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Palästinensern Hoffnung und Sicherheit geben

Albin Hillert
Albin Hillert

Friedensaktivisten im Westjordanland

Noch nie fühlten sich die Palästinenser unsicherer als heute, die israelische Politik wird immer rigider. Der Ökumenische Rat der Kirchen schickt im Rahmen seines Projekts “EAPPI” Friedensaktivisten ins Westjordanland, um die Palästinenser auf täglichen Wegen zu begleiten. Ein Erfahrungsbericht von Johannes Zang.

Besetztes West-Jordanland: Israels Militärbesatzung währt nun fast 56 Jahre. Zwei, wenn nicht drei Generationen von mittlerweile fünf Millionen Palästinensern kennen nichts als Unfreiheit und Abhängigkeit in fast allen Belangen von der Besatzungsmacht Israel: Ob Bewegungsfreiheit von Palästina nach Israel oder selbst innerhalb des palästinensischen West-Jordanlandes, Export oder Import, ob Familienzusammenführung eines Palästinensers mit seiner ausländischen Ehefrau oder Baugenehmigungen – alles bedarf israelischer Zustimmung. Und die wird meist verweigert.

Dazu erleben Palästinenser fast jede Nacht Razzien, manchmal mit Toten, Verletzten, Verhafteten – zunehmend sind auch Kinder und Jugendliche betroffen. Israelische Soldaten und Grenzpolizisten töteten in 2022 im West-Jordanland und in Ost-Jerusalem 146 Palästinenser, 34 Kinder und Jugendliche – die höchste Zahl seit 2004 – so lauten die Angaben der Menschenrechtsorganisation B´Tselem; palästinensische Quellen nennen noch höhere Zahlen. Zehn Israelis, mehrheitlich Zivilisten, wurden laut B´Tselem von Palästinensern im West-Jordanland 2022 getötet.

Den seit 1882 gärenden Konflikt wird wohl die Anfang 2023 gewählte ultra-nationalistische, ultraorthodox-religiöse, siedlerfreundliche Regierung weiter anheizen und befeuern.

Noch nie fühlten sich Palästinenser so unsicher

2022 nahm auch die Gewalt seitens jüdischer Siedler im West-Jordanland zu. Die UN-Agentur OCHA verzeichnete fast eine Verdopplung der Angriffe von Siedlern auf 849 im Vergleich zum Vorfahr.

Mal hindern radikale Siedler palästinensische Bauern bei der Olivenernte, stehlen die Früchte oder verprügeln die Pflücker, mal vergiften sie Brunnen oder Schafe. Traktoren, Geräte und Werkzeuge wurden wiederholt beschädigt oder gestohlen, Häuser beschmiert oder in Brand gesetzt.

Lagebesprechung vor einem Einsatz in Hebron. Foto: Zang

Noch nie haben sich Palästinenser so unsicher gefühlt wie heute – gerade Kinder, die auf dem Schulweg an jüdischen Siedlungen vorbeigehen müssen. Versuche, Hilfe vom israelischen Militär zu erhalten, sind nicht nur fehlgeschlagen, sondern „in vielen Fällen ist es sogar die Armee selbst, die schikaniert, drangsaliert und Unsicherheit für Schüler und Lehrer erzeugt,“ beklagt Marianne Ejdersten vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK).

Vor genau 20 Jahren startete der ÖRK die Initiative EAPPI – und zwar aufgrund eines Appells Jerusalemer Kirchenoberhäupter. Die Idee ist, dass ausländische, ehrenamtliche Friedensaktivisten – genannt EAs – Palästinenser begleiten, z.B. auf dem Schulweg oder bei der Ernte.

EA Prokop hat in Hebron Kinder aller Altersstufen begleitet. „An einem Tag ging alles glatt, am nächsten durchsuchten Soldaten die Kinder, hielten ihre Lehrer wurden auf oder schlossen einfach die Schule.“

Auch gewaltsame Ausschreitungen in der Nähe von Schulen hat er miterlebt, da habe die Armee Tränengas eingesetzt. Fakt ist für ihn, dass „Kinder Angst haben, zur Schule zu gehen.“ Sind sie dort heil angekommen, „ängstigen sie sich jedoch, was wohl noch an diesem Tag passieren könnte.“

Er und andere EAs aus europäischen Ländern haben kürzlich Mitgliedern des Europäischen Parlaments berichtet, „wie der fehlende Frieden in Palästina und Israel die Bildungschancen von Kindern beeinträchtigt“ – so heißt es auf dem EAPPI-Blog.

In Hebron werden Friedensaktivisten dringend benötigt

Seit nunmehr 20 Jahren leisten Ökumenische Begleiter (engl. Kürzel EAs), darunter auch deutsche, an sechs Einsatzorten im West-Jordanland und Ost-Jerusalem ihren Dienst: Sie beobachten auch Trennmauer und Kontrollpunkte und unterstützen Friedens- und Menschenrechtsgruppen beider Seiten wie B´Tselem, Machsom Watch oder Breaking the Silence. Auch bei gewaltfreien Kundgebungen sind sie dabei.

Nicht zuletzt leisten EAs Schutzfunktion bei der palästinensischen Olivenernte oder im Dorf Yanoun unweit Nablus durch eine 24-Stunden-Präsenz, um Übergriffe militanter Siedler zu verhindern. Andere begleiten Beduinen beim Weiden ihrer Herden.

„Wenn wir einen positiven Beitrag leisten können, damit eine Schülerin ihre Schule oder ein gläubiger Mensch seine heilige Stätte erreicht oder ein lokaler Friedensstifter Brücken von A nach B baut – dann ist das ein wichtiger Beitrag, der zudem die rauen Folgen der Besatzung für den normalen Palästinenser mildert,“ ist Ejdersten überzeugt. Außerdem werde so „die Hoffnung lebendig gehalten, bis die Zwei-Staaten-Lösung Wirklichkeit wird.“

Vor allem in Hebron werden EAs dringend benötigt. Dort müssen Schüler am Kontrollpunkt bisweilen ihre Bücherranzen öffnen oder werden von Soldaten befragt. Postiert um die Cordoba-Schule gegenüber der jüdischen Siedlung Beit Hadassah sind sie dank Dienstweste mit dem Logo Kreuz neben Friedenstaube auf Stacheldraht erkenn- und sichtbar.

Wiederholt wurden EAs dort von Siedlern angegriffen. Einmal waren Prellungen die Folge, ein andermal warf ein Siedler einer EA einen fast fußballgroßen Stein an den Kopf. Die Wunde musste genäht werden.

Die Palästinensische Behörde (PA) selbst hat keine Befugnis und Möglichkeit, für Sicherheit und Schutz im West-Jordanland zu sorgen, am allerwenigsten im C-Gebiet desselben (62 Prozent der Fläche), das zivil- und sicherheitsrechtlich weiterhin Israel untersteht. Die Verpflichtung obliegt somit israelischen Behörden, die dieses Gebiet mit circa 400.000 Siedlern und 150.000 Palästinensern kontrollieren.

Zeugen des Lebens unter der Besatzung

Da das israelische Militär nicht für die Sicherheit der Palästinenser sorgt, leisten die internationalen EAs ihren Dienst: Allein aufgrund der Tatsache, einen ausländischen Pass zu besitzen, sind sie „in geringerem Ausmaß Drohungen und Einschüchterung ausgesetzt als Palästinenser. Die Erfahrung zeigt zudem, dass die internationale Präsenz auf israelische Soldaten und Siedler und die Schwere von Menschenrechtsverletzungen mildernd wirkt.“ Grund: Die Täter wissen sich beobachtet. Ihnen ist klar, dass weltweit darüber berichtet wird. Ständig sind bis 30 ökumenische Begleiter für jeweils drei Monate im Einsatz.

Die Friedensbegleiter sind anhand dieses Symbols zu erkennen. Foto: Zang

„Unsere EAs (…) werden Zeugen des Lebens unter Besatzung (…)“, erklärt der ÖRK. Nach ihrem Einsatz heimgekehrt „teilen sie ihre Erfahrungen mit, um so die Augen ihrer Gemeinden, Kirchen und Regierungen für die Realität der Besatzung zu öffnen.“

Mehr als 70 Kirchen, kirchliche Werke sowie ökumenische Gremien von Kanada über Brasilien bis nach Südafrika beteiligen sich mittlerweile am EAPPI-Programm. Die Aktivisten sind zwischen 25 und 70 Jahre alt und es wird erwartet, dass sie körperlich und psychisch belastbar sind. Ein Vorbereitungskurs vor der Ausreise ist verpflichtend.

Der Auswahlprozess, so Ejdersten sei so gestaltet, dass man genau die Bewerber finde, die „herausfordernden Situationen und Vorfällen von Unrecht“ gewachsen seien und dabei die „unsere Standards der Gewaltlosigkeit und humanitärer Unparteilichkeit aufrechterhalten.“

Ihre Genfer Kollegin, Carla Khijoyan, Programmdirektorin für Peace Building in the Middle East (Friedensstiften im Nahen Osten) versichert, ein Dienst als EA sei „eine Lektion der Resilienz und Widerstandskraft, der Hoffnung, Würde und Rechtschaffenheit – eine Lektion, die einen für immer verändert.“

Erfahrungen beim Freiwilligendienst

Susanna Blatt, evangelische Pfarrerin bei Stuttgart, war 2016 in Tulkarem im nördlichen West-Jordanland im Einsatz. Sie sah, „wie das Leben der Palästinenser sehr eingeschränkt ist durch die Mauer, die sie von Verwandten, den heiligen Stätten und wichtigen Einrichtungen in Ost-Jerusalem trennt.“

Geradezu „bedrückend“ sei, dass der „immer weiter voranschreitende israelische Siedlungsbau auf palästinensischem Land einen Frieden auf der Basis von Völkerrecht und Menschenrechten in immer weitere Ferne rücken lässt.“

Bettina Flick war zweimal EA. Gerade die „kleinen Momente“ zeigten ihr, dass ihre „Aufgabe als Menschenrechtsbeobachterin“ sinnvoll ist. „Da traut sich ein Schulkind nicht, allein an den Soldaten vorbeizugehen, ergreift aber freudig meine Hand und geht mit mir zusammen nach Hause.“

Ein Beduine, dessen Zelt mehrfach zerstört wurde, versicherte ihr: „Wenn ihr mich nicht immer wieder besuchen würdet, hätte ich schon lange aufgegeben.“ Und ein palästinensischer Friedensaktivist meinte: „Ihr seid unsere Lebensversicherung. Weil ihr da seid, ist die Gewalt weniger schlimm.”

Johannes Zang, Jg. 1964, hat fast zehn Jahre in Israel und Palästina gelebt. Er ist Autor, sein aktuelles Buch heißt “Erlebnisse im Heiligen Land”, erschienen 2021 bei Promedia Wien. Zang betreibt einmal pro Monat den Podcast Jeru-Salam. Seit 2008 hat er über 60 Reisegruppen durch Israel, Palästina und Jordanien begleitet.

Weitere Infos:

https://www.oikoumene.org/de/what-we-do/eappi

http://www.eappi-netzwerk.de/

https://blog.eappi.org/

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Alle Kommentare

Lieber Herr Zang,
es ist mir ein tiefes Beduerfniss,
Ihnen fuer Ihre Arbeit ein grosses Dankeschoen auszusprechen.
Ich bin selber 2004 mit einer aehnlichen Organisation nach Palaestina gekommen und lebe seitdem hier in Nablus.
Die Arbeit von Ihnen und den anderen Ehrenamtlichen ist so wichtig,
sowohl die diekte Unterstuetzung hier im Land, als auch die Aufklaerung hinterher in Deutschland.
Moegen Ihnen noch viele Menschen in Ihre Fussstapfen folgen..
Herzliche Gruesse aus Nablus,
Wiebke Notz-Bsharat

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