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Wie ist es moralisch zu bewerten, Geld in Aktien anzulegen?

Gopixa/ shutterstock.com
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Ethische Alltagsfragen

In der Rubrik “Ethische Alltagsfragen” greift der Philosoph Jay Garfield eine Frage zur Geldanlage auf. Nur Aktien bieten heute überhaupt noch Dividende, auch wenn man nicht so viel Geld hat. Aber wie viel Verantwortung haben Kleinanleger, die in Aktien oder Fonds investieren?

 

Frage: Ich möchte ein wenig Geld anlegen, um mich und meine Familie abzusichern. Doch Aktienfonds, die zurzeit überhaupt noch eine Dividende bieten, investieren oft in nicht-nachhaltige Firmen, Monopolisten wie Amazon oder gar in Waffen. Wie ist es moralisch zu bewerten, wenn ich Geld in solchen Fonds anlege? Welche Verantwortung habe ich?

Jay Garfield: Dies ist eine wichtige Frage, die sich zu wenige Menschen stellen, die direkt oder indirekt in solche Fonds investieren. Klar ist: Wer investiert und Aktien kauft – sei es nur in geringem Umfang –, unterstützt damit das Unternehmen oder die Unternehmen, bei denen er das Geld anlegt. Man wird zu einem Miteigentümer und ist somit an den Handlungen dieser Unternehmen beteiligt.

Aktien eines Waffenherstellers zu kaufen bedeutet, die Produktion von Waffen zu unterstützen und daran mitzuwirken. Aktien eines Biobauernhofs zu kaufen bedeutet, die Produktion von Bio-Lebensmitteln zu unterstützen und daran mitzuwirken. In eine multinationale Bank zu investieren bedeutet, all diejenigen zu unterstützen, denen sie Kredite gewährt. In eine Entwicklungsbank zu investieren bedeutet, denjenigen zu helfen, die in weniger guten Umständen leben, um ihr Los zu verbessern. Und so weiter.

Es ist daher sehr wichtig, nicht nur die Rentabilität der Institutionen zu bewerten, bei denen wir Geld anlegen, sondern auch ihr Handeln, ihren Einfluss auf die Welt und ihre moralischen Werte. Investieren bedeutet nicht, passiv zu sein, wie passiv es auch erscheinen mag.

Natürlich ist es schwierig, jedes Unternehmen zu prüfen, vor allem wenn man sein Geld in einen Investmentfonds steckt, der in viele Unternehmen gleichzeitig investiert, wie es viele Anleger tun. Aber das ist auch gar nicht nötig.

Mittlerweise gibt es Fonds auf dem Markt, die in ökologisch verantwortungsbewusste Firmen investieren oder in Firmen, die wenigstens bestimmte schädliche Dinge ausschließen, etwa Waffenhandel oder fossile Energieträger.

Die Firma beispielsweise, die die Pensionsfonds für unsere Hochschule verwaltet, hat einen “sozial verantwortlichen Fonds”. D.h. Menschen recherchieren und stellen Nachforschungen an, so dass ich mich darauf verlassen kann, dass mein Geld zumindest weniger Schaden anrichtet als bei einem anderen Fonds und, wie ich hoffe, auch etwas Gutes bewirkt.

Wir haben Verantwortung, wenn wir Geld anlegen.

Man könnte meinen, dass ich als Anlegerin oder Anleger nur eine minimale Verantwortung für die Handlungen eines Unternehmens trage und dass dies für die meisten von uns kein sehr wichtiges Thema ist. Ich bin da anderer Meinung, und zwar aus zwei Gründen.

Erstens ist es eine Tatsache, dass wir Wahlmöglichkeiten haben. Jede Entscheidung für die Unterstützung von Zielen, die wir befürworten, und für den Verzicht auf Investitionen in Unternehmen, von denen wir wissen, dass sie unmoralisch handeln, ist eine gute Entscheidung.

Zweitens fördert die Entscheidung gegen ein Unternehmen, das schädliche Produkte verkauft, und für eine Firma, die sich wirklich klimafreundlich und gewaltlos verhält, den öffentlichen Diskurs, vor allem wenn Sie sich darüber mit Freunden und Kolleginnen austauschen. So tragen Sie ein wenig dazu bei, dass Unternehmen und Politik ihr Verhalten ändern.

Ein Beispiel aus der Geschichte: Coca-Cola machte während der Apartheid-Ära in Südafrika Geschäfte. Sich gegen Aktien von Coca Cola zu entscheiden, war ein öffentlicher Akt von Kleinanlegern und setzte den Konzern unter Druck.

Die Anleger lenkten die Aufmerksamkeit der Menschen auf die vielen kleinen, passiven Wege, auf denen sie die Apartheid unterstützten. Das veranlasste auch andere Unternehmen und politische Entscheidungsträger dazu, ihre Unterstützung zurückzuziehen.

Der derzeitige Rückzug amerikanischer Hochschulen und Universitäten bei ihren Pensionsfonds aus Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, hat eine ähnliche Wirkung, auch wenn natürlich ihre Anteile an diesen riesigen Konzernen gering sind.

Aber jedes Mal, wenn man so etwas tut und vor allem, wenn man auch darüber spricht, hat dies eine Wirkung. Davon bin ich überzeugt. Je mehr Anleger sich für ökologisch und sozial verantwortliche Fonds interessieren und diese bevorzugen, desto mehr Einfluss haben diese Fonds auf das Verhalten von Unternehmen und Politik.

Im Übrigen wissen wir, dass die ethischen strengen Fonds in der Regel auch gute Renditen erzielen, so dass die Entscheidung dafür vielleicht nicht einmal mit Opfern verbunden ist. Aber selbst wenn ein gewisser Verzicht auf Gewinne erforderlich ist, um im Einklang mit den eigenen Werten zu investieren, scheint dies ein angemessener Preis dafür zu sein, dass man nachts schlafen und morgens in den Spiegel schauen kann.

Wichtig ist nur, dass wir uns gut informieren – und hier scheint es uns manchmal an Tatkraft zu mangeln. Wir müssen etwas Aufwand betreiben, um im Bereich Geldanlagen, vor allem wenn sie das Label “nachhaltig” tragen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wir sollten genauer hinschauen und uns Informationen besorgen, wenn wir Aktien oder Fonds kaufen.

Wenn Sie eine Frage haben, eine ethische Zwickmühle, schreiben Sie uns: redaktion@ethik-heute.org

Jay Garfield, Foto: Spitz

Jay Garfield ist Professor für Philosophie am Smith College, Northhampten, USA, und Dozent für westliche Philosophie an der tibetischen Universität in Sarnath, Indien. Ein Schwerpunkt seiner Lehrtätigkeit ist die interkulturelle Philosophie. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher. Alle Beiträge von Jay Garfield in der Rubrik „Ethische Alltagsfragen“ im Überblick

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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Grundsätzlich bin ich ein riesiger Fan von nachhaltigem Investment! Man unterstützt damit einen guten Zweck & das Feld hat ein großes Wachstumspotenzial. Quasi Win-Win Situation 🙂

Heutzutage kann kaum ein Unternehmen, was sich nicht an die neuen Gegebenheiten (wie Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Unternehmen) anpasst, halten. Daher stimme ich absolut zu, dass man auch als Minderheitseigner viel Druck ausüben kann und sollte! Alleine dem eigenen Investment wegen. Denn sonst kann das Unternehmen bals die laufenden Kosten nicht mehr zahlen und geht bankrott (klar kann man immer noch für kurzfristige Liquidität Forderungen verkaufen, aber langfristig hilft das auch nicht). Dann war die ganze Investition für die Tonne und der Umwelt ist auch nicht geholfen.

Daher: Besonders prüfen, ob das Unternehmen auch wirklich nachhaltig handelt und dann investieren und auf nachhaltiges Handeln bestehen.

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