Interview mit Dirk Grah, GLS-Bank
Wie kann man Geldströme so lenken, dass sie zur Nachhaltigkeit beitragen? Das ist eine Kernaufgabe der GLS-Bank. Geschäftsführer in Hamburg Dirk Grah spricht im Interview über Strategien, Geld anders anzulegen, die Balance zwischen Nachhaltigkeit und Performance und über Kunden, die zukunftsweisend anlegen wollen.
Das Gespräch führte Sabine Breit
Herr Grah, bei der GLS Bank geht es ja viel um Wirkung. Wie sind Sie zur GLS Bank gekommen und welche Wirkung entfalten Sie im Unternehmen?
Grah: Ein bisschen auf Umwegen, aber in der Nachbetrachtung eigentlich doch relativ zielgerichtet. Ich wollte immer was mit Umweltpolitik machen, wusste aber nicht so richtig, wie. Mir war aber klar, dass man was von Ökonomie und Ökologie verstehen muss.
Für die Ökonomie studierte ich dann VWL, für die Ökologie habe ich zusätzlich Biologie studiert. Nach meinem Referendariat als Gymnasiallehrer wollte ich promovieren, aber dann sprach mich die GLS Bank an und so habe ich dann schließlich die Geschäftsstelle in Hamburg zunächst als One-Man-Show aufgebaut; das war vor 30 Jahren.
So bin ich im Bereich Umwelt tätig, aber von der Investitionsseite her. Das ist das eigentlich Interessante: Zu überlegen, wie wir Geldströme so lenken können, dass die Dinge sich im Sinne der Nachhaltigkeit verändern.
Stichwort „Nachhaltigkeit“. Was bedeutet das für Sie bzw. die GLS Bank ganz konkret?
Grah: Eigentlich geht es um Zukunftsfähigkeit. Wie kann unsere Gesellschaft sich in eine Richtung entwickeln, dass sie lebensfähig oder überlebensfähig ist. Wie können gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Verhältnisse sich so gestalten, dass sie, nach Kant gesprochen, niemand anderen behindern in seiner Entwicklung.
Die Natur soll die Menschen nicht behindern, und die Menschen sollen die Natur nicht behindern. Und da gehört die Ökonomie natürlich auch dazu und die Frage, wie man Geld umgestalten muss, damit es heilsam wirken kann.
Wir reden bei der GLS Bank auch von Geldqualitäten. In Kultur und Kunst z. B. könnte man nur mit Schenkungsgeld arbeiten, wie Rudolph Steiner sagt. Oder wie man heute sagen würde: Subventionen. Auch die Erziehung der Kinder kann man ihnen nur schenken. Man kann da keinen Kredit geben, der zurückgezahlt werden muss.
Wir sagen: Es ist ein Problem in unserer Welt, dass die Leute nicht lernen, Geld loszulassen. Geld wieder zu verschenken. Es wird ganz viel Geld verdient, akkumuliert und es staut sich in Fonds, Hedgefonds, überall. Deshalb haben wir so ein riesiges Problem, weil alle nicht mehr wissen, wohin mit dem Geld.
„Wir versuchen, mit den Fonds auch eine Performance zu erreichen“
Das bringt mich zum Anlagegeschäft der GLS Bank. Da gibt es neben alternativen Angeboten wie etwa Crowd-Funding auch die klassischen Fonds. Die Kapitalmärkte sind eher kurzfristig angelegt. Wie schwierig ist es da für Sie, für Ihre klassischen Fonds Anlageobjekte zu finden?
Grah: Wir haben ja so eine Art Bibel, unsere Anlage- und Finanzierungsgrundsätze mit Positiv- und Negativkriterien. Das ist ein lebendiges Buch, das ständig überprüft wird. Und dann gibt es in der Bank natürlich auch Gremien, die darüber entscheiden.
Zum einen haben wir eine Research-Abteilung, die sich als erstes die Geschäftsfelder anschaut, d. h. unsere großen Bereiche: Ernährung, Wohnen, Energie, Soziales. Dann sehen wir uns die Geschäftspraktiken je Geschäftsfeld an. Bei der Bewertung der einzelnen Titel brauchen wir Unterstützung. Da kaufen wir uns z. B. Expertise bei Research-Unternehmen.
Außerdem holen wir uns Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Urgewalt, Fair Finance usw. Schließlich gibt es einen Anlageausschuss, in dem alle Entscheidungen zur Aufnahme in das oder zur Entfernung aus dem sogenannten Anlageuniversum getroffen werden. Der ist mit internen und externen Leuten, wie etwa Antje Schneeweiß von Südwind, besetzt.
Danach hat der einzelne Fondsmanager im Prinzip jede Freiheit, die Titel aus dem Anlageuniversum nach ökonomischen Kriterien auszuwählen. Wir versuchen mit den Fonds ja auch eine Performance zu erreichen. Das erwarten unsere Kunden auch.
Nochmal zu den Ausschlusskriterien. Da schließen Sie im Fall von Staatsanleihen auch ganze Länder aus. Nun könnte man sagen, dass ein Land mehr ist als eine Regierung. Ein Land besteht vor allem aus seiner Bevölkerung. Nehmen Sie z. B. Myanmar, wo sich gerade eine Regierung an die Macht geputscht hat. Bestraft man auf diese Weise nicht ganze Bevölkerungen?
Grah: Bei den Staatsanleihen besteht das Problem darin, dass sie für alles aufgelegt werden. Wir sind ja z. B. sehr für Green Bonds. Dafür, dass der Staat nicht eine Kommunal- oder Länderanleihe macht, mit der er den gesamten Haushalt finanziert, sondern z. B. für eine bestimmte nachhaltige Investition. Das würden wir viel besser finden.
Anleihen für Investitionen, die nicht nachhaltig sind, würden richtig teuer, weil sie keiner will. Und warum soll nicht über den Preis entschieden werden? Wie etwa bei den Länderanleihen für Griechenland. Wenn man der Meinung ist, das Land ist kurz vor der Pleite, dann müssen die sehr viel Zinsen versprechen, damit überhaupt einer diese Anleihe kauft. Warum soll einem Land so nicht auch der Spiegel vorgehalten werden?
Eine Norwegenanleihe ist z. B. ein Selbstläufer, weil das Land das erste sein wird, wo nur noch Elektroautos fahren. Es herrschen hohe Sozialstandards. Dass die ihr Geld aus dem Ölgeschäft verdient haben, ist was anderes. Aber warum soll das sich nicht widerspiegeln?
Ist das nicht eine sehr „Nördliche-Hemisphären-Brille“? Alle Länder müssen das erfüllen, was wir in der nördlichen Hemisphäre gut finden, sonst kaufen wir ihre Staatsanleihen nicht oder nur, wenn wir viel Geld dafür bekommen. Kann man wirklich überall dieselben Maßstäbe anlegen?
Grah: Wenn man sich die Liste der Länderanleihen anschaut, die in unserem Universum zurzeit aufgenommen sind, gibt es da durchaus einen Europa-Schwerpunkt. Aber auch Ghana und Ecuador finden Sie in der Liste. Letztlich ist aber auch die ökonomische Komponente einer Staatsanleihe für jeden Fonds ein wichtiges Kriterium. Viele afrikanische Länder fallen z. B. schon aus ökonomischen Gründen, wie etwa aufgrund des Ratings, raus.
Unser Kunden wollen nachhaltig leben und eine Bank, die so tickt
Kommen wir zu Ihren Kunden. Wie sieht Ihr Kundenstamm aus? Lässt sich da irgendwo ein Schwerpunkt kristallisieren, oder kommen sie aus allen Bevölkerungsschichten?
Grah: Bei den natürlichen Personen deckt das das ganze Spektrum ab. Wir sagen immer, das sind die Leute, die das Nachhaltigkeits- oder das Weltverbesserungs-Gen in sich tragen. Das finden wir gut. Nehmen wir z. B. die Jüngeren, die „Fridays“. Die wollen nachhaltig leben und suchen dann auch eine Bank, die irgendwie so tickt.
Bei den etwas Älteren gibt es auch eine Generation von Erben, die sagt: „Ich habe jetzt viel Geld geerbt und meine Aufgabe ist es, das wirklich zukunftsweisend, nachhaltig anzulegen.“ Dann kommt man relativ schnell zur GLS-Bank. Wenngleich die Durchschnittsvermögen unserer Kunden eher niedrig sind.
Wir haben aber vor allem auch institutionelle Kunden, wie Stiftungen, die sich ein gesellschaftliches Anliegen auf die Fahnen geschrieben haben. Wie etwa die Ostseestiftung, die das Geld von Nordstream 1 bekommen hat, oder die großen Umweltorganisationen.
Sie sprachen vom „Weltverbesserungs-Gen“. Nun gibt es die grundsätzliche Frage, ob Banking ideologisch sein darf oder sich neutral zu verhalten hat. Für beides kann man Argumente finden. Letztlich haben Banken kein demokratisches Mandat. Wie geht man mit diesem Spannungsfeld um? Muss man nicht stets auf der Hut sein, dass aus „Mission Banking“ nicht ein „Gesinnungsbanking“ wird, das am Ende Unternehmen Kredite verweigert, weil Sie etwa auf ihrer Website nicht gendern?
Grah: Ja, aber da muss man auch die Relation sehen. Wir sind die Nische. Wir freuen uns über jeden, der zu uns kommt und das unterstützt. Insofern ist es noch ein langer Weg, bevor da so ein Mainstream entsteht und jemand den Eindruck hat, er wird ausgegrenzt.
Was würden Sie sich in Zukunft für die GLS Bank wünschen? Soll sie noch wachsen? Wenn ja wo? Vielleicht im Anlagebereich? Mehr Crowd-Funding?
Grah: Über das Crowd-Funding haben wir lange nachgedacht. Die Nachfrage ist sehr groß. Ich würde mir aber noch einen größeren Branchen-Mix wünschen. Wichtig ist hier, dass wir es mit ganz anderen Risiken zu tun haben, als bei einer Geldanlage bei der Bank.
In der Vermögensverwaltung haben wir bereits ein sehr großes Wachstum, allein im letzten Jahr ein Plus von 300 Mio. EUR. Da besteht eher die Gefahr, dass wir nicht genügend Titel haben, in die wir investieren können. So lange die Bank existiert, diskutieren wir darüber, wo die Grenze des Wachstums ist. Vor 20 Jahren hätten wir gesagt: „Um Gottes Willen, 1000 Mitarbeiter, undenkbar. 10 Milliarden Bilanzsumme, das ist ja eine Großbank“. Aber man fühlt sich natürlich auch in eine gewisse Größenordnung ein.
Vielleicht tun sich die Nachhaltigkeitsbanken in Europa auch mal zusammen. Aber dann ist man schon gleich wieder ein Konzern. Ich hätte einen riesen Respekt davor, wenn eine große Bank mit vielen tausend Mitarbeitern so nachhaltig werden würde wie wir. Denn es stellt sich die Frage, ob man die Authentizität, die wir jetzt mit unseren 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben, auch mit der dreifachen Anzahl hinkriegt? Keiner weiß es. Aber im Moment, wollen wir wachsen.
Was würden Sie nicht verlieren wollen auf dem weiteren Weg?
Grah: Was ich ganz persönlich nicht verlieren möchte, ist dass alle Mitarbeiter an ihrem jeweiligen Platz 100 Prozent Verantwortung für das übernehmen müssen, was sie tun. Wir stellen uns jeden Tag die Frage, wie wir ein agiles Unternehmen bleiben und unsere Leute in ihrer Verantwortung stärken können. Darüber muss man jeden Tag nachdenken. Und je größer die Organisation wird, desto größer wird diese Frage.