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Ethik und Ökonomie

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Ein Vortrag von Annemarie Pieper in der Bucerius Law School

Die Philosophin sprach über ethische Werte in der Wirtschaft und die Notwendigkeit, moralischen Werten wieder eine Priorität vor ökonomischen Werten zu geben.

Der Saal der Bucerius Law School ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als die Philosophin Annemarie Pieper am 26. Februar 2014 zur ethischen Dimension des Wirtschaftslebens spricht. Das Thema treibt die Menschen um, und die emeritierte Professorin bringt deren Sorgen und Suche nach Orientierung auf den Punkt.

Aus der Erfahrung der Wirtschafts- und Finanzkrise der letzen Jahre zeichnet die Professorin im ersten Teil ihres Vortrags das Bild der ethischen Orientierungslosigkeit. Sie attackiert die in der Wirtschaft verbreitete Vorstellung vom homo oeconomicus, der nur seinen eigenen Vorteil sucht. Dieses Menschenbild habe zu rücksichtslosem Verhalten gegenüber Mensch und Natur geführt.

„Wir kennen von allem den Preis, aber nicht den Wert“

Mittlerweile habe diese Haltung regelrecht um sich gegriffen, auch im privaten Bereich. Alles müsse sich irgendwie rechnen: „Wir kennen von allem den Preis, aber nicht den Wert“, bringt die Philosophin es auf den Punkt.

Soziale und ökologische Kosten, die durch Fehlverhalten etwa in der Bankenkrise entstehen, würden an die Gemeinschaft ausgelagert, während die verantwortlichen Manager in den Konzernen Boni erhielten und weiter nur den kurzfristigen Profit suchten.

Annemarie Pieper greift auch das Rechtfertigungsmantra der Manager an, die behaupten: „Wir können uns den Zwängen des Marktes nicht entziehen.“ Sie blendeten aus, dass ein Wirtschaftssystem von Menschen gemacht und kein Naturgesetz ist. „Was von Menschen gemacht ist, kann auch von Menschen verändert werden“, so die verblüffend einfache Antwort. Die freie Marktwirtschaft brauche dringend ethische Normen.

Nicht nur die Manager unterlägen der Anziehungskraft des Geldes. Wir alle seien es, bis auf wenige Ausnahmen. Wenn wir zwischen den Sorgen des Reichen und den Sorgen des Armen wählen könnten, würden wir uns für die Sorgen des Reichen entscheiden, obwohl dieser viel, der Arme aber wenig zu verlieren hat.

Eigentlich aber wissen wir: Geld macht nicht glücklich. Geld macht auch abhängig. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen ist uns ein wichtigeres Gut. Zufriedenheit ist ein Anzeichen, wenn uns ein maßvoller Umgang mit Geld gelingt.

Wir brauchen Werte

Im zweiten Teil des Vortrags ist die Philosophin in ihrem Element, wenn es um den dringend notwendigen Wertewandel geht. Sie gibt eine Übersicht über Werte, die in demokratischen Gesellschaften anerkannt sind: An oberster Stelle stehen die demokratischen Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.

In der Mitte kommen moralische Werte, die allen Mitgliedern der Gemeinschaft ein gutes Leben ermöglichen. Es gibt drei Kategorien von moralischen Werten: Die Individualwerte wie Selbstbestimmung, Freundschaft, Gesundheit geben dem Einzelnen die Chance zur persönlichen Entfaltung. Die Sozialwerte wie Solidarität, Fairness, Frieden und Toleranz sichern das harmonische Miteinander in einer Gemeinschaft. Die ökologischen Werte bewahren die Lebensqualität durch einen schonenden Umgang mit der Natur.

Die unterste Gruppe der Werte umfasst die ökonomischen Werte. Hier geht es um die Marktwirtschaft und das Recht, durch Arbeit und Handel materielle Werte zu erwirtschaften.

Die spannende Frage ist, welche Werte Priorität haben? Aus Sicht der „praktischen Vernunft“, so die Professorin, seien die ethisch-demokratischen Werte am wichtigsten, gefolgt von den moralischen; am Ende stünden die ökonomischen.

Die Menschenwürde muss zur Basis menschlichen Handelns werden

Die Krise, die wir zurzeit erleben, ist ihrer Auffassung nach das Ergebnis einer Umkehrung der Rangordnung. Den ökonomischen Werten wurde die oberste Priorität eingeräumt, die anderen Werte rutschten in der Rangfolge nach unten. Anders sei kaum zu erklären, dass der Materialismus die Wertvorstellungen heute dominiere. Es werde das als wertvoll angesehen, was zur Gewinnmaximierung beitrage.

Wir sollten die Krise nutzen, um eine neue Prioritätenordnung unter den Wertegruppen zu bilden, so das klare Fazit. Dazu bräuchten wir ein qualitatives Wertbewusstsein, das den Wert der Menschenwürde als Basiswert menschlichen Handelns anerkennt.

Der Finanz- und Wirtschaftsbereich dürfe nicht länger als „ethikfreie Zone“ angesehen werden, wie es viele Manager tun. Jede Berufssparte habe ihr Standesethos, z.B. Handwerker, Journalisten und Ärzte. Nur in der Wirtschaft gebe es keinen allgemein anerkannten Ethik-Codex.

Niemand kann auf Ethik verzichten. Sobald Menschen miteinander kooperieren wollen, bräuchten sie Regeln. Denn es gelte, die Freiheit des Einzelnen mit der Freiheit anderer in Einklang zu bringen. Nur so könne die größtmögliche Freiheit alle gewährleistet werden.

Der dringend nötige Wertewandel, so Einschätzung von Frau Pieper, müsse von frischen, innovativen Menschen kommen, die den Mut haben, aus den eingefahrenen Gleisen in ihrem Unternehmen herauszutreten und ethische und ökologische Werte wieder mit ihr Denken und Handeln einbeziehen. Die Wurzel für Veränderungen liege in der Bildung und Erziehung – im Elternhaus, an Schulen und Hochschulen.

Christof Spitz

Professor Pieper kommt auf Einladung des Netzwerks Ethik heute am 22. August zu einer Abendveranstaltung nach Hamburg. Mehr Information

 

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