung genutzt werden.
Ökologischere Klimaanlagen können sich jedoch meist nur reichere Menschen leisten, oder?
Elbel: Der Preis für die Geräte wird sinken, je mehr wir in die Industrie für nachhaltige Klimaanlagen investieren und Menschen bewegen, sich eine nachhaltige Klimaanlage zu kaufen.
Der Markt diktiert den Preis, wir sollten die Marktregularien also kennen und nutzen. Auf der anderen Seite bleibt natürlich der gesteigerte Stromverbrauch, den man sich leisten können muss, wenn man nicht auf Klimatisierung im Sommer verzichten kann.
Gute Beispiele, wie treibhausarmes Kühlen bereits nachhaltig funktioniert
Der Stuttgarter Flughafen und der Berliner Ostbahnhof kühlen bereits klimaneutral – mittels Ammoniak-Kaltwasseranlagen. Das natürliche Kältemittel Ammoniak ist klimaneutral.
Für den Privatgebrauch sind Propan Monoblock-Wärmepumpen und Mini-Split Klimaanlagen bereits erhältlich. Ein großer Fahrzeughersteller bietet zudem (derzeit gegen Aufpreis) eine CO2 Wärmepumpe für seine E-Fahrzeuge an.
Für größere Anlagen, z.B. zur Kühlung von Rechenzentren, könnten mit Wärmeenergie betriebene Sorptions-Kältemaschinen zum Einsatz kommen, die mittels Abwärme von Solarkollektoren oder Fernwärme ökologisch betrieben werden und den gewünschten Kühleffekt direkt aus Wärme erzeugen können.
Stefan Elbel ist seit April 2023 Professor an der TU Berlin und leitet das Fachgebiet Wärmeübertragung und Wärmewandlung, wo er sich mit nachhaltigen Kühl- und Heizkonzepten befasst. Zu seinen Forschungsinteressen gehören die Entwicklung von Komponenten und Systemen für den Einsatz natürlicher Kältemittel. Zuvor lebte er über 20 Jahre in den USA. Er promovierte an der University of Illinois und arbeitete dort zuletzt als Co-Director des Air Conditioning and Refrigeration Centers und als CEO der privaten Forschungseinrichtung Creative Thermal Solutions.