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Meditations-Apps für unterwegs

Foto: Conni Eybisch-Klimpel
Meditieren mit Smartphone |
Foto: Conni Eybisch-Klimpel

Die Psychologin Eybisch-Klimpel findet sie hilfreich

Die frühere Zen-Praktizierende hat die neuen Meditations-Apps getestet und ist begeistert. Sie kann mehr experimentieren, die Übungen besser in den Tagesablauf integrieren und ist nicht angewiesen auf religiöse oder esoterische Kontexte und Gemeinschaften.

 

Smartphones können Stress erzeugen, uns aber auch viel Freude und Inspiration vermitteln. Wir können uns damit die ganze Welt sofort in die Hand holen. Aber dann müssen wir mit der Fülle dieser traurigen, beängstigenden, schwierigen und schönen Informationen klar kommen. Die Reize und die Angebote sind durch Smartphones mehr und reicher geworden.

Und genau darum geht es beim Meditieren lernen: einen Spalt, einen Raum zwischen diesen äußeren Reizen und den eigenen inneren Reaktion zu schaffen. So können wir einen Freiraum gewinnen, der es uns ermöglicht, erst mal zu beobachten, eine Haltung zu entwickeln, uns unserer Gefühle und Gedanken klar zu werden.

Am Ende dieses Prozesses sind wir fähig, souveräne Entscheidungen zu treffen und selbstbestimmt handeln zu können. Mehr denn je brauchen wir heute Techniken, die es uns erlauben, unseren Geist – diese sich ständig drehende Waschmaschine – und unsere Gefühle zu beobachten, statt uns davon überschwemmen zu lassen. Wir brauchen Zeit, um auf den inneren Kompass achten zu können, um nicht wie ferngesteuert durch einen Autopiloten durch die Gegend zu laufen.

Jeden Morgen sitze ich 20 Minuten mit dem Kopfhörer und meiner Headspace-App und übe exakt das. Das tut mir sehr gut. Wenn ich die Praxiszeit mal verschlafe, fehlt mir etwas. Es ist, als ob ich einen inneren Freiraum aufspanne, wie ein Zelt. Und wenn es im Alltag schwierig, schmerzhaft oder anstrengend wird, habe ich diesen Raum in mir, der mir Abstand erlaubt. Die Gefühle und Gedanken sind immer noch da – aber sie beeinträchtigen mich nicht.

Ich habe vorher lange Jahre Zazen, Sitzmeditation geübt. Zunächst in einer zen-buddhistischen Gruppe. Die religiöse Einbettung stieß mich aber immer mehr ab und so entschied ich mich, alleine zu sitzen. Als Hilfsmittel habe ich mir die App Insight-Timer heruntergeladen, eine Art Meditationswecker mit verschiedenen Gongtönen. Das Sitzen wurde irgendwann zur Routine.

Inspiration durch Meditationsforschung

Erst die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Meditationsforschung brachte mich dazu, mehr mit der Meditation zu experimentieren. Diese Experimentierfreude hat mich dann auf die App Headspace gebracht. In ihr sind eine Reihe von Achtsamkeitstechniken zusammen geführt, die ich als wirkungsvoll erlebe: Achtsamkeitsübungen, die die Haltung, das Körpergewahrsein, die Atmung, die Gedanken- und Gefühlsbeobachtung betreffen. Besonders gut gefällt mir, dass es nicht bei der Übung an sich bleibt, sondern darum geht, die Übung im Alltag und den Umgang mit den Menschen, die uns umgeben, anzuwenden.

Nach wie vor erlebe ich schwierige, traurige, schmerzliche oder ärgerliche Dinge. Aber ich gehe nicht mehr ganz so schnell auf die Palme. Außerdem hat mich die App dazu gebracht, die guten Menschen und die guten Dinge in meinem Leben gezielter wahrzunehmen und mehr wertzuschätzen. Das empfinde ich als sehr bereichernd.

Im Trend: Meditation und Achtsamkeit

Dass Meditation und Achtsamkeit für viele Menschen heute fast ein modischer Trend geworden ist, könnte daran liegen, dass viele Menschen Erfahrungen mit Stress und Erschöpfung machen und wissen, dass es so nicht weiter gehen kann. Wir leben in einer reichen und reizvollen Zeit, das macht es schwer, das rechte Maß zu finden. Es wird uns alles zuviel, es erschöpft uns.

Die Rede vom „Burnout“ macht die Runde durch Print- und Online-Magazine. Vielerorts wird beklagt, dass wir zugleich überreizt, übergewichtig und doch emotional unterernährt sind. Das wirft Fragen auf: Wie können wir das rechte Maß finden? So etwas wie Wertschätzung und Dankbarkeit überhaupt wieder spüren? Welche Techniken können uns helfen durch das übermäßige Reiz- und Informationsangebot souverän zu navigieren? Was kann uns zurückhalten, nicht auf jedes Pferd aufzuspringen, das vorbei galoppiert kommt? Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist die allmählich wachsende Erkenntnis, dass ein Mehr an Konsum ab einem gewissen Sättigungsgrad kein Mehr an Wohlstand bringt. Viele Menschen machen die Erfahrung, dass sie alles haben, was man sich wünschen kann. Sie fühlen sich trotzdem innerlich leer, sind unzufrieden und werden vielleicht sogar krank. Glück und Zufriedenheit müssen also etwas mit der Art unseres Erlebens, unserer Haltung zu den äußeren Umständen, den Menschen, den Ereignissen zu tun haben. Mit unserer Einstellung zum Leben.

Einen wesentlichen Zugang zur Meditation schafft derzeit die wissenschaftliche Forschung, sowohl die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung als auch die klinische Forschung. Sie hat es geschafft, Instrumente und Methoden zu entwickeln, die zeigen, dass an den jahrtausendealten Erfahrungsberichten tatsächlich etwas dran ist, was sich in Zahlen ausdrücken lässt. Insbesondere die bildgebenden Verfahren machen objektiv sichtbar, was bis vor kurzem nur introspektiv erlebbar war: Dass das meditierende Gehirn Reize anders verarbeitet und dass Meditation das Gehirn nachhaltig strukturell verändert.

Ich finde, es ist eine sehr gute Entwicklung, wenn immer mehr Menschen Achtsamkeitstechniken lernen. Und ich glaube, das, was wir jetzt erleben, ist erst der Anfang. Es wird gar nicht mehr so lange dauern, da wird die Übung mentaler Techniken genauso etwas Normales sein wie Sport.

Der große Vorteil von Apps ist, dass Interessenten auch dann einen Zugang zum Erlernen von Meditation finden, wenn man es nicht anders lernen kann oder will. Beispielsweise könnten sie die üblichen Zugänge in religiösen, esoterischen oder auch klinischen Kontexten abschrecken oder sie finden keine Meditationsangebote in der Nähe. Man muss sich nicht mit den Allüren eines Lehrers oder den Prozessen einer Gruppe auseinandersetzen.

Das Gute an einer App ist auch: Man hat seinen Meditationslehrer immer parat und kann das Meditieren gut an den eigenen Tagesrhythmus anpassen, wo auch immer man sich physisch aufhält. Das ist gerade für Menschen mit einem unregelmäßigen Tagesablauf, z.B. für Schichtarbeiter oder junge Eltern wichtig oder für Menschen, die viel unterwegs sind. Über die App erhalten wir Zugang zu sehr guten ausgewählten Meditationslehrern, die weit weg, vielleicht in anderen Ländern oder gar auf anderen Kontinenten leben.

Ein Nachteil ist die vorübergehende Abhängigkeit vom Gerät: Als ich auf einer Dienstreise mein Ladegerät vergessen habe, fühlte ich mich von meinem Lernprogramm abgekoppelt, das hat mich gestört. Ich habe dann aber einfach meine Übung ohne die Kopfhörer und die Anleitung gemacht. Für mich war es eine gute Erinnerung, dass ich kein Gerät brauche, um meditieren zu können.

Die App kann auch kein Feedback über die Körperhaltung geben. Etwas, was ich bei meinen Zen-Meditationen immer als sehr hilfreich empfunden habe, waren die Haltungskorrekturen. Der direkte Austausch über die Meditationserfahrungen oder aufkommende Fragen ist schwieriger, wenn man niemanden hat, mit dem man über Meditation sprechen kann.
Cornelia Eybisch-Klimpel

Meditations-Apps im Vergleich

Headspace: Andy Pudycombe, ein ehemaliger buddhistischer Mönch, hat mit der App Headspace laut „New York Times“ die Meditation den Massen nahe gebracht. Mehr als eine Million Menschen meditieren nach dieser App. Er hat Meditation entmystifiziert und sie so auch für kritische Menschen, die nicht religiös sind, zugänglich gemacht.

Die App nimmt den User an die Hand, führt
in die verschiedenen Aspekte der Meditation ein und lässt auch wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. Jeder Schritt wird nachvollziehbar erklärt. Pudicombe eröffnet einen neuen, experimentellen Zugang zu den verschiedenen Techniken. Sowohl die App als auch die Website stellen eine Fülle von Begleitmaterial her. Herausragend sind die kurzen animierten Filme, die wichtige Zusammenhänge eindrücklich, gut recherchiert, aber auch humorvoll und graphisch ansprechend visualisieren. Hinter der App steht ein Team, das von klinischen Experten unterstützt wird.

Insight Timer ist eine amerikanische App, bei der man die Meditationsdauer einstellen kann. Sie unterdrückt je nach Einstellung während der Meditationszeit alle Klingel- und Anruftöne, sodass man vom Handy nicht gestört wird. Und dann ertönt der ausgewählte Holz- oder Gong-Ton.

Was man beim Meditieren macht, ob man auf den Atem, den Körper, die Gedanken, die Gefühle oder auf gar nichts fokussiert, ist einem selbst überlassen. Es gibt eine App-Community, der man mitteilen kann, wann man meditiert, sodass man auf einer Weltkarte sehen kann, wer wo auf der Erdkugel gerade mit-meditiert.

Achtsamkeits-App: Die deutschsprachige und kostenlose „Achtsamkeits-App“ wurde von dem meditationserfahrenen Arzt Marc Loewer entwickelt. Sie ist für Menschen, die nicht so gut englisch verstehen oder kein Geld für die App ausgeben wollen eine gute Alternative zur Headspace-App.Sie vermittelt frei von Glaubensfragen Techniken, die man auch ohne das Gerät üben kann. Sie hat eine Reihe von Erinnerungs- und Dokumentationsfunktionen, die die Übung unterstützen können.

Zusammengestellt von Cornelia Eybisch-Klimpel, Juli 2014

Cornelia Eybisch-Klimpel ist Beraterin und Trainerin bei „Frau und Beruf e.V.“, einer Beratungsstelle für Berufswegplanung in Berlin. Sie ist Diplompsychologin und gelernte Tageszeitungsredakteurin.
Weitere Infos unter: eybisch-klimpel@frauundberuf-berlin.de

 

 

 

 

 

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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