Porträt des Häuptlings Davi Kopenawa
Der brasilianische Schamane und Häuptling Davi Kopenawa ist ein Wanderer zwischen Kulturen und Retter des lebendigen Amazonas-Regenwaldes, der Lunge des Planeten. Geseko von Lüpke porträtiert den engagierten Klimaaktivisten und Träger des Alternativen Nobelpreises, der sich für den Schutz des Planeten einsetzt.
Es geht eine eigene Aura von dem stämmigen, eher kleinen Mann mit diesem stillen Lächeln und den warmen und scharf beobachtenden Augen aus. Seine Bewegungen sind bedacht, seine Wahrnehmung nimmt den ganzen Raum ein, die Sprache ist langsam, präzise. Im Betondschungel der Metropolen ist er nur Gast. Sein Zuhause ist das lebendige Gewebe des unberührten Waldes voller Wesenheiten – Flora, Fauna, Ahnen, unsichtbaren beseelten Kräften, die er Shapiri nennt und ihm bei seiner Arbeit helfen.
Davi Kopenawa ist nach seiner eigenen Schätzung 64 Jahre alt und hat doch Zeitalter erlebt, in denen sich die ganze Geschichte der Menschheit spiegeln. Bei seiner Geburt war der Stamm der Yanomamis noch unentdeckt, wenigen Waldläufern bekannt als kriegerisches ‘unsichtbares Volk’ jenseits des Randes der bekannten Welt.
In seiner Kindheit tauchten erst die Ethnologen auf, die sein Volk zu erforschen vorgaben, dann bald schon die Goldsucher, Abenteurer und Desperados. Sie brachten nicht nur Perlenschmuck, Kleidung und Metall ins verborgene Paradies, sondern auch Malaria, Grippe, Typhus und neuerdings Covid-19.
Der Ruf des Waldes
Davis Eltern starben, wie so furchtbar viele, schnell an den Krankheiten der Städter, die in der Waldwelt tödliche Seuchen wurden. Verzweiflung und Neugier trieben den jungen Krieger aus dem Wald in die Städte, wo er portugiesisch lernte und seine Wurzeln fast verlor. Doch die Einsicht, in der ‘zivilisierten’ Welt zwar auf bunten, faszinierenden Wegen zu laufen, die aber letztlich in eine tote Welt führten, ließen den Ruf des Waldes wieder lauter werden. Davi Kopenawa kehrte zurück und erzählte an den Feuern warnend von der fremden Welt, ersann Strategien der Abgrenzung und des Schutzes, organisierte sein Volk, wuchs an der Gefahr, wurde Häuptling, Schamane und internationaler Aktivist.
Er setzte Land- und Selbstverwaltungsrechte für sein Volk durch, schuf mit der Organisation ‘Hutukara’ eine eigene Vertretung der 40.000 Stammesmitglieder, machte die Yanomamis mit seinem Buch ‘The Falling Sky’ weltbekannt, engagiert sich für Klimaschutz und Menschenrechte.
Unter Präsident Bolsonaro nimmt die Gewalt zu
Heute gilt Davi Kopenawa als der wichtigste Sprecher indigener Völker in Südamerika. Und er wird dringend gebraucht: Denn seitdem der ultrarechte Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens wurde, sind die erreichten Ziele in Gefahr. „Fremde Menschen überfallen unser Land, vergiften die Flüsse, bringen Krankheiten und Tod“, klagt er an: „Wir brauchen die Unterstützung der Stadtmenschen weltweit.“
Die Regierung seines Landes erlaubt es Goldsuchern, illegal im Yanomami-Land zu schürfen, fordert Siedler auf, indianisches Land für Viehfutteranbau zu roden, will an die Bodenschätze heran und provoziert riesige Waldbrände. Gewalt gegen indianische Aktivisten nimmt zu, schon zahlreiche Vertreter wurden ermordet, Ermittlungen behindert.
Davi Kopenawas Ziele sind vielfältig: Er fordert Schutz und Respekt für seine Kultur, Menschenrechte und Demokratie auch für ethische Minderheiten, internationale Garantien für den eigenen Weg indigener Kulturen. Die PolitikerInnen Europas bittet er, Druck auf die autoritäre brasilianische Regierung auszuüben, die Rechte der Ureinwohner zu respektieren. Angesichts der drängenden Klimakrise setzt er auf eine Koalition der globalen Zivilgesellschaft und eine Zusammenarbeit der Generationen, die Organe der lebenden Erde zu schützen und gesunden zu lassen.
Der Amazonas als ‘Lunge des Planeten’ braucht dabei besondere Aufmerksamkeit. Er sieht die indigenen Völker als erfahrene Regenwaldschützer, die vor Ort aktiv sind: „Wir verteidigen den Wald, weil wir ihn lieben!“ Und seine Warnung ist deutlich: „Wenn die modernen Menschen weiterhin den Wald zerstören und uns vergessen, wird großes Unglück über die nächsten Generationen kommen. Jeder kann sich beteiligen am Schutz der Erde!“
Geseko von Lüpke
Davi Kopenawa, brasilianischer Schamane und Häuptling, erhielt im September 2019 den Alternativen Nobelpreis. Er kämpft mit seiner Organisation “Hutukara Yanomami” für die Sicherung der Landrechte und Kultur der Ureinwohner sowie für den Schutz der Wälder und Artenvielfalt im Amazonasgebiet.
Die Right Livelihood Foundation und Survival International äußerten in einem gemeinsamen Brief an den brasilianischen Justizminister Sergio Moro im März 2020 große Besorgnis über die Sicherheit der indigenen Völker in Brasilien. Der Brief, auf dem Foto gezeigt von Davi Kopenawa, wurde von 36 Preisträgern des Right Livelihood Award, auch als „Alternativer Nobelpreis“ bekannt, unterzeichnet, darunter Vandana Shiva (Indien), Nnimmo Bassey (Nigeria), David Suzuki (Kanada) und Erwin Kraütler (Brasilien). Mehr Infos