Warum weniger Fleischverzehr besser ist
Schnitzel, Bratwurst und Co. schaden dem Klima: 35 Prozent der weltweiten Emissionen an Treibhausgasen gehen auf die Herstellung von Lebensmitteln zurück, allen voran Fleisch. Wenn wir den Speiseplan etwas verändern, können wir einiges bewegen. Doch die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei den Verbrauchern.
Kaum ein Thema wird so hitzig debattiert wie der Veganismus. Die AfD-Politikerin Alice Weidel ereiferte sich auf einem Volksfest in Gillamoos 2023: „Niemand geht an mein Schnitzel!“ Auch Politiker anderer Parteien attackieren den Vegetarismus; man denke nur an den Aufruhr gegen den Vorschlag der Grünen 2013, einen Veggie Day pro Woche einzuführen.
Fakt ist: Vegetarier und Veganer, also Menschen, die sich fleischfrei oder ganz ohne tierische Produkte ernähren, sind in der Minderheit. In Indien lebt jeder vierte Menschen vegetarisch, meist aus religiösen Gründen. Darauf folgt mit weitem Abstand die Schweiz, wo elf Prozent der Menschen kein Fleisch essen.
In einer Umfrage des Statistischen Bundesamts bezeichnen sich lediglich sechs Prozent der Deutschen als Vegetarier. 2023 gaben zudem 1,52 Millionen Menschen an, vegan zu leben. Damit sinkt die Zahl der deutschen Veganer momentan. Deshalb wird sowohl in den sozialen Medien als auch in den Parlamenten Deutschlands immer wieder betont, dass eine Minderheit nicht der Mehrheit das Schnitzel streitig machen dürfe.
Laut Statistischem Bundesamt sind es vor allem gesundheitliche Gründe, die die Deutschen in die Fleischfreiheit treiben, gefolgt von tierethischen Gründen.
Großer CO2-Abdruck tierischer Nahrungsmittel
Wissenschaftler schätzen, dass die Lebensmittelproduktion weltweit 35 Prozent der Treibhausgasemissionen verursacht. Dabei sei Fleisch für eine mehr als doppelt so hohe Emission von Treibhausgase verantwortlich wie Obst, Getreide und Grünzeug.
Auch sind für sie mit wenigen Ausnahmen weniger Energie, Land und Wasser nötig. In der Debatte oft übersehen werden tierische Produkte aus dem Wasser. So nehmen Garnelenfarmen häufig Küstengebiete ein, die früher Mangrovenwäldern waren, die große Mengen an CO2 absorbieren.
Der große CO2-Fußabdruck von Garnelen liegt also hauptsächlich daran, dass für ihre Produktion meist Mangroven unwiederbringlich abgeholzt werden. Wenig überraschend kommt eine Studie der Oxford University zum Schluss, dass eine vegane Ernährung den größten Vorteil für unser Klima bringt.
Was wir essen, hat somit größere Auswirkungen, als wir denken könnten. „Dein Einkaufszettel ist auch ein Wahlzettel“, heißt es immer wieder. Doch das stimmt nur bedingt. Denn wir können nur aus dem wählen, was der Geldbeutel und das Sortiment im Supermarkt hergeben. Dasselbe gilt auch für Restaurants, Kantinen und Mensen.
Und der freie Konsumwille schrumpft noch mehr, wenn man weiß, dass nahezu alle Produkte in den Supermarkt-Regalen von neun Mega-Konzernen stammen. Wer sich also aus sozialen oder ökologischen Gründen von Nestlé abwendet, landet unweigerlich bei Unilever, Mondelez oder einem vergleichbaren Giganten. Wenn wir also nur bedingt auswählen können, von wem wir kaufen, können wir dennoch entscheiden, was wir kaufen.
Das Verhalten langsam verändern
Nur was sollte das idealerweise sein, wenn wir das Klima nicht allzu sehr belasten wollen? Meinungen zum Thema Fleisch oder kein Fleisch gibt es viele. Doch daneben gibt es auch Forschung und Fakten.
Eine fleischarme mediterrane Ernährung wirke sich, so legen Studien nahe, positiv auf die Gesundheit und die Lebenserwartung aus. Und auch auf für das Klima ist diese Ernährungsweise von Vorteil. Denn das Problem bei der Fleischerzeugung liegt nicht nur in der Emission von Treibhausgasen. Schließlich brauchen Tiere nicht nur Fläche, auf der sie leben, sondern auch Futter.
Entsprechend ist für die Tiermast sowie für die Milch- und Eierproduktion ein Vielfaches an Fläche nötig als beim Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln. Zudem werden in manchen Ländern die Flächen dafür durch Abholzung und Brandstiftung wichtiger Ökosysteme unwiederbringlich zerstört.
Pasta mit Cremiger Tomatensoße oder ein raffiniert gewürztes Curry mit Reis sind also nicht nur lecker, sondern können helfen, das Klima weniger zu belasten. Der Haken daran ist allerdings:
Das lang erlernte Verhalten zu verändern ist gar nicht so leicht. Vor allem wenn es um etwas so Emotionales und Tiefgreifendes wie die Ernährung geht. Gefordert ist also nicht ein Alles-oder-Nichts-Ansatz, sondern eine langsame, achtsame Veränderung des Ess- und Kaufverhaltens. Schon mit einer Mahlzeit pro Woche kann sich etwas verändern. Das Klima gesund zu essen, liegt aber nicht nur in der Verantwortung jedes einzelnen.
Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen
Ein entscheidender Hebel ist auch das Verhalten der Supermärkte. 2020 veröffentlichte die gemeinnützige Forschungsorganisation World Resources Institute einen Bericht dazu, wie Menschen sich am leichtesten zu einem niedrigeren Fleischkonsum bewegen ließen.
Die Forschenden kamen zu dem Schluss, dass die Kaufentscheidungen selten rational sind. Viel häufiger als von Wissen lassen sich Menschen von subtilen Hinweisen locken, etwa von der Wortwahl auf der Verpackung oder vom Bodenbelag in der Gemüseabteilung.
Auch stellte die britische Supermarktkette Tesco fest, dass sich Milchalternativen wie Hafer- oder Sojadrinks deutlich besser verkauften, wenn sie nicht bei der haltbaren Milch im Regal stehen, sondern im Kühlregal neben der frischen Kuhmilch.
Dasselbe gilt für andere pflanzliche Alternativen: Kunden greifen eher zu, wenn diese Produkte nicht in eine separate Abteilung verbannt werden, sondern beim Schnitzel aus echtem Tierfleisch stehen. Was die Verbraucher letzten Endes kaufen, ist also nicht zu 100 Prozent allein ihre Entscheidung.
Am Ende sollte die Verantwortung womöglich nicht bei jedem einzelnen liegen. Auch und vor allem Hersteller, Einzelhändler, Restaurants und Kantinen müssen dazu beitragen, dass pflanzliche Lebensmittel gesund, verlockend und schmackhaft sind.
Doch derart große Veränderungen können nur im großen Stil angegangen werden – und damit sind wir bei der Politik. Solange in den Parlamenten sich Menschen ebenso in ihre Bequemlichkeit wie in ein Schnitzel verbeißen, können Konsumenten lediglich das kleinere Übel wählen. Und das ist gar nicht so einfach.
Ines Maria Eckermann machte einen Doktor in Philosophie. Nebenbei heuerte sie als freie Mitarbeiterin bei verschiedenen Medien an und engagiert sich im Umweltschutz.
Quellen
https://www.nature.com/articles/s43016-023-00795-w
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/02/PD23_051_413.html