Über unsere Abhängigkeit vom Geld

Bianda Ahmad Hisham/ Shutterstock
Kleinanleger sind abhängig vom Geschehen auf den Finanzmärkten. |
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und die Ohnmacht der Kleinanleger

Wir leben in einer Geldwirtschaft und sind als Einzelne abhängig von Banken und Finanzpolitik. Die aktuelle Bankenkrise in Bulgarien zeigt die Verwundbarkeit. Kann es Alternativen zur Geldwirtschaft geben?
Ansturm auf die Banken! Diese Nachricht haben wir schon öfters gelesen: Die Menschen eines Landes, diesmal ist es Bulgarien, stürmen die Banken und wollen ihre Ersparnisse abheben. Letzten Freitag hatten Kunden einer bulgarischen Bank binnen weniger Stunden rund 400 Millionen Euro abgehoben. Montag bildeten sich abermals Schlangen vor den Schaltern.
Es sind vor allem die sogenannten Kleinanleger. Sie haben plötzlich Angst, dass ihr Geld nicht mehr sicher ist. Sie fürchten einen Zusammenbruch ihres Geldhauses oder gleich den Kollaps der gesamten Wirtschaft. Die Menschen haben irgendetwas gehört, eine Nachricht aufgeschnappt, ein Gerücht, eine gezielte Falschmeldung. Und sofort laufen sie los, denn es geht um nichts Geringeres als ihre Existenz, die mit dem Geld verknüpft ist.

Krise des Vertrauens

Was wirklich passiert ist, bleibt im Dunkeln. Manchmal reicht es schon, dass eine große Ratingagentur die Banken eines Landes oder gleich ganze Volkswirtschaften herabstuft: etwa von “AAA” auf “AA” – in einem internationalen Ranking der Kreditwürdigkeit.
Diese Ratings berücksichtigen unterschiedliche Parameter – von den Risikorücklagen der großen Geldhäuser über die aktuelle Wirtschaftspolitik der Regierung bis zum Bruttosozialprodukt und den Beschäftigungszahlen eines Landes.
Diese Ratings sind nicht unumstritten, reichen aber hin, um das Vertrauen der Anleger in ihre Geldhäuser und Finanzsysteme zu erschüttern. Dagegen richten auch die meist anders lautenden Beteuerungen der Politiker wenig aus, denn das Vertrauen ist schon seit geraumer Zeit angeschlagen.
Die “kleinen Leute” – “klein”, weil sie ebenso abhängig wie hilflos sind – leben mit einem klammen Gefühl. Dieses Gefühl lässt sich vielleicht so zusammenfassen: dass heutzutage die Wirtschaften etlicher Nationen (Bulgarien, Griechenland, Spanien, Portugal) jederzeit kollabieren können.
Es gibt europäische Länder, in denen diese latente Panik noch nicht so akut ist, allen voran die Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien. Aber auch die Bürger dieser wirtschaftlich noch besser gestellten Nationen verfolgen misstrauisch die europa-politischen Bemühungen und Debatten, um zu retten, was als Währungsunion für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum einst so gepriesen wurde.

Wohin mit dem Geld?

Die Frage könnte auch lauten: Warum diese Panik jetzt? Die Bürger von Ländern wie aktuell Bulgarien (noch kein Mitglied der Euro-Währungsunion) wissen nicht erst seit gestern, dass ihre Volkswirtschaften angeschlagen bzw. nicht wettbewerbsfähig sind. Angeschlagen im internationalen Vergleich, angeschlagen aber auch in einem konkret fassbaren Sinn, was sich aus tagesaktuellen Berichten über Beschäftigungszahlen und Insolvenzen ablesen lässt.
Warum – so könnte man umgekehrt fragen – liegt auf bulgarischen Banken überhaupt noch Geld? Diese Frage ist natürlich rethorisch gemeint, aber dahinter tut sich ein Abgrund auf. Denn natürlich müssen die Gelder der Menschen auf Banken liegen – wo sollen Guthaben heute sonst deponiert werden?
Heute laufen sämtliche Transaktionen – von der Gehaltszahlung über die Abwicklung von Finanzierungen bis zum täglichen Einkauf – über das Bankkonto. Gelder, die nicht auf einem Konto liegen, lassen sich kaum verwenden und erwirtschaften keine Zinsen.
Die Banken sowie das gesamte internationale Bankenwesen stellen die Infrastruktur des Lebens. Und wenn diese ins Wanken gerät, kann es zu Symptomen im öffentlichen und privaten Leben kommen, die einem plötzlichen Sauerstoffmangel für den Einzelnen vergleichbar sind. Das erklärt die Panik.

Tragweite für das Leben des Einzelnen

Ein weiterer Grund für diese Panik ist das Gefühl der Hilflosigkeit. In den letzten Jahren haben wir solche Meldungen öfters gelesen, und auch in unserem Bewusstsein hat sich der Zweifel an der Sicherheit von Geld und Geldanlagen fest gefressen. Abgesehen davon, dass auf dieser Welt nichts wirklich sicher ist, scheint es mit der Sicherheit von Bankguthaben noch schlechter bestellt. Warum? Weil die Stabilität ganzer Volkswirtschaften von zahlreichen unwägbaren Faktoren abhängt. Banken sind Teil des internationalen Finanzmarktes und verdienen ihr Geld unter anderem mit spekulativen Transaktionen auf diesen Märkten. Und mehr oder weniger spekulativ sind alle Bankgeschäfte, die nicht auf Kontonutzungsgebühren und Kreditzinsen beruhen.
Kaufen, halten und wieder verkaufen. Zum richtigen Zeitpunkt kaufen, eine gewisse Zeit lang festhalten und Wertsteigerungen mitnehmen. Die richtigen Papiere und Finanzpakete kaufen, die Märkte beobachten und Entwicklungen voraussehen. Darin besteht das seriöse Geschäft der Banken.
Und allein schon dieses Geschäft birgt zahlreiche Risiken, für deren Absicherung nicht erst seit Schaffung von BASEL II finanzielle Rücklagen gebildet werden müssen. Die Geldhäuser ihrerseits sind mit den Märkten auf vielfache Weise verbunden – durch gegenseitige Stützkredite und Risikobaskets, aber auch durch Beteiligungen und Investitionen.
Die letzte große Finanzkrise 2009 hat gezeigt, wie sich aus der Schieflage eines einzigen US-amerikanischen Geldhauses (Lehman Brothers) aufgrund geplatzter Immobilienkredite binnen weniger Monate eine handfeste internationale Krise entwickeln kann.
Seither gab es zahlreiche Forderungen, die Gesellschaften gegen solche Spekulationen und Risiken zu schützen. Doch wir lesen vermehrt auch wieder Berichte darüber, dass sich am Gebahren der großen Geldhäuser und Investmentbanker nur wenig geändert habe.
Das Fatale daran aber ist nicht, dass einzelne Institute und Tausende von Arbeitsplätzen zerstört werden können, sondern dass für die Schulden und Verbindlichkeiten letztlich die Gesellschaft wird aufkommen müssen. Denn ohne Geldhäuser und deren Strukturen geht heute einfach nichts mehr.
Wir möchten der Politik nichts Böses unterstellen, haben aber gleichwohl den Eindruck, als ob auch Politiker vom Schlage eines Wolfgang Schäuble oder einer Angela Merkel dem nicht zuverlässig entgegen steuern können.
Für den einzelnen, den kleinen Anleger bedeutet das: banges Warten. Banges Erwarten nicht gerade eines Weltuntergangs, aber doch eines Crashs, der mit schöner Regelmäßigkeit prophezeit wird. Gibt es Alternativen?
Sven Precht
Im nächsten Artikel setzt sich der Autor mit Modellen einer bargeldlosen Wirtschaft auseinander.

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