Retter des Amazonas-Regenwaldes

Foto: Christian Gustavson/Right Livelihood Foundation
Foto: Christian Gustavson/Right Livelihood Foundation

Porträt des Häuptlings Davi Kopenawa

Der brasilianische Schamane und Häuptling Davi Kopenawa ist ein Wanderer zwischen Kulturen und Retter des lebendigen Amazonas-Regenwaldes, der Lunge des Planeten. Geseko von Lüpke porträtiert den engagierten Klimaaktivisten und Träger des Alternativen Nobelpreises, der sich für den Schutz des Planeten einsetzt.

Es geht eine eigene Aura von dem stämmigen, eher kleinen Mann mit diesem stillen Lächeln und den warmen und scharf beobachtenden Augen aus. Seine Bewegungen sind bedacht, seine Wahrnehmung nimmt den ganzen Raum ein, die Sprache ist langsam, präzise. Im Betondschungel der Metropolen ist er nur Gast. Sein Zuhause ist das lebendige Gewebe des unberührten Waldes voller Wesenheiten – Flora, Fauna, Ahnen, unsichtbaren beseelten Kräften, die er Shapiri nennt und ihm bei seiner Arbeit helfen.

Davi Kopenawa ist nach seiner eigenen Schätzung 64 Jahre alt und hat doch Zeitalter erlebt, in denen sich die ganze Geschichte der Menschheit spiegeln. Bei seiner Geburt war der Stamm der Yanomamis noch unentdeckt, wenigen Waldläufern bekannt als kriegerisches ‘unsichtbares Volk’ jenseits des Randes der bekannten Welt.

In seiner Kindheit tauchten erst die Ethnologen auf, die sein Volk zu erforschen vorgaben, dann bald schon die Goldsucher, Abenteurer und Desperados. Sie brachten nicht nur Perlenschmuck, Kleidung und Metall ins verborgene Paradies, sondern auch Malaria, Grippe, Typhus und neuerdings Covid-19.

Der Ruf des Waldes

Davis Eltern starben, wie so furchtbar viele, schnell an den Krankheiten der Städter, die in der Waldwelt tödliche Seuchen wurden. Verzweiflung und Neugier trieben den jungen Krieger aus dem Wald in die Städte, wo er portugiesisch lernte und seine Wurzeln fast verlor. Doch die Einsicht, in der ‘zivilisierten’ Welt zwar auf bunten, faszinierenden Wegen zu laufen, die aber letztlich in eine tote Welt führten, ließen den Ruf des Waldes wieder lauter werden. Davi Kopenawa kehrte zurück und erzählte an den Feuern warnend von der fremden Welt, ersann Strategien der Abgrenzung und des Schutzes, organisierte sein Volk, wuchs an der Gefahr, wurde Häuptling, Schamane und internationaler Aktivist.

Er setzte Land- und Selbstverwaltungsrechte für sein Volk durch, schuf mit der Organisation ‘Hutukara’ eine eigene Vertretung der 40.000 Stammesmitglieder, machte die Yanomamis mit seinem Buch ‘The Falling Sky’ weltbekannt, engagiert sich für Klimaschutz und Menschenrechte.

Unter Präsident Bolsonaro nimmt die Gewalt zu

Heute gilt Davi Kopenawa als der wichtigste Sprecher indigener Völker in Südamerika. Und er wird dringend gebraucht: Denn seitdem der ultrarechte Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens wurde, sind die erreichten Ziele in Gefahr. „Fremde Menschen überfallen unser Land, vergiften die Flüsse, bringen Krankheiten und Tod“, klagt er an: „Wir brauchen die Unterstützung der Stadtmenschen weltweit.“

Die Regierung seines Landes erlaubt es Goldsuchern, illegal im Yanomami-Land zu schürfen, fordert Siedler auf, indianisches Land für Viehfutteranbau zu roden, will an die Bodenschätze heran und provoziert riesige Waldbrände. Gewalt gegen indianische Aktivisten nimmt zu, schon zahlreiche Vertreter wurden ermordet, Ermittlungen behindert.

Davi Kopenawas Ziele sind vielfältig: Er fordert Schutz und Respekt für seine Kultur, Menschenrechte und Demokratie auch für ethische Minderheiten, internationale Garantien für den eigenen Weg indigener Kulturen. Die PolitikerInnen Europas bittet er, Druck auf die autoritäre brasilianische Regierung auszuüben, die Rechte der Ureinwohner zu respektieren. Angesichts der drängenden Klimakrise setzt er auf eine Koalition der globalen Zivilgesellschaft und eine Zusammenarbeit der Generationen, die Organe der lebenden Erde zu schützen und gesunden zu lassen.

Der Amazonas als ‘Lunge des Planeten’ braucht dabei besondere Aufmerksamkeit. Er sieht die indigenen Völker als erfahrene Regenwaldschützer, die vor Ort aktiv sind: „Wir verteidigen den Wald, weil wir ihn lieben!“ Und seine Warnung ist deutlich: „Wenn die modernen Menschen weiterhin den Wald zerstören und uns vergessen, wird großes Unglück über die nächsten Generationen kommen. Jeder kann sich beteiligen am Schutz der Erde!“

Geseko von Lüpke

Davi Kopenawa, brasilianischer Schamane und Häuptling, erhielt im September 2019 den Alternativen Nobelpreis. Er kämpft mit seiner Organisation “Hutukara Yanomami” für die Sicherung der Landrechte und Kultur der Ureinwohner sowie für den Schutz der Wälder und Artenvielfalt im Amazonasgebiet.

Die Right Livelihood Foundation und Survival International äußerten in einem gemeinsamen Brief an den brasilianischen Justizminister Sergio Moro im März 2020 große Besorgnis über die Sicherheit der indigenen Völker in Brasilien. Der Brief, auf dem Foto gezeigt von Davi Kopenawa, wurde von 36 Preisträgern des Right Livelihood Award, auch als „Alternativer Nobelpreis“ bekannt, unterzeichnet, darunter Vandana Shiva (Indien), Nnimmo Bassey (Nigeria), David Suzuki (Kanada) und Erwin Kraütler (Brasilien). Mehr Infos

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare

Aktuelle Termine

Online Abende

rund um spannende ethische Themen
mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen
Ca. 1 Mal pro Monat, kostenlos

Auch interessant

Foto: privat

“Ich bin gestärkt aus dem Gefängnis gekommen”

Audio-Interview dem Klima-Aktivisten Karl Braig  "Mein Handeln war richtig", sagt Karl Braig, 69, der für eine Klima-Aktion fünf Monate in Haft war. Jetzt genießt er die Freiheit und muss sich neu zurechtfinden. Sein Engagement für den Klimaschutz will er fortsetzen, denn man müsse sich wehren gegen die Tatenlosigkeit der Politik. Er hofft auf die Zivilgesellschaft. 
Foto: Shutterstock I Lamnao

Innere Entwicklungsziele

Neue Bewegung geht Nachhaltigkeit anders an Der Wandel muss von innen kommen, sind die Verfechter einer neuen Bewegung überzeugt, die sich „Inner Development Goals“ (IDGs) nennt. Sie ergänzen die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen durch innere Entwicklungsziele. Erst der Bewusstseinswandel werde eine sozial-ökologische Transformation möglich machen.

Newsletter abonnieren

Sie erhalten Anregungen für die innere Entwicklung und gesellschaftliches Engagement. Wir informieren Sie auch über Veranstaltungen des Netzwerkes Ethik heute. Ca. 1 bis 2 Mal pro Monat.

Neueste Artikel

Van Bo Le-Mentzel will Wohnen neu denken. Foto: privat

„Ich habe viele Lernkurven durchlaufen“

Interview mit Van Bo Le-Mentzel Van Bo Le-Mentzel ist Architekt mit einem Faible für Tiny-Häuser und einem bescheidenen Lebensstil. Im Interview spricht er über die Kunst des Möglichen, Regie im eigenen Leben zu führen und einfach glücklich zu sein.
Foto: Bethany Beck/ Unsplash

“Erst über Beziehungen entwickelt sich das Selbst”

Audio-Interview mit Prof. Joachim Bauer Säuglinge haben noch keine Ich-Vorstellung. Das Selbst entwickelt sich erst durch die Beziehungen. Der Arzt und Buchautor Joachim Bauer bringt die Innen- und Außenperspektive des Ich zusammen. Er spricht im Interview über die große Bedeutung von Beziehungen, über Einsamkeit und Individualisierung und warum wir neben digitalen Medien direkte Kontakte brauchen.
Cover Schutzbach, Frauen

Für mehr weibliche Solidarität!

Ein Buch der Soziologin Franziska Schutzbach Die Emanzipation der Frauen gelingt dann, wenn sich Frauen zusammenschließen, diesen Gedanken entwickelt Franziska Schutzbach in fünf Essays. Sie untersucht verschiedene Arten von Frauenbeziehungen und den tiefen Wunsch nach Kooperation. Ihr Buch „Revolution der Verbundenheit“ ermutigt dazu, sich an Frauen zu orientieren und nicht an Männern, um die Welt zum Positiven zu verändern.
Jo Gavao/ Shutterstock

Die Kirche ist vielfältiger, als man denkt

Zur Situation nach der Wahl von Papst Leo XIV. Die katholische Kirche ist die größte Organisation der Welt. Doch was wie ein einheitlicher Block erscheint, ist ein Gebilde aus vielen Teilen. Religionswissenschaftlerin Ursula Baatz über die Kirche nach der Papstwahl und den Kampf zwischen Traditionalisten und Progressiven.