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SAP: Achtsamkeit lohnt sich

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Regelmäßige Meditation bei SAP |
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Interview mit Peter Bostelmann

Peter Bostelmann ist Chief Mindfulness Officer des Software-Konzerns SAP. 2013 führte er nach dem Vorbild von Google erstmals ein zweitägiges Achtsamkeitstraining bei SAP ein. Mittlerweile haben Tausende Mitarbeiter mitgemacht. Michaela Doepke wollte wissen, wie das Programm wirkt und ob es auch zur Leistungssteigerung eingesetzt wird.


SAP ist ein Vorreiter bei der Einführung von Achtsamkeit im Unternehmen. In dem Konzern haben mehr als 14.500 Mitarbeiter das Achtsamkeitsprogramm an über 60 Standorten sowie virtuell durchlaufen, 8000 stehen auf der Warteliste. 70 interne Trainer erhielten bisher eine sechsmonatige Ausbildung mit Zertifizierung. Seit 2017 unterrichten sie auf Anfrage auch externe Kunden wie die Siemens AG oder die Deutsche Telecom. Sie unterstützen diese, eine eigene Achtsamkeitspraxis in ihren Unternehmen zu etablieren. Derzeit arbeiten mehr als 110.000 festangestellte Mitarbeitende aus 160 Nationen weltweit bei SAP.

 

Das Interview führte Michaela Doepke

Herr Bostelmann, Sie arbeiten seit über 20 Jahren als Wirtschaftsingenieur bei SAP und sind ein Mann von harten Daten und Fakten. Wie kam es dazu, dass Sie „weiche Werte“ wie Achtsamkeit und Meditation bei SAP einführen wollten?

Bostelmann: Stimmt, ich bin ein Wirtschaftsingenieur und ein Mensch der harten Daten und Fakten, aber gleichzeitig bin ich auch empathisch und herzlich. Die Achtsamkeit habe ich vor rund 15 Jahren entdeckt, war davor skeptisch, habe dann aber deren große Kraft in meiner persönlichen Praxis entdeckt. Vor rund zehn Jahren habe ich begonnen, Achtsamkeit zu SAP zu bringen. Das ist dann irgendwann sehr erfolgreich geworden.

Was war für Sie der zündende Moment, dass die Achtsamkeit in Ihr Leben gekommen ist?

Bostelmann ist Chief Mindfulness Officer bei SAP, Foto: privat

Bostelmann: Die Achtsamkeit ist über meine damalige Lebensgefährtin in mein Leben gekommen. Damals war ich einem klassisch männlichen Rollenklischee verhaftet. Ich habe Triathlon gemacht und ihr gesagt: „Du kannst deine Achtsamkeit und dein Yoga machen und ich mache mein Triathlon. Das ist gut für mich, Stress abzubauen.“

Ich habe aber eigentlich keine Ahnung gehabt, worum es ging, und habe es durch meine Partnerin damals kennen gelernt. Dann ist meine Neugierde gewachsen, und ich habe irgendwann begonnen, eine eigene Praxis zu etablieren. Erst in kleinen Schritten. Seit 2008 gehe ich einmal im Jahr auf ein 10 Tage-Vipassana-Schweigeretreat und habe eine tägliche Praxis. Und das ist für mich ein ganz kraftvolles Geschenk.

Dass man im Silicon Valley meditiert, überraschte keinen, aber in Deutschland?

Wie haben Sie die Führungskräfte von SAP davon überzeugt, dass Achtsamkeit und Leistung zusammenpassen und ein Programm hilfreich wäre?

Bostelmann: Das war ein langer Weg. Wir haben das sowohl Bottom-up gemacht als auch Top-down. Es hat eine Weile gebraucht, die richtige Menge an interessierten Skeptikern zusammen zu bringen, die es ausprobieren wollten. Vor neun Jahren haben wir begonnen, das SIY-Programm „Search Inside Yourself“ bei SAP zu pilotieren.

SIY war bei Google sehr erfolgreich, diese Popularität hat geholfen. Dann haben wir 2013 das allererste SIY-Training in Palo Alto gemacht, im Silicon Valley, wo wir ohnehin viele Dinge bei SAP pilotieren. Das wurde sehr positiv angenommen. Wir wollten es auch in Deutschland probieren. Zweifler meinten: Dass ihr im Silicon Valley meditiert, das überrascht jetzt noch keinen, auch in Unternehmen. Aber wie ist das denn in Deutschland?

Zu meiner Überraschung war bei SAP in Deutschland die Resonanz sogar positiver als in den USA. Als die Warteliste damals 1500 Mitarbeiter hatte, hat unsere Chief-Learning-Officer um einen Termin mit mir gebeten und gefragt: „Was machst du da, um so eine Warteliste zu bekommen? Das spricht für das Programm. Ich unterstütze dich.“ Das war ein großer Schritt.

SAP sollte mit gesunden, zufriedenen Mitarbeitern arbeiten und nicht zu viel Druck aufbauen

Manchmal wird Achtsamkeit missbraucht und Mitarbeitenden suggeriert, ihr Stress sei selbstverschuldet und sich so aus der Verantwortung gezogen. Was tut SAP bei den Rahmenbedingungen, wenn der Stresspegel zu hoch wird, z.B. weil Personal eingespart wird, und mit Achtsamkeit nicht mehr abgefedert werden kann?

Bostelmann: Ich bin mit meinem Team im „Future of Work“, einer Gruppe bei SAP, die sich mit Unternehmenskultur, Mitarbeiter-Gesundheit und Wellbeing befasst. Es gibt eine Vielzahl von Angeboten, die unseren Mitarbeitern Hilfe im Umgang mit Stress anbieten.

Wir haben Programme für „Health in Leadership“, damit unsere Führungskräfte für gesundheitliche Fragen sensibilisiert werden. Es gibt eine „Mental Health Pledge“, das heißt, Mitarbeitende vom Vorstand und Führungskräfte versichern, wie wichtig dem Unternehmen mentale Gesundheit ist. Und ich stehe dahinter, dass SAP mit gesunden und zufriedenen Mitarbeitern arbeitet und nicht zu viel Druck aufgebaut wird. Ferner haben wir ein Ombudsoffice mit mehreren Mitarbeitern, die helfen, Konflikte zu klären.

Für zwei Tage bezahltes Achtsamkeitstraining erhalten wir, rein monetär betrachtet, doppelt so viel zurück

Welches Feedback zur Achtsamkeit gab es von Ihren Teilnehmenden bisher? Gibt es auch eine Evaluation über die Wirkungen und die Nachhaltigkeit des Programms bei SAP?

Bostelmann: Natürlich, SAP als Business-Software-Unternehmen ist ein Daten-getriebenes Unternehmen. Am Anfang haben wir selbst Evaluierungen gemacht. Dann haben wir über die Jahre bei 14.000 Teilnehmenden viele qualitative Feedbacks eingeholt. Die Mitarbeitenden sagen, da bekomme ich ein Geschenk. Das Unternehmen gibt mir etwas an die Hand, das mir hilft, mehr in meine Kraft zu kommen.

Zwischen 2015 und 2019 hat unser Data-Science Team 7.000 Mitarbeitende mit einer relevanten Kontrollgruppe verglichen und eine Datenanalyse durchgeführt. Was u. a. herauskam, war, dass das Mitarbeiterengagement signifikant höher ist als das Engagement der Menschen, die nicht durch das Programm gegangen sind. Und wir konnten sehen, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten zurückgingen.

Großveranstaltung bei SAP: Peter Bostelmann leitet eine Meditation an, Foto: SAP

Das sind Kennzahlen, die für ein Wissensunternehmen wichtig sind. Wenn wir diese monetär bewerten, dann lässt sich schlussfolgern, dass der Return on Investment des Programms – also das Kapital, das wir aufwenden, um die Mitarbeitenden zwei Tage ein bezahltes Training machen zu lassen − mehr als doppelt so hoch ist.

Damit kann ich sagen, dass wir seit 2016 nicht nur das populärste Programm bei SAP haben, was die Warteliste und die Rückmeldungen und die Feedbacks angeht, sondern auch, dass wir zum finanziellen Erfolg des Unternehmens beitragen.

Ein Kritikpunkt ist immer wieder, dass Achtsamkeitstrainings von Unternehmen zur Leistungssteigerung oder Selbstoptimierung angeboten werden, um noch mehr aus den Mitarbeitenden rauszuholen. Was sagen Sie dazu?

Bostelmann: Eine wichtige Frage. Die ganze Debatte läuft in den USA unter dem Begriff „Mac Mindfulness“, geprägt von Ron Purser, der hier nebenan in San Francisco sitzt, und dies immer wieder kritisch betrachtet. Aber ich glaube, das ist ein Standpunkt, bei dem die Menschen als unmündige Wesen betrachtet werden. Bei SAP wird keiner gezwungen. Wir sehen es als ein Angebot, dass ich meine Stärken, meine Schwächen besser erkenne, Grenzen setze.

Natürlich hat das Unternehmen ein Interesse, dass die Mitarbeitenden kraftvoll sind, dass sie gut in der Lage sind, mit den Herausforderungen umzugehen. Aber SAP hat auch ein Interesse zu sagen: Du musst erkennen, wann du Stopp sagst.

Und wir haben einen großen Teil von Mitarbeitenden, die sagen, Achtsamkeit interessiert mich nicht, und das ist auch in Ordnung. Und damit ist es eine lebendige und ehrliche Kultur. Wobei mein Team und ich uns natürlich wünschen, dass wir viele Menschen erreichen.

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