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Sollen homosexuelle Paare Kinder haben?

DGLimages/ shutterstock
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Ethische Alltagsfragen

In der Rubrik “Ethische Alltagsfragen” beantwortet der Philosoph Jay Garfield eine Frage zur Legitimität der Adoption: Sollen gleichgeschlechliche Paare Kinder adoptieren dürfen? Oder gibt es Gründe, das zu verbieten oder abzulehnen?

 

Frage: Ist es moralisch gerechtfertigt, wenn gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren und aufziehen?

Jay Garfield: Der Hintergrund der Frage ist, ob Adoptionsverbote für gleichgeschlechtliche Paare legitim wären. Das wirft einige weitere Fragen auf: Erstens, ob es Kindern irgendwie schaden könnte, von gleichgeschlechtlichen Paare aufgezogen zu werden. Zweitens, ob es ein Grundrecht gibt, Kinder aufzuziehen (einschließlich zu adoptieren). Drittens, ob es irgendwelche legitimen Gründe gibt, ein solches Grundrecht im Fall von gleichgeschlechtlichen Paaren zu entziehen. Ich denke, die erste und die dritte Frage können wir mit Nein, die zweite Frage mit Ja beantworten.

Eine Reihe aktueller Studien haben Werte der physischen und psychischen Gesundheit und Erziehungsfortschritte bei Kindern von gleichgeschlechtlichen und gemischtgeschlechtlichen Paaren verglichen. Einige Gegner der Adoptionserlaubnis für gleichgeschlechtliche Paare behaupten, es sei schlecht für Kinder oder würde dazu führen, dass „an sich heterosexuelle“ Kinder dadurch homosexuell würden, aber es gibt es keine Belege für diesen Schluss. Darüber gibt es in der wissenschaftlichen Welt einfach keinen Zweifel. Es scheint also, dass es Kindern von gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Paaren gleich gut geht.

Daraus folgt nicht, dass gleichgeschlechtliche Paare ein Recht hätten, Kinder zu adoptieren. Wenn es bei heterosexuellen Paaren dieses Recht nicht gibt, dann auch nicht bei gleichgeschlechtlichen. Es gibt aber gute Gründe dafür, dass eigentlich jede Gesellschaft ein grundsätzliches Recht gewährt, Kinder aufzuziehen. Ich sage grundsätzliches Recht, da es entzogen werden kann, wenn jemand gefährlich oder als Elternteil inkompetent ist, etwa abwesend, im Gefängnis oder aus anderen Gründen nicht in der Lage.

Keine Gesellschaft verlangt eine Lizenz, um Eltern zu werden. Wenige Gesellschaften begrenzen die Zahl der erlaubten Kinder. Somit können Erwachsene vernünftigerweise annehmen, dass die Entscheidung, Kinder aufzuziehen ihre und nur ihre Entscheidung ist (noch einmal: vorausgesetzt, es gibt keine deutlichen Anzeichen dafür, dass die Aufgabe nicht bewältigt werden kann).

„Meine Vorurteile wiegen weniger als deine Freiheit“

Die einzige verbleibende Frage ist, ob es irgendwelche anderen Gründe als das Kindswohl gibt, gleichgeschlechtlichen Paaren zu verbieten, Kinder aufzuziehen. Ich kann mir nur zwei Arten von Gründen vorstellen, keine ist überzeugend: Erstens könnte man religiöse oder ästhetische Einwände an sich gegen gleichgeschlechtliche Kindererziehung haben. Aber genauso wenig, wie Vorbehalte gegen blonde oder afrikanische Eltern zulässige Einwände sind, kann Homosexualität es auch nicht sein. Kurz gesagt, meine Vorurteile wiegen weniger als deine Freiheit.

Zweitens könnte man ins Feld führen: Auch wenn es keine guten Gründe gibt, homosexuellen Paaren zu verbieten, Kinder aufzuziehen, könnten doch soziale Vorurteile negative Einflüsse auf das Kind haben. Es könnte ausgeschlossen oder gemobbt werden. Aber das ist auch kein guter Grund. Es gibt viele Vorurteile gegen Kinder, etwa afrikanische Amerikaner, türkische Deutsche, französische Roma, Tibeter in China usw. Aber die Schlussfolgerung daraus kann nicht sein, Eltern zu verbieten, Kinder zu haben, sondern man muss die Vorurteile bekämpfen.

Ich schließe also, dass es keine guten Gründe gibt, gleichgeschlechtlichen Eltern zu verbieten, Kinder zu adoptieren. Denn Elternschaft ist eine der Möglichkeiten, wie wir als gesellschaftliche Wesen gedeihen können. Und weil Kinder von liebevollen Elternhäusern profitieren, sollten wir die Politik dazu bewegen, alle Familien zu unterstützen.

Jay Garfield, aus dem Englischen übersetzt von Carsten Petersen

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