Neu: Ethik Quiz – Testen Sie Ihr Wissen

Statt Noten gibt es Lob

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Die Evangelische Schule Berlin Zentrum

Die Evangelische Schule Berlin Zentrum ist eine Bildungseinrichtung mit Zukunft: Auf dem Lehrplan stehen Gemeinsinn und Verantwortung, Selbstwirksamkeit und Kreativität. Die Schüler haben viele Freiheiten, die Lehrer verstehen sich als Begleiter.

Von außen betrachtet, ist die Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ) eine ganz normale Schule. Nichts deutet darauf hin, dass hier die Zukunft des Lernens schon heute gelebt wird. Die ESBZ steht für einen Paradigmenwechesel in der Schulkultur: für die Vision einer wertschätzenden Lernkultur, die zu Gemeinsinn und Verantwortung, Kreativität und Unternehmensgeist inspiriert und befähigt. Der Mensch steht im Zentrum. Jeder kann etwas und kann von jedem lernen. Lernen erfolgt weitgehend selbstorganisiert, die Jahrgänge durchmischen sich.

Die Lehrerinnen und Lehrer übernehmen damit eine andere Rolle. Sie sind nicht diejenigen, die nur Wissen vermitteln und den Lernerfolg beurteilen, sondern verstehen sich als Lernprozessbegleiter, Coaches, Gestalter von Lernumgebungen und Materialien. Sie sind Projektbegleiter. Ihre Autorität gründet auf Authentizität, Präsenz, Anerkennung, Respekt. Sie fördern individuell, und die jungen Menschen erfahren unmittelbar Werte wie Verantwortung, Solidarität, Wertschätzung und Gemeinschaft.

schule-DSC_6039-webLernen für das Leben ist in jedem Jahrgang strukturell verankert, zum Beispiel durch die Fächer Verantwortung und Herausforderung. Die einfache, aber motivierende Idee dahinter: Neben dem Lernen können die Kinder und Jugendlichen hier Selbstwirksamkeit erfahren und an ihrem Handeln wachsen.

Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 7 und 8 bekommen beispielsweise an einem Schultag in der Woche Zeit für bürgerliches Engagement. Sie sind dann Spielplatzpaten, engagieren sich im Kindergarten, in der Flüchtlingshilfe, sie helfen alten Menschen oder engagieren sich für die Umwelt.

Drei Wochen von 150 Euro leben

Im Jahrgang 8, 9 und 10 haben die Schüler eine Herausforderung zu meistern, meist in Gruppen. Drei Wochen sind sie dann außerhalb von Berlin, weg von den Eltern, ausgestattet mit einem Budget von 150 Euro. Alles muss davon bezahlt werden: Anreise, Unterkunft und Verpflegung. Da man sich drei Wochen Jugendherberge davon nicht leisten kann, bedeutet das, die Jugendlichen müssen kreativ werden, irgendwo anfragen, ihre Hilfe anbieten, mitarbeiten. Begleitet werden die Gruppen von Studierenden, meist angehenden Lehrern oder Sozialarbeitern.

schule-barbarossaweg-webDie Jugendlichen setzen sich in dieser Zeit ihre Ziele selbst. Sie lernen, persönliche Herausforderungen zu bestehen, in einer Gruppe als Team zusammenzuarbeiten, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, Hürde für Hürde zu meistern. Sie erfahren ihre eigenen Grenzen und ihre Potenziale – es sind Erlebnisse, die unvergesslich bleiben. Sie erleben, was es heißt, Konflikte in einer Gruppe auszuhalten und gemeinschaftlich zu lösen.

Die Jugendlichen machen sich zum Beispiel auf zur Arbeit auf Bauernhöfen, zum Floßbau, zu Fahrrad-, Wander- und Kanutouren, zu selbstorganisierten Kreativschreibwerkstätten. Sie kreieren eigene Mode-Kollektionen oder gründen eine eigene Band. Sieben Jungen laufen 380 Kilometer den Benediktusweg in Thüringen, vier Mädchen gehen zu Fuß von Berlin nach Hamburg, um dort in der Suppenküche mitzuarbeiten.

Clara ist 18 Tage auf Korsika gewandert. Nur unter freiem Himmel. Mit anfangs 24 Kiolgramm im Rucksack kämpfte sich ihre Gruppe über die hügelige Insel. Sich dem Ungewissen stellen und sich als selbstwirksam erleben, das sind wichtige Meta-Kompetenzen für das Leben.

Nach dem Ende der Zeit sind die Jugendlichen innerlich gewachsen und haben Selbstvertrauen gewonnen. Sie haben erfahren, dass sie auf sich selbst und die Gemeinschaft bauen können. Und sie lernen wertzuschätzen, was sie sonst als selbstverständlich genommen haben: eine Dusche, ein Bett, einen vollen Kühlschrank, eine Mutter, die kocht.

Wählen können motiviert

2007 wurde die EBSZ von engagierten Eltern in Trägerschaft der Evangelischen Schulstiftung gegründet. Die Eltern baten damals Margret Rasfeld, Schulleiterin zu werden, die wesentliche Impulse für diesen Lernort gab. Ein Kernstück ist das „Lernbüro“ für die Grundlagen in den Fächer Mathematik, Deutsch, Englisch sowie Natur und Gesellschaft.

Jeden Morgen im ersten Block entscheiden sich die Schüler, in welchem Fach sie heute lernen wollen. Die Jugendlichen eignen sich Wissen in ihrem eigenen Tempo an – und zwar mit sogenannten Bausteinen. Das Material ist binnendifferenziert und bietet unterschiedliche Zugänge. Wählen können motiviert.

Die Schüler haben dabei im Blick, was sie in einem Jahr bearbeiten sollten. Am Ende eines jeden Bausteins melden sie sich individuell zu einem Test an oder überlegen sich eine andere Möglichkeit zu zeigen, dass sie das Thema beherrschen. Sie bekommen Feedback in Form individueller Zertifikate.

Fünf Stunden am Donnerstag sind für die Projektarbeit reserviert. Es gibt zwei bis drei Themen im Jahr. Im Klassenverband arbeiten die Schüler über mehrere Wochen in Teams an ihren Forscherfragen und können mit außerschulischen Experten und Partnern zusammenarbeiten. In der Projektarbeit erfahren sie, dass Wissen komplex und vernetzt ist, sie lernen Themen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und machen Erfahrungen mit Projektmanagement und Teamarbeit.

Jeden Tag findet sich die Klassengemeinschaft zu den Klassenstunden zusammen. Programmpunkte sind hier u.a. Religion, das gemeinsame Singen, der Klassenrat, die Lesestunde sowie Naturwissenschafts- und Sportunterricht.

Lebendiger Schulalltag

Noten gibt es an der EBSZ erst ab Klasse 9 – und das auch nur, weil es gesetzlich so vorgeschrieben ist. Doch viel wichtiger ist die besondere Kultur der Wertschätzung und des Lobes. Von Anfang an führen die Schüler ein so genanntes Logbuch. Darin halten sie ihre Fortschritte fest und schreiben auf, worauf sie beim Lernen besonders stolz sind, was ihnen gut gelungen ist und woran sie noch arbeiten wollen. Das Logbuch ist Grundlage für das wöchentliche Tutorengespräch, in dem die Situation jedes Einzelnen besprochen wird. In der wöchentlichen Schulversammlung ist ein wichtiger Punkt das öffentliche Lob.

Die EBSZ ist mittlerweile zum viel besuchten Lernort für Bildungsexperten und Lehrer aus ganz Deutschland geworden. Gerade für Lehrer ist ein Workshop an der EBSZ eine Art Erweckungserlebnis. Sie erleben einen lebendigen Schulalltag, der Lehrer und Schüler gleichermaßen motiviert. Sie sehen, dass in jeder Schülerin ein großes Potential steckt, das durch Bildung geweckt werden will.

Die Workshops für Lehrer-Fortbildungsgruppen werden übrigens weitestgehend von Schülern geleitet. Schließlich sind sie die Experten in eigener Sache und können am besten über ihre Lernerfahrungen berichten.

Stefan Ringstorff, veröffentlicht am 15. Februar 2017

 

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