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Urlaub im Iran oder in China?

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Masjed-i Jame’ Mosque in Yazd |
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Ethische Alltagsfragen

In unserer Rubrik “Ethische Alltagsfragen” beantwortet der Philosoph Jay Garfield heute die Frage zur Wahl des Urlaubsortes: Dürfen wir in Länder reisen, in denen die Bevölkerung von der Regierung unterdrückt wird?

 

 

 

 

Frage: Ich würde gerne im Iran Urlaub machen, da ich die alte persische Kultur bewundere und gehört habe, wie freundlich die Menschen dort sind. Andererseits habe ich aber auch Zweifel, da das Regime dort gewalttätig und fundamentalistisch ist. Wie beurteilen Sie aus einer ethisch-moralischen Perspektive das Reisen in Länder, in denen die Bevölkerung von der Regierung unterdrückt wird?

Jay Garfield: Das ist eine gute Frage, die eine Reihe komplexer moralischer Fragen aufwirft. Erstens: Ist es in Ordnung, als Tourist durch eine Reise inakzeptable Regime oder Sozialsysteme stillschweigend zu legitimieren? Zweitens: Wann kann ein Regime oder Sozialsystem, das wir nicht gutheißen, dennoch moralisch legitim sein? Und drittens: Was ist unsere Rolle als Besucher eines Landes? Sollten wir etwas dazuzulernen und in einen Dialog eintreten oder Kritik äußern, und wann sollten wir das Gespräch suchen, selbst wenn uns die Kritik auf der Zunge liegt? Ich möchte die Fragen der Reihe nach beantworten:

Erstens gibt es ganz sicher Regime, die moralisch so bankrott sind, dass es falsch wäre, in ein Land zu reisen, in dem ein solches System herrscht. Eindeutige Beispiele waren Südafrika während der Apartheid, Myanmar zur Zeit der Militärdiktatur sowie Korea oder die Mandschurei unter japanischer Kolonialherrschaft.

Dann gibt es aber sicher viele Länder, für die keine so eindeutige Empfehlung gilt – Regime, die manch einer mit Südafrika und Myanmar damals vergleichen würde, über die es aber auch andere Meinungen gibt. Manche etwa boykottieren Israel, weil sie denken, das Verhalten der israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern gleiche einer neuen Apartheid. Wie stark ein Land den erwähnten Beispielen ähnelt, wird oft kontrovers diskutiert. Selbst innerhalb einer Familie kann es dazu divergierende Einschätzungen geben, das kann ich Ihnen versichern!

Das führt uns direkt zur zweiten Frage, von der ich glaube, dass sie Ihre Entscheidung am stärksten beeinflusst: Sind Gesellschaft und Regierung im Iran tatsächlich moralisch so stark zu verurteilen, dass eine solche Analogie angebracht ist?

In der Tat lehnen viele von uns Amerikanern und Europäern die Politik der iranischen Regierung und ihre stark religiöse Ausrichtung ab (obwohl man das auch nicht überschätzen darf – in den USA gibt es durchaus auch Menschen, die anderer Meinung sind).

Ich glaube aber, dass wir es im Iran nicht mit einem terroristischen Minderheitenregime zu tun haben, das sein System einer unterdrückten Bevölkerung aufzwängt, so wie es in Südafrika oder in Myanmar der Fall war. Auch agiert die iranische Regierung nicht so offensichtlich gewaltsam wie früher das Apartheidsregime oder Japan in den 1930er Jahren. Die iranische Bevölkerung kann wählen gehen und viele Menschen dort unterstützen die Politik der Regierung. Es gibt eine lebendige Kultur.

Wir reisen nicht als Missionare

Eine Freundin von mir war kürzlich auf Vortragsreise im Iran. Sie war beeindruckt, wie groß der Unterschied zwischen der Sichtweise auf die iranische Gesellschaft ist, die uns in den USA (wo wir beide leben) beigebracht wird, und dem, was sie dort erlebte. Obwohl sie einräumte, nie in einer Gesellschaft leben zu wollen, in der eine einzige Religion eine so dominante Rolle spielt und in der die Unterschiede zwischen Frau und Mann so stark hervorgehoben werden wie im Iran, wurde ihr klar, dass viele Iranerinnen und Iraner – ein solches Leben guthießen und es unterstützten.

Vor diesem Hintergrund wären wir engstirnig, von ihnen zu verlangen, dass sie unsere Werte und unseren Lebensstil annehmen. Solche Unterschiede zwischen verschiedenen Nationen sollten wir als kosmopolitische Mitglieder einer komplexen globalen Welt tolerieren können.

Die Volksrepublik China ist auch so ein Beispiel. Es gibt Stimmen, die sagen, man könne wegen des repressiven Vorgehens gegen Tibeter und Uiguren nicht guten Gewissens nach China reisen. Das ist natürlich ein Argument, und man kann auch darüber streiten, ob das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in China ein Grund ist, nicht dorthin zu reisen.

Aber für manche reicht allein schon die Tatsache, dass in China ein autoritäres Ein-Parteien-System herrscht, um es von der Liste ihrer Urlaubsländer zu streichen. Hier bin ich anderer Meinung, denn es hat den Eindruck, als würden sich die meisten Chinesen in dem System im Großen und Ganzen wohl fühlen.

Es kann also sinnvoll sein, im Iran oder in China Urlaub zu machen, um mehr über diese Länder zu lernen. Um zu beobachten und zu erleben, was für ein Leben Menschen führen, die in Bezug auf Politik, Religion oder soziales Miteinander anders denken als wir. An dieser Stelle kommt die dritte Frage ins Spiel:

In ein anderes Land zu reisen bedeutet nicht, dass wir als Missionare dort hin gehen sollen. Wir sind Besucher, und als solche sollten wir ein angemessenes Verhalten an den Tag legen und mit Kritik zurückhaltend sein, es sei denn, wir werden ausdrücklich dazu aufgefordert, Kritik zu üben.

Als Besucher eines Landes muss man nicht alles befürworten, was man sieht, und man muss auch nicht alles mögen (da gibt es einen Unterschied). Was man aber ernst nehmen sollte, ist die Tatsache, dass andere Menschen nicht die gleichen Dinge befürworten und mögen wie wir. Und das ist okay. Das ist eine eindeutig pluralistische und kosmopolitische Haltung.

Eine solche Einstellung können wir nur erreichen, wenn wir die Herausforderung annehmen und uns mit einem offenen Geist und klaren Überzeugungen in verschiedenen Kulturen aufhalten. Ich würde Ihnen also raten, die Reise anzutreten. Nicht mit der Erwartung, dass Sie mit allem, was sie erleben werden, konform gehen, sondern mit der Einstellung, dass selbst das, was Sie eigentlich nicht akzeptieren, nicht per se etwas ist, das man nicht tolerieren kann.

Jay Garfield, aus dem Englischen übersetzt von Barbara Marx

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