Mutiges Start-up mit Achtsamkeitszeitschrift
Stefanie Hammer verwirklichte ihr Traumprojekt: ein eigenes Achtsamkeitsmagazin. In Zeiten, in denen jedes Jahr mehr als 1000 neue Printmagazine den Zeitschriftenmarkt fluten, braucht es viel Mut für so ein Start-up-Unternehmen. Woher sie die Kraft dazu nahm, verriet sie im Gespräch mit Ethik heute.
Das Interview führte Michaela Doepke
Frage: Was hat Sie motiviert, ein Achtsamkeitsmagazin (Titel: Moment by moment) in Eigeninitiative herauszugeben?
Hammer: Schon vor zehn Jahren habe ich mir gedacht: Es gibt eigentlich kein fundiertes Achtsamkeitsmagazin im deutschsprachigen Raum und es wäre sinnvoll, eines ins Leben zu rufen. Ich habe diese Idee damals auch einigen Verlegern angetragen, immer mit der Vorstellung, eine Kooperation einzugehen und gemeinsam so ein Projekt zu starten. Leider kam es nicht dazu.
„Ich probiere das jetzt einfach!“
Aber den Wunsch dazu habe ich weiterhin in meinem Herzen getragen. Auf der Buchmesse im Oktober 2015 war für mich der Zeitpunkt gekommen, wo ich beschlossen habe: Ich probiere das jetzt einfach. Und bereits ein Jahr später ist das Heft im Oktober 2016 tatsächlich aus der Druckerei gekommen und ich halte es in meinen Händen. Es erscheint am Kiosk in Deutschland, Österreich und der Schweiz am Bahnhof und Flughafen.
Ich finde, Sie haben großen Mut bewiesen und vielleicht auch Idealismus, im digitalen Zeitalter eine Printzeitschrift zu gründen. Zusätzlich kommen jedes Jahr 1000 bis 1500 neue Zeitschriften auf den Markt.1 Was gibt Ihnen eigentlich die Zuversicht, dass ausgerechnet Ihr Magazin von Interesse ist?
Einerseits war es so, dass ich letztes Jahr auf einem Seminar mit Chökyi Nima Rinpoche war. Das ist ein tibetischer Meister. Dieser hat mir zu meinem Erstaunen eher so beiläufig im Vorbeigehen geraten: „Du solltest mal dein eigenes Magazin machen!“
Und dann habe ich gedacht: Hat er das jetzt ernst gemeint? Weil diese Idee ja schon länger in mir war. Ich habe mich dann mit mehreren Leuten aus der Branche getroffen, die in diesem Bereich sehr aktiv sind, u. a. auch mit Lienhard Valentin vom Arbor Verlag. Er hat mich sehr stark motiviert und auf diesem Weg begleitet und mich mit den Worten bestärkt: „Mach das! Das ist eine sehr gute Idee, weil es so etwas noch nicht gibt.“
Keine Mainstream-Zeitschrift
Also ich habe ganz klar diese Nische gesehen. Und es ist für mich wirklich ein Nischenprodukt. Es ist kein Mainstream-Heft wie die anderen Achtsamkeitsmagazine, die auf dem Markt sind und die im Gegensatz zu mir auch keine One-Woman-Show sind. Diese großen Printmagazine haben einfach einen Riesenkonzern hinter sich mit einem großen Werbeetat und dem Fokus auf den Kioskvertrieb.
In unserer Redaktion geht es eher darum, Menschen zu erreichen, die wirklich Achtsamkeit praktizieren, die sich für das Thema interessieren oder auch beruflich in diesem Bereich tätig sind.
Wie haben Sie das Magazin finanziert?
Die ganze Entstehungsgeschichte ab Oktober 2015 lief so, dass ich mich hingesetzt und immer wieder daran gearbeitet habe. Ich habe das Projekt täglich weiter entwickelt und gegen Ende des Jahres habe ich beschlossen: Jetzt brauche ich einen Grafiker. Kurt Liebig hat dann mit mir das Heft „moment-by-moment“ entwickelt und geboren.
Ich wusste jedoch nicht, wie ich das „Baby“ finanziere. Ich wusste es ganz lange nicht. Das habe ich auch dem Layouter gesagt. Ich sagte ihm: Ich habe eine Idee im Kopf. Ich möchte die jetzt einfach mal vorantreiben. Dann habe ich ihn immer wieder von meinem Ersparten bezahlt und gemeint: Ja, schaun wir mal, schaun wir mal. Und dann war es irgendwann Juli und ich wusste, wenn ich im Herbst erscheinen will, dann muss ich irgendwann auch mal Papier bestellen.
Sie haben das Projekt wirklich selbst finanziert?
Ja. Ich habe einen Businessplan gemacht und bin damit zur Bank gegangen. Ich war gespannt, was die so erzählen. Meine Idee war, das Zeitschriftenprojekt mit der GLS-Bank durchzuziehen, weil das auch von Inhalt her gut gepasst hätte. Zuerst bin ich zur Sparkasse gegangen, um mir anzuhören, was ich alles falsch gemacht habe. Aber die Sparkasse hatte dann zu meiner Überraschung reges Interesse daran, mich zu unterstützen. Daher bin ich bei der Sparkasse geblieben.
Credo der Bank: „Der Mensch überzeugt“
Das ist ja sehr erstaunlich, dass die Bank so ein unsicheres Start-up-Unternehmen finanziert. Wie haben Sie die Bank überzeugen können, dass das ein Erfolgskonzept ist?
Ich habe einen 30-seitigen Businessplan geschrieben, und scheinbar waren die Zahlen nicht ganz verkehrt. Aber wie der Banker sagte: „Man kann den besten Businessplan schreiben, aber der Mensch überzeugt.“ Das ist so das Credo. Und das liegt mir glaube ich auch ganz gut, mich für meine Sachen einzusetzen.
Außerdem ist Achtsamkeit mittlerweile in der Gesellschaft angekommen. Selbst der Banker konnte damit etwas anfangen. Das hat mich sehr erstaunt. Er fand das alles sehr schlüssig, was ich vorhabe. Sportlich, aber schlüssig (lacht).
Und wie integrieren Sie das Thema Ethik in Ihrem Magazin? Oft wird Achtsamkeit nur mit Aufmerksamkeit assoziiert und die Ethik, die ja ursprünglich im Buddhismus untrennbar zur Achtsamkeit gehört, fällt unter den Tisch.
Das machen wir nicht. Letztendlich ist es ja so, dass man die Ethik und das Mitgefühl von der Achtsamkeit nicht trennen kann. Der Ursprung der Achtsamkeit war dazu da, um Mitgefühl zu entwickeln. Wenn man all das davon trennt, dann ist die Frage: Wo ist der Sinn der Praxis? Wir von „moment by moment“ wollen schon darauf achten, dass wir authentische Autoren und Themen finden, die für uns das repräsentieren, was es eben von der Grundbedeutung her ist. Die Ethik findet hier einfach ihren Platz.
„Ein Feuer, das in mir brennt …“
Bleibt es dabei, dass das Heft alle zwei Monate im Zeitschriftenhandel erscheinen soll?
Genau. Das Heft erschien erstmals im Oktober 2016. Und dann haben wir noch einmal ein wenig Zeit, aus der ersten Ausgabe zu lernen, uns wirklich darauf vorzubereiten. Ab März 2017 werden wir regelmäßig erscheinen.
In welcher Auflage?
Aktuell drucken wir 10. 000 Hefte. Aber je nachdem peilen wir schon mal 20.000 Hefte an. Wir werden sehen. Das hängt natürlich auch von der Resonanz ab. Das Schöne war, dass der Kioskvertrieb mit niedrigeren Zahlen gerechnet hatte als wir sie letztendlich haben. Es sind 30 Prozent mehr Hefte bestellt worden vom Kiosk, nachdem das Heft vorgestellt worden ist. Von daher ist dieser neutrale Markt auch positiv auf uns eingestellt und sehr interessiert. Irgendwie glauben sie an uns.
Was gibt Ihnen persönlich die Kraft, die vielen Schwierigkeiten zu überwinden, so ein Heft in Eigenregie auf den Markt zu bringen?
Vertrauen. Manchmal habe ich mir schon gedacht, es grenzt an Wahnsinn, was ich hier mache. Weil wir auf einem sehr hohen Niveau arbeiten. Das Layout ist Fotografie. Wir haben ein Fotografenteam. Wir haben immer extra Shoots für viele Themen gemacht.
Auch beim journalistischen Niveau haben wir versucht, das Magazin auf einem hohen Segment anzulegen. Es ist einerseits das Vertrauen, es ist mein Feuer, das in mir brennt, das ganze Thema. Ich praktiziere selber seit 23 Jahren, erst in der Theravada-Tradition Vipassana und habe auch sieben Jahre ein Achtsamkeitsinstitut in Freiburg mit aufgebaut.
Und Sie kommen aus der Verlagsbranche?
Genau. Ich bin dort seit 25 Jahren unterwegs. Ich hatte zehn Jahre ein eigenes Magazin und mache jetzt auch sehr viel Pressearbeit für Verlage. Ich weiß einfach aus eigener Erfahrung, was Achtsamkeit bewirken kann. Ich bin
überzeugt davon, dass man mit Achtsamkeitspraxis ein zufriedeneres und glücklicheres und erfülltes Leben führen kann, wenn man mehr im Hier und Jetzt lebt.
Frau Hammer, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Glück und Erfolg mit Ihrem neuen Magazin.
Weitere Infos: www.moment-by-moment.de/
Neues Magazin: Moment by Moment
Erstausgabe “Glück”, Ausgabe 05/Herbst 2016
Zweites Heft: “Herz der Achtsamkeit”, Ausgabe 01/2017
Anmerkungen:
1) Statistiken zu den Zeitschriften in Deutschland
Derzeit existieren rd. 20 000 deutschsprachige Zeitschriften auf dem Markt. Laut dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) wurden 2016 knapp 1.590 Publikumszeitschriften in Deutschland publiziert. Zum Vergleich: 1997 waren es rund 550 Titel weniger. Insgesamt lasen im Jahr 2015 mehr als 30 Millionen Deutsche mehrmals wöchentlich Zeitschriften. Die auflagenstärksten Zeitschriften in Deutschland sind die Programmzeitschriften tv14, TV Digital und TV Direkt und Hörzu (Stand: 3. Quartal 2016). Gemessen an den Anzeigenumsätzen waren laut Nielsen die Nachrichtenmagazine stern und Der Spiegel, gefolgt vom Focus im Jahr 2015 am erfolgreichsten. Nach Bild.de sind Spiegel Online und Focus Online die meistbesuchten Nachrichtenportale nach der Anzahl der Visits. https://de.statista.com/themen/590/zeitschriften/