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Vom Fotografen zum Schafbauer

Steffen Honzera

Steffen Honzeras neues, alternatives Leben

Steffen Honzera, 49, hütet Schafe in Mecklenburg-Vorpommern. Vor sieben Jahren warf er seinen Job als Fotograf hin, kaufte einen Bauerhof und eine kleine Milchschafherde. Birgit Stratmann schildert Freud und Leid eines abenteuerlustigen und umweltbewussten Aussteigers.

Steffen Honzera ist ein weit gereister Mann. Der gelernte Fotograf mit Erfahrungen in Werbe-Porträt- und Pressefotografie war in vielen Ländern der Welt unterwegs. Besonders lebendig erinnert er sich an seine Reise in 2006: Er fuhr er mit seiner Freundin Claudia Schäfer auf einem Moped von Stuttgart bis nach Addis Abeba, Äthiopien.

Sein größter Antrieb im Leben ist die Neugier. Nur nicht stecken bleiben im alt Vertrauen, sondern immer wieder den Aufbruch ins Unbekannte wagen. 2009 war so ein Aufbruchsjahr. Er war freier Fotograf mit guter Auftragslage, da regte sich der Wunsch, etwas Neues zu unternehmen. „Mein Traum war es, mit Schafen zu arbeiten. Die Tiere faszinierten mich immer schon: Das Schaf liefert Milch, Fleisch und Wolle und ist gut für unsere Kulturlandschaften“, so Honzera.

Doch bevor er es wagte, selbst einen Hof zu kaufen, wollte er wissen, was alles auf ihn zukommt. Auf einem Schafhof im Schwarzwald machten Steffen und seine Freundin Claudia ein Jahr Praktikum. Auf einem Biohof lernten sie alle Arbeiten kennen, die über das Jahr anfallen. „Obwohl es harte körperliche Arbeit war, verstärkte die Erfahrung in mir den Wunsch, selbst einen Hof zu gründen. Und ich nahm auch viel Know-how mit“, so das Resumée.

Biobauernhof mit 100 Schafen

Im Süden fanden die beiden nichts, was geeignet und bezahlbar war. Dann hörten sie von einem Hof in Mecklenburg-Vorpommern, der zum Verkauf stand. Mit einem Kredit zahlten sie für das Land und den Hof. Ihre eigenen Ersparnisse verwendeten sie für nötige Investitionen: eine Schafherde, Maschinen wie Melkanlagen, die Ausbesserung der Ställe und die Renovierung der Scheune. „Schafscheune“ nannten sie ihr Anwesen.

Steffen Honzera

Steffen Honzera

Heute hat das Paar einen Biobauernhof mit 100 Schafen, verteilt auf zwei Herden, zertifiziert nach Bioland-Standards. Keine Massentierhaltung, keine Chemiekeulen, keine abgeriegelten Ställe, in die niemand hineingelassen wird. Steffen und seine Partnerin wollen durch artgerechte Schafhaltung einen Beitrag für die Umwelt leisten. „Schafzucht hat einen ungeheuer positiven Einfluss auf die Weiden“, weiß der Landwirt. „Der Boden wird verbessert – und das ist angesichts des desolaten Zustands unserer Agrarflächen wirklich nötig, wenn wir zukünftigen Generationen fruchtbare Erde hinterlassen wollen.“

Für Honzera sind die Tiere kein Wirtschaftsfaktor, sondern Lebewesen, für die er Verantwortung trägt. Daher sorgt er zum Beispiel dafür, dass die Lämmer 45 Tage bei ihrer Mutter verbringen, was in milchproduzierenden Betrieben selten ist. Gefüttert wird nur Gras, das der Hof selbst herstellt: von der Weide bis zum Heu. All das ist aufwändig, daher trägt sich der Hof noch nicht, aber die Zahlen werden jedes Jahr besser.

Die Schafscheune in Vietschow ist einer der wenigen Vollerwerbs-Bauernhöfe, der Besuchern offen steht: Schafe und Lämmer zum Anfassen und Streicheln. Jeden Tag kommen Besucher hierher, besonders im März, wenn die Lämmer geboren werden, und in der warmen Jahreszeit.

Steffen Honzera

Steffen Honzera

Viel neues Wissen musste sich das Paar aneignen: wie man Schafe hält, Heu macht, bei Geburten assistiert, über das Scheren und Schlachten. Claudia Schäfer ist ausgebildete Käserin und verantwortlich für die Käseherstellung: Der selbst hergestellte Schafskäse, der u. a. im kleinen Hofladen verkauft wird, ist die eine wichtige Einnahmequelle.

„Freiheit bedeutet mir viel“

Das Thema Fleisch ist ein wunder Punkt. „Wenn ich mit der Tierhaltung aufhören würde, dann nur aus dem Grund, dass ich Tiere töten muss.“ Das ist für Honzera das Schwierigste an seinem neuen Leben. Die Arbeit verrichtet er nicht selbst, sondern lässt einen Metzger kommen. Doch es gibt auch Fälle, wo Notschlachtungen sein müssen, und dann muss er selbst Hand anlegen.

In seinem früheren Leben als Fotograf war er Vegetarier. Erst seit er selbst Tiere hält, isst er Fleisch. „Es wäre inkonsequent, es nicht zu tun“, denkt er. Die Tiere sind nun einmal da und irgendwann sind sie so altersschwach, dass sie nicht mehr lebensfähig sind. Seine Schafe erreichen ein vergleichsweise hohes Alter, sie werden um die elf oder zwölf Jahre. In besonderen Fällen füttert er sie schon mal mit Haferbrei durch, aber irgendwann ist das Leben einfach zu Ende.

Diese Erkenntnis hat ihn tief berührt, seit er in und von der Natur lebt: dass die Biologie Leben und Sterben gleichermaßen vorgesehen hat. Leben ist nur möglich, wenn gleichzeitig Lebewesen sterben. „Auch Veganer können nichts gegen diese Naturgesetze unternehmen, so sehr ich diese Lebensweise auch schätze“, gibt Honzera zu bedenken, „denn wenn beispielsweise ein Feld abgemäht wird, sterben unzählige Lebewesen. Pro Hektar Ackerland entspricht das einer Menge an Insekten die bis zu 10 Bienenvölkern entsprechen, und das ist nur ein Beispiel“.

Steffen Honzera, TreckerUnd selbst wenn man nichts tut, habe dies Auswirkungen, da ist sich der Schafbauer sicher. „Wenn man ein Stück Weidefläche unberührt lässt und nicht mäht, verhindert man, dass bestimmte Arten sich dort ansiedeln können.“

Wie man es dreht und wendet: Dem Kreislauf aus Leben und Tod kann man nicht entkommen, welchen Lebensstil auch immer man pflegt.

Und wie ist das soziale Leben in dieser strukturschwachen Region? Es ist nicht einfach für die Menschen, dort gut zu leben. Junge ziehen weg, und manche Dagebliebenen fühlen sich als Verlierer, abgehängt vom Wohlstand in Deutschland. Fremden gegenüber gibt es Vorbehalte. Das betrifft nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch Zugereiste wie Steffen Honzera und seine Frau.

Doch der Landwirt hält dagegen: „Wir leben in einem freien Land, in dem jeder wählen kann, wo und wie er lebt. Die Freiheit bedeutet mir sehr viel. Deshalb sind wir hier.

Und wie lange will er den Job als Biobauer noch machen und jeden Tag, außer im Winter, von 5 Uhr in der Früh bis abends spät arbeiten? Dieses Jahr wird er 50 und denkt langsam daran, den Hof an die nächste Generation zu übergeben. Was nach dem Landleben kommt, weiß er noch nicht. Klar ist nur, dass er diese Knochenarbeit nur bis 60 machen will. Bis dahin wird sich sein neugieriger Geist bestimmt etwas Neues ausgedacht haben.

Birgit Stratmann

Infos zur Schafscheune gibt es hier

Wwoofen, also freiwillige Mitarbeit auf Biohöfen, sowie Praktika sind möglich, mindestens zwei Wochen, vor allem von März bis Oktober. Bei Interesse bitte per E-Mail bei Claudia Schäfer melden: info@schafscheune.de

Ferien machen: Vietschow liegt zwischen Ostseeküste und Mecklenburgischer Seenplatte. Auf dem Hof gibt es eine Ferienwohnung

Regelmäßig werden Hofführungen mit Käseverkostung angeboten. Der Hofladen bietet selbst gemachte Schafskäse-Spezialitäten, einige Produkte können Sie auch online erwerben.

 

Shutterstock

Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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