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Wie leben wir morgen?

Findhorn Foundation
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Über innovative Ökodörfer

Alte Lebensstile sind nicht zukunftsfähig und für viele nicht mehr attraktiv. Auf der ganzen Welt gibt es um die 12.000 alternative Dorf-Gemeinschaften. Die Bewohner verstehen sich nicht als Aussteiger, sondern als Visionäre, die neue Lebensstile ausprobieren. Geseko von Lüpke sprach mit Menschen über ökologische, poltische und spirituelle Motive, sich Gemeinschaften anzuschließen.

 Das Ökodorf Sieben Linden in der Altmark von Sachsen-Anhalt gibt es seit 1997. Eine Dorfneugründung, die erste in Deutschland seit Bismarcks Zeiten, nur etwas anders und als neue Lebensform – ökologisch, gemeinschaftlich, genossenschaftlich, nachhaltig, selbstversorgend mit kleinräumigem Wirtschaften, Arbeiten und Leben am Ort. Seit mehr als zwei Jahrzehnten bauen hier rund 150 Frauen, Männer und Kinder eine dörfliche Zukunft. Und ‚Sieben Linden’ ist keine einsame Ausnahme geblieben. 

Überall in Deutschland, in Europa, ja auf dem ganzen Planeten, haben sich Menschen zusammengetan, um aus eigener Kraft damit zu beginnen, die Welt zu verändern. Global sollen es um die 12.000 alternative Dorf-Gemeinschaften sein.

In Sibirien gibt es eine Ökostadt mit 5.000 Bewohnern. In Europa sind es inzwischen 2.000 große ‚intentionale Gemeinschaften‘, die Modelle für die Zukunft praktisch erproben wollen, sagt Wolfram Nolte. Er kennt die Szene und gab lange das ‚Eurotopia-Projekte-Verzeichnis’ heraus, das die Vielfalt gut gegliedert vorstellt.

„Es können ökologische, soziale, spirituelle oder politische Gründe sein“, fasst Nolte die Motive zusammen. „Man will andere Führungsstrukturen, andere Entscheidungsstrukturen, gemeinsamen Besitz, gemeinsame Kasse. Alles das sind Momente, die Menschen bewegen, sich ein Leben aufzubauen, das diesen Werten genügt.“

Zurück zum einfachen Leben

Die alten Lebensstile scheinen an ihre Grenzen zu stoßen: Klimakrise, eine wachsende soziale Ungleichheit, Hilflosigkeit der Politik. Das gesellschaftliche Umfeld vermittelt vielen Menschen nicht mehr das Vertrauen, mit der herrschenden Kultur noch auf dem richtigen Weg zu sein.

Die Suche nach den Auswegen ist eine große globale Herausforderung, aber sie kann im individuellen Lebensstil, ganz im Kleinen beginnen. Gemeinschaften haben erkannt, dass das nachhaltig verträgliche Leben eher in der Gruppe machbar ist, sagt Roman Huber, Mitbegründer der Gemeinschaft ‚Schloss Tempelhof‘ im baden-württembergischen Hohenlohe bei Crailsheim:

Wenn ich hier in unserer Gemeinschaft bin und viel Zeit bei uns im Dorf verbringe, wird es immer einfacher, weil ich so vieles nicht mehr brauche. Und es macht sich so an ganz kleinen Dingen bemerkbar. Wenn ich fünfmal am Tag von verschiedenen Leuten umarmt werde, ist so viel anderes gar nicht mehr notwendig. An solchen Themen entlang könnten wir mal schauen, wie wir unsere superkomplexen Systeme eigentlich aufgebaut haben, weil unsere Grundbedürfnisse so wenig gestillt sind.“ 

Grundbedürfnisse sind überall dieselben: Zusammenhalt, Solidarität, Frieden, Gerechtigkeit, Kooperation, Liebe, sichere Unterkunft und Hilfe in Not, gesunde Ernährung, ein Platz zum Großwerden für Kinder und für persönliche Entwicklung bei den Erwachsenen. Die Vision ist fast universell, ihre Umsetzung immer wieder anders. Wer gemeinschaftliches Leben sucht, muss diese Vielfalt aushalten und mögen.

GEN – Global Ecovillage Network

Kosha Joubert

Kosha Joubert, geborene Südafrikanerin, die während der Auseinandersetzungen um die Apartheid mit ihren Eltern nach Europa immigrierte, hat den Schritt gewagt. Sie ist ‚ausgestiegen’ und erst nach ‚Sieben Linden’ in Sachsen-Anhalt gezogen, dann mit ihren Kindern ins schottische ‚Findhorn’, einem Ökodorf, das schon vor über 50 Jahren begründet wurde, um neue Lebensstile auszuprobieren.

All diese vereinzelten Initiativen haben sich locker zu GEN, Global Ecovillage Network, zusammengeschlossen, einem Netzwerk aus Ökodörfern, dem Kosha Joubert als Präsidentin vorsteht.

„Ich möchte den normalen Weg nicht weiterführen oder die breite Straße, die mir die Gesellschaft anbietet. Diese fühlt sich nicht ganz richtig an, nicht stimmig“, so Joubert nachdenklich. „Und in dieser paradoxen Situation trotzdem zu sagen: Ich entscheide mich dafür, Teil der Lösung zu sein. Und: Ich mache das nicht alleine, sondern in der gegenseitigen Unterstützung mit anderen.“

“Gemeinschaft bedeutet Bereicherung und Verzicht”

Intentionale Gemeinschaften, Ökodörfer, Land-Kommunen, ökologische Genossenschaften entstehen durch den Einsatz von engagierten Menschen aller sozialer Schichten und Altersstufen, die es anders machen wollen. ‚Intentional‘ heißt, man hat ein gemeinsames Ziel, eine ‚Intention‘.

Man will die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen vertiefen, gemeinsam nachhaltig leben, Kinder anders aufziehen, weniger konsumieren, gemeinsam arbeiten ohne Hierarchien und Chefs, nach eigenen Regeln, mit geteiltem Besitz und Entscheidungen im Konsens. Nicht nur fürs persönliche Glück, sondern durchaus auch als Modell für den Rest der Welt: Ihr zeigen, dass es anders geht! Zusammenleben auf eine Art, die alle stärkt!

Gemeinschaftliches Leben hat heute entsprechend viele Gesichter. Das kann der genossenschaftliche Kauf einer Immobilie sein, die dann kostengünstig an die teilnehmenden ‚Genossen‘ vermietet wird. Das kann die ‚luxuriöse Einfachheit’ sein, zum Beispiel, indem man Waschmaschine, Auto und Rasenmäher teilt.

Oder es geht um die Selbstversorgung vom eigenen Bio-Acker, das selbstbestimmte Arbeiten in genossenschaftlichen Betrieben, der ökologische Lebensstil mit Solarstrom und Niedrigenergiehaus trotz kleiner Brieftasche. Gemeinschaft bedeutet Bereicherung und Verzicht, Anregung und Herausforderung in einem Brutkasten von Ideen.

Zu Beginn der Alternativ-Bewegung mögen Menschen, die das alternative Landleben wählten, ‚Aussteiger‘ gewesen sein, weil sie mit der Konsumkultur nichts mehr zu tun haben wollten. Heute handele es sich bei den Siedlern um gesellschaftliche Vorkämpfer, sagt die Ökologin Gaby Bott aus ‚Sieben Linden’ in Sachsen Anhalt.

Und da verstehen sich die Ökodörfer und alternativen Gemeinschaften durchaus als ‚Modelle für eine andere Zukunft’. Sie wissen, dass es kein Leben außerhalb der Gesellschaft gibt, aber dass Freiräume kreativ genutzt werden können.

Sie probieren aus, was nahe liegt und guttut. Daraus entstehen immer wieder Lösungen, die dann auch außerhalb der Ökodorf-Nische Vorbild sein können: Das gemeinsame ökologische Bauen in Co-Housing-Projekten, generationengemischtes Wohnen, genossenschaftliche Finanzierungen für sozial Schwache, solidarische Landwirtschaft, Verzicht auf individuelle Konsumgüter und vieles mehr.

Dr. Geseko von Lüpke ist freier Journalist und Autor von Publikationen über Naturwissenschaft, nachhaltige Zukunftsgestaltung und ökologische Ethik.

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